Die Herausforderungen, die eine Bedrohung für traditionelle Bankgeschäftsmodelle darstellen, sind allgegenwärtig. Zu den unzähligen Marktentwicklungen gehört, dass verstärkt FinTechs auf den Markt drängen, die Blockchain und andere innovative Technologien nutzen. Aufsichtsbehörden führen immer mehr kostenträchtige regulatorische Vorgaben zum Schutz von Verbrauchern und Wirtschaft ein. Und BigTechs entwickeln zunehmend banknahe Produkte und Dienstleistungen, mit denen sie in Konkurrenz zu etablierten Banken treten. Angesichts dieser Trends und Veränderungen ist es von entscheidender Bedeutung, aktuelle Geschäftsstrategien ständig neu zu bewerten und anzupassen. Da diese Entwicklungen nach wie vor unsicher sind, ist der szenariobasierte Ansatz ein geeignetes Instrument zur Orientierung.
Die Deloitte Bankexperten und das Center for the Long View werfen einen Blick in die Zukunft. Unsere Methodik der Szenarioanalyse beginnt mit der Identifizierung der wichtigsten Einflussfaktoren anhand unseres European Banking Trend Radars, einer umfangreichen KI-Analyse sowie mithilfe von Experteninterviews und Workshops. In einem nächsten Schritt wird unterschieden zwischen sicheren Einflussfaktoren, die in der Zukunft höchstwahrscheinlich eintreten werden, und unsicheren, deren Eintreten ungewiss bleibt.
Auch wenn die Zukunft insgesamt unsicher bleibt, gibt es einige Faktoren, die alle unsere Szenarien beeinflussen:
Aus der Vielzahl an unsicheren Einflussfaktoren wurden von unseren Experten zwei Hauptdimensionen identifiziert, die die Zukunft des europäischen Banken-Ökosystems maßgeblich prägen werden. Die erste Dimension ist die „Breite“ des Ökosystems. Einerseits könnten die Banken mit einem eng gefassten Ökosystem konfrontiert sein, in dem es kaum innovative Produkte gibt und in dem die Auswahl für die Kunden begrenzt und standardisiert ist. Andererseits könnte das Ökosystem aus einer Vielzahl von integrierten Dienstleistungen bestehen, die von Start-ups angeboten werden. Zu diesem Zweck setzen sie auf offene Schnittstellen und eingebundene Finanzsysteme sowie auf neuartige Technologien wie die Distributed-Ledger-Technologie. Die Stärke des regulatorischen Eingreifens kennzeichnet die zweite Dimension. Eine regulatorische „lange Leine“ lässt den Banken erheblichen Spielraum für neue Ideen und Experimente. Am anderen Ende der Skala könnten erhebliche Interventionen im Zentrum des europäischen Regulierungsrahmens stehen, die einerseits für Stabilität sorgen, andererseits aber Innovationen unterdrücken.
Szenario 1: Mild Wild West
[Lange Leine & eine Vielzahl integrierter Services]
In diesem Szenario befindet sich das europäische Bankwesen in einem äußerst dynamischen Umfeld mit einer Vielzahl von Akteuren, die oft schnell florieren, aber dann auch wieder schnell verschwinden. Neue rechtliche Rahmenbedingungen führen zu mehr Effizienz und Innovation und fördern den Wettbewerb. Neue Herausforderer tauchen am Horizont auf und werden oft, so schnell wie sie entstanden sind, von etablierten Akteuren übernommen. Diese Dynamik führt zu einer Vielzahl innovativer Dienstleistungen, die nahezu alle Kundenwünsche erfüllen können.
Szenario 2: Sandboxed Innovation
[Erhebliche Interventionen & eine Vielzahl integrierter Services]
In diesem Szenario ist das europäische Banken-Ökosystem durch branchenübergreifende und -interne Zusammenarbeit gekennzeichnet, die in einem geschützten Umfeld für Innovation stattfindet. Die Regulierungsbehörden sind vor allem auf Stabilität bedacht. Erst in zweiter Linie wollen sie den Wettbewerb und die Innovation stärken. Start-ups kommen unter strengen regulatorischen Auflagen auf den Markt, die die traditionellen Banken als Anbieter kritischer Infrastrukturen schützen sollen. Im Unterschied dazu ist es den großen Technologieunternehmen untersagt, selbst Finanzdienstleistungen anzubieten.
Szenario 3: Caught in the Matrix
[Erhebliche Interventionen & eng gefasstes Ökosystem]
In diesem Szenario sorgt ein strenger Regulierungsrahmen für die Stabilität und Sicherheit des europäischen Finanzsystems. Wettbewerb und bahnbrechende Innovationen müssen jedoch diesem Ziel geopfert werden. Folglich führen hohe regulatorische Eintrittsbarrieren zu oligopolistischen Marktstrukturen, in denen große traditionelle Banken dominieren. Kunden suchen vergeblich nach vollständig digitalisierten und personalisierten Bankdienstleistungen. Stattdessen stehen etablierte Werte, wie Datenschutz und Transparenz, sowie eher konservative und kostenorientierte Geschäftsmodelle im Vordergrund.
Szenario 4: Big Players’ Paradise
[Lange Leine & eng gefasstes Ökosystem]
In diesem Szenario wird das Bankwesen in Europa durch die Dominanz der internationalen Big Player geprägt. Niedrige Regulierungsstandards und die Lockerung der Zulassungsbestimmungen haben finanzkräftige Big-Tech-Unternehmen dazu veranlasst, ihren großen Kundenstamm zu nutzen und in den Markt für Finanzdienstleistungen einzutreten. Zusammen mit den etablierten Banken bilden diese Akteure ein mächtiges Oligopol, welches das Entstehen neuer innovativer Start-ups behindert. Diese Marktstruktur wirkt sich nachteilig auf die Kunden aus: Sie müssen mit hohen Preisen, geringer Transparenz und zweifelhaften Datenschutzstandards rechnen.
Jedes dieser vier Zukunftsszenarien wird das europäische Banken-Ökosystem vor entscheidende Herausforderungen stellen. Traditionelle Bankinstitute werden mit innovativen Wettbewerbern wie FinTechs, Neobanken und Plattform-Orchestrierern, wie großen Technologieunternehmen oder dezentralen Finanzdienstleistern, konfrontiert sein. Die Aufsichtsbehörden werden ihre Regelwerke aktualisieren und die Kundenerwartungen werden sich ändern. Unsere Szenarioanalyse ermöglicht es Banken, sich proaktiv auf die kommenden Entwicklungen vorzubereiten.
Wenn Sie mehr über die Zukunft des europäischen Banken-Ökosystems erfahren möchten und Interesse an einer Szenarioanlyse haben, die auf Ihre Bank zugeschnitten ist, sprechen Sie uns gern an.