Kompetenzen bündeln, Ertragspotential realisieren und Kosten senken. Jede Fusion startet mit großen strategischen Zielen, die für die Integration gesteckt werden. Ob diese Ziele in der Praxis – und besonders in den Risikobereichen – tatsächlich realisiert werden, hängt davon ab, ob die Integration in den Prozessen, Methoden und Verfahren effizient und effektiv organisiert werden kann.
Grundvoraussetzung für fast alle Integrationsaktivitäten ist es, das Handeln auf das neue Institut auszurichten und eine Kultur zu schaffen, in der nicht aus Prinzip an bisherigen Sichtweisen festgehalten wird. Gegenseitige Wertschätzung und die Überzeugung für eine neue Idee überwinden bestehende Denkmuster. Das Top-Management kann diese Grundvoraussetzung durch entsprechende Leitplanken und Vermittlung der gemeinsamen Vision fördern und sicherstellen.
Spezifisch für den Risikobereich unterstützen die folgenden vier Faktoren eine erfolgreiche Integration.
Transparenz hat Priorität zu Beginn eines Integrationsvorhabens. Ziel einer „Transparenzphase“ zu Beginn ist es, die in den jeweiligen Risikobereichen verwendeten Methoden, Prozesse und Verfahren aufzunehmen und gegeneinander abzugleichen. Das schafft die Grundlage für eine fundierte Entscheidung über das fachliche Zielbild des Risikobereichs des neuen Instituts – beispielsweise die verwendeten Modelle, Risikoberichte und relevanten Steuerungskennzahlen – und dient als Input für die Entscheidung über die IT-Architektur. Auch wenn zwei Fusionspartner auf den ersten Blick Ähnlichkeiten aufzuweisen scheinen, sollte nicht unterschätzt werden, dass die Umsetzungen im Detail sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können. Ein wesentlicher Teil der Transparenzphase ist es, diese potenzielle Vielfalt der Mess- und Steuerungsansätze zu verstehen und neu zu bewerten.
Die Transparenzphase ist abgeschlossen, wenn die wesentlichen fachlichen Themen durchdrungen und Entscheidungen durch die relevanten Gremien getroffen wurden. Im Anschluss sollte der Fokus auf der Vorbereitung des Day 1 – den ersten Tag des fusionierten Instituts - liegen.
Drei Aspekte sollte man in der Transparenzphase unbedingt beachten.
In die nötigen und richtigen Ressourcen investieren
Zeit und Personal sind knapp in einer Integration, weil Stakeholder typischerweise schnell Erfolge sehen möchten und das Personal gleichzeitig in Linienaktivitäten gebunden ist. Dennoch müssen Ressourcen in ausreichendem Maße in die Transparenzphase investiert werden. Wichtig ist es, in dieser entscheidenden Phase den richtigen Fokus zu setzen. So sollte man sich nicht mit Fragen beschäftigen, auf die längst Antworten durch übergreifende Entscheidungen gefunden worden sind.
In der DZ HYP-Integration haben wir uns in 9 Monaten einen Überblick über die beiden Institute verschafft. In diesen Prozess wurden alle Fachspezialisten eingebunden, um die richtigen Themen in der nötigen Detailtiefe zu beleuchten und gleichzeitig den Day 1 nicht zu gefährden. Frühzeitig wurden übergreifende Entscheidungen getroffen. So wurde festgelegt, grundsätzlich die Systeme der vormaligen DG HYP zu nutzen und die Bestandsgeschäfte der vormaligen WL BANK in diese Systeme zu migrieren. Durch diese Entscheidung hat sich das Integrationsvorhaben im Risikobereich auf die Ausgestaltung der definierten Systeme anstatt auf Grundsatzfragen zu den passenden Systemen konzentriert.
Eine passende Struktur festlegen
Die geeignete Struktur für die Durchführung der Transparenzphase ist meist nicht die Linienorganisation. Zum einen gibt es im Zweifel unterschiedliche Strukturen und Aufgabenverteilungen bei den Integrationspartnern. Zum anderen unterstützt die Linienorganisation nicht dabei, vollständige und konsistente Lösungen über Bereiche hinweg zu schaffen. So gibt es einige Fragestellungen, die interdisziplinär gelöst werden müssen und viele, bei denen mehrere Bereiche verantwortlich sind.
Die passende Struktur erfüllt vier Kriterien:
Wir haben in der DZ HYP eine prozessorientierte Sicht auf die Risikothemen gewählt. Die Struktur wurde unabhängig von der Linienorganisation in Form interdisziplinärer Teams aufgesetzt, so dass bereichsübergreifend in fachlichen Themen gedacht werden konnte. In dieser Struktur waren Zuständigkeiten eindeutig zugeordnet.
Die Konsistenz der erarbeiteten Ergebnisse wurde durch ein übergreifendes „Risikosteuerungskonzept“ sichergestellt. In diesem wurden an zentraler Stelle die in den interdisziplinären Teams ausgearbeiteten Ergebnisse zusammengeführt und gegeneinander abgeglichen, um im Falle von Inkonsistenzen Impulse zu geben.
Rechtzeitig Entscheidungen treffen
Die Entscheidungen in der Transparenzphase geben Klarheit über das gemeinsame Ziel und den anstehenden Fahrplan. In jeder Integration gibt es Fragestellungen, die ein hohes Maß an Abhängigkeiten aufweisen. Diese Fragestellungen müssen frühzeitig identifiziert, diskutiert und entschieden werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass zu viele Handlungsalternativen über einen zu langen Zeitraum diskutiert und somit Ressourcen vergeudet werden. Auch nach Abschluss der Integration unterstützt ein gut dokumentierter Entscheidungsprozess dabei, nachvollziehbar den gegangenen Weg zu skizzieren.
In der DZ HYP-Integration wurde ein zentrales Entscheidungsregister aufgebaut, über das wesentliche Entscheidungen herbeigeführt und in dem die Ergebnisse dokumentiert wurden. Ausgewählte Themen wurden dabei aufgrund ihrer Abhängigkeiten zeitlich priorisiert, beispielsweise die Ausprägung der zukünftigen IRBA Ratingsysteme. Die Zuordnung der Kunden zu Ratingsystemen beeinflusst unmittelbar die Prozesse und notwendigen Tätigkeiten in den Markt- und Marktfolgebereichen, so dass eine frühzeitige Festlegung für viele Beteiligte vorteilhaft war.
Der Day 1 ist der wichtigste Meilenstein einer jeden Integration. Entscheidend ist eine klare Priorisierung der Themen aus Perspektive der Relevanz für Day 1 – unabhängig von ihrer grundsätzlichen Wichtigkeit. Eine einfache Frage hilft, „Day 1-kritische“ Themen zu identifizieren: Bei welchen Themen ist ein integrierter Blick auf das neue Institut zwingend erforderlich und wo kann eine temporäre Parallelsteuerung aus Risikogesichtspunkten vertreten werden?
Der Zeitpunkt und die Instrumente der Integration richten sich nach dieser Priorisierung. Bei „Day 1-kritischen“ Themen sollte frühzeitig in nachhaltige Lösungen und Verfahren für eine integrierte Sicht ab Day 1 investiert werden. Darunter fallen Themen, bei denen eine Sicht auf das Gesamtportfolio sowie der Diversifikationseffekte erforderlich ist. Typischerweise werden zeitlich begrenzt Abweichungen zum Zielbild auftreten. Mit Blick darauf können Risikoberichte genutzt werden, um Entscheidungsträgern Transparenz darüber zu verschaffen, bei welchen Risikoarten und -kennzahlen Einschränkungen existieren und bis wann diese abgestellt werden können.
Bei Themen mit niedriger Priorität ist eine Minimalkonfiguration mit einem temporären Parallellauf ab Day 1 möglich. Dabei handelt es sich um diejenigen Themen, bei denen eine zeitweise Beibehaltung getrennter Berechnungen und Prozesse zu keinen signifikanten Verzerrungen in der Risikosteuerung führt. Eine Minimalkonfiguration kann typischerweise für nicht-finanzielle Risiken genutzt werden.
Day 1-kritisch waren in der DZ HYP die Portfoliomodelle für das Kredit-, Marktpreis- und Liquiditätsrisiko. Für das Kreditrisiko musste durch die DZ HYP selbst eine integrierte Sicht auf das gemeinsame Portfolio bereits zu Day 1 aufgebaut werden. Für das Marktpreis- und Liquiditätsrisiko war durch die zentrale Risikomessung der DZ BANK Gruppe eine integrierte Sicht bereits sichergestellt. Weiterführende Umsetzungen und Anpassungen in Richtung des Zielbilds erfolgten sukzessive.
In jeder Integration steckt die Chance, gleichzeitig auch „Quick Wins“ und Modernisierungen zu realisieren. Bei der Zusammenführung bestehender Prozesse, Verfahren und Systeme kommt es darauf an, die bisherigen Vorgehensweisen zu hinterfragen und für das neue Institut zu gestalten. Das kann erfordern, auf Gewohntes zu verzichten und neue Wege zu gehen.
Was ist wichtig zu beachten?
In der DZ HYP-Integration war es unser Ziel, die Risikoberichterstattung an das Management im Zuge der Day 1-Vorbereitung zu modernisieren und zu verschlanken. In der Transparenzphase hatten wir erkannt, dass Anzahl und Umfang der Berichte reduziert werden können ohne steuerungsrelevante Informationen zu verlieren. Im Ergebnis wurde die Risikoberichtslandkarte zu Day 1 erheblich verschlankt, die Erstellungszeit der Berichte verringert und die Grundlage für künftige Automatisierungen gelegt.
Im Rahmen von Integrationen gibt es Themen, die einen größeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Diese sind typischerweise verbunden mit externen Zustimmungspflichten im aufsichtsrechtlichen Umfeld. Das Interesse der Bankenaufsicht an einer Fusion ist berechtigterweise groß – eine entsprechende Kommunikation ist daher entscheidend.
Aus Risiko-Perspektive ist die Vereinheitlichung von internen Risikomodellen essenziell. Diese ist insbesondere bei internen Risikomodellen für die Säule 1 von der Genehmigung der Bankenaufsicht abhängig. Damit ist der Fortschritt des Integrationsvorhabens direkt an diese Genehmigung geknüpft.
Was ist bei der Vereinheitlichung von Risikomodellen zu beachten?
In der DZ HYP-Integration wurde insbesondere für die Vereinheitlichung der IRBA-Systeme ein dezidierter Aktionsplan entwickelt.
Die vollständige Version des Dokuments beinhaltet drei spezifische Fallbeispiele aus dem Integrationsvorhaben der DZ HYP. Sie finden sie hier zum Download.