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Erfolgsfaktoren einer Bankenfusion aus Perspektive des Risikobereichs

Vier kritische Faktoren entscheiden über eine erfolgreiche Integration der Risikobereiche

Der Fusionsdruck im Bankensektor steigt – nicht zuletzt aufgrund des steigenden Kostendrucks bei der Modernisierung der IT-Infrastruktur und der zunehmenden regulatorischen Anforderungen in einem Umfeld andauernd niedriger Zinsen und Margen. In der Zusammenführung der Risikobereiche steckt dabei erhebliches Synergiepotenzial. Deloitte hat mit der DZ HYP die gemeinsamen Erfahrungen aus einer Bankenfusion verarbeitet und gibt Antworten auf zwei Fragen: Was ist entscheidend für eine erfolgreiche Integration der Risikobereiche? Wie erfolgte die praktische Integration im Risikobereich der DZ HYP?

Kompetenzen bündeln, Ertragspotential realisieren und Kosten senken. Jede Fusion startet mit großen strategischen Zielen, die für die Integration gesteckt werden. Ob diese Ziele in der Praxis – und besonders in den Risikobereichen – tatsächlich realisiert werden, hängt davon ab, ob die Integration in den Prozessen, Methoden und Verfahren effizient und effektiv organisiert werden kann.

Grundvoraussetzung für fast alle Integrationsaktivitäten ist es, das Handeln auf das neue Institut auszurichten und eine Kultur zu schaffen, in der nicht aus Prinzip an bisherigen Sichtweisen festgehalten wird. Gegenseitige Wertschätzung und die Überzeugung für eine neue Idee überwinden bestehende Denkmuster. Das Top-Management kann diese Grundvoraussetzung durch entsprechende Leitplanken und Vermittlung der gemeinsamen Vision fördern und sicherstellen.

Die vier Erfolgsfaktoren

 

Spezifisch für den Risikobereich unterstützen die folgenden vier Faktoren eine erfolgreiche Integration.

1.Transparenz schaffen

 

Transparenz hat Priorität zu Beginn eines Integrationsvorhabens. Ziel einer „Transparenzphase“ zu Beginn ist es, die in den jeweiligen Risikobereichen verwendeten Methoden, Prozesse und Verfahren aufzunehmen und gegeneinander abzugleichen. Das schafft die Grundlage für eine fundierte Entscheidung über das fachliche Zielbild des Risikobereichs des neuen Instituts – beispielsweise die verwendeten Modelle, Risikoberichte und relevanten Steuerungskennzahlen – und dient als Input für die Entscheidung über die IT-Architektur. Auch wenn zwei Fusionspartner auf den ersten Blick Ähnlichkeiten aufzuweisen scheinen, sollte nicht unterschätzt werden, dass die Umsetzungen im Detail sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können. Ein wesentlicher Teil der Transparenzphase ist es, diese potenzielle Vielfalt der Mess- und Steuerungsansätze zu verstehen und neu zu bewerten.

Die Transparenzphase ist abgeschlossen, wenn die wesentlichen fachlichen Themen durchdrungen und Entscheidungen durch die relevanten Gremien getroffen wurden. Im Anschluss sollte der Fokus auf der Vorbereitung des Day 1 – den ersten Tag des fusionierten Instituts - liegen.

Drei Aspekte sollte man in der Transparenzphase unbedingt beachten.

In die nötigen und richtigen Ressourcen investieren

Zeit und Personal sind knapp in einer Integration, weil Stakeholder typischerweise schnell Erfolge sehen möchten und das Personal gleichzeitig in Linienaktivitäten gebunden ist. Dennoch müssen Ressourcen in ausreichendem Maße in die Transparenzphase investiert werden. Wichtig ist es, in dieser entscheidenden Phase den richtigen Fokus zu setzen. So sollte man sich nicht mit Fragen beschäftigen, auf die längst Antworten durch übergreifende Entscheidungen gefunden worden sind.

In der DZ HYP-Integration haben wir uns in 9 Monaten einen Überblick über die beiden Institute verschafft. In diesen Prozess wurden alle Fachspezialisten eingebunden, um die richtigen Themen in der nötigen Detailtiefe zu beleuchten und gleichzeitig den Day 1 nicht zu gefährden. Frühzeitig wurden übergreifende Entscheidungen getroffen. So wurde festgelegt, grundsätzlich die Systeme der vormaligen DG HYP zu nutzen und die Bestandsgeschäfte der vormaligen WL BANK in diese Systeme zu migrieren. Durch diese Entscheidung hat sich das Integrationsvorhaben im Risikobereich auf die Ausgestaltung der definierten Systeme anstatt auf Grundsatzfragen zu den passenden Systemen konzentriert.

Eine passende Struktur festlegen

Die geeignete Struktur für die Durchführung der Transparenzphase ist meist nicht die Linienorganisation. Zum einen gibt es im Zweifel unterschiedliche Strukturen und Aufgabenverteilungen bei den Integrationspartnern. Zum anderen unterstützt die Linienorganisation nicht dabei, vollständige und konsistente Lösungen über Bereiche hinweg zu schaffen. So gibt es einige Fragestellungen, die interdisziplinär gelöst werden müssen und viele, bei denen mehrere Bereiche verantwortlich sind.

Die passende Struktur erfüllt vier Kriterien:

  1. Vollständigkeit – sie deckt alle Themengebiete der Risikobereiche ab
  2. Konsistenz – sie verknüpft bereichsübergreifende Themen miteinander, um Konsistenz sicherzustellen
  3. Komplexitätsreduktion – sie bricht die Themen auf ein akzeptables Komplexitätsniveau herunter, auf dem die relevanten Fragen in der verfügbaren Zeit gelöst werden können
  4. Innovationskraft – sie unterstützt aktiv, außerhalb der gewohnten Struktur Lösungen aus der Perspektive des neuen Instituts zu entwickeln

Wir haben in der DZ HYP eine prozessorientierte Sicht auf die Risikothemen gewählt. Die Struktur wurde unabhängig von der Linienorganisation in Form interdisziplinärer Teams aufgesetzt, so dass bereichsübergreifend in fachlichen Themen gedacht werden konnte. In dieser Struktur waren Zuständigkeiten eindeutig zugeordnet.

Die Konsistenz der erarbeiteten Ergebnisse wurde durch ein übergreifendes „Risikosteuerungskonzept“ sichergestellt. In diesem wurden an zentraler Stelle die in den interdisziplinären Teams ausgearbeiteten Ergebnisse zusammengeführt und gegeneinander abgeglichen, um im Falle von Inkonsistenzen Impulse zu geben.

Rechtzeitig Entscheidungen treffen

Die Entscheidungen in der Transparenzphase geben Klarheit über das gemeinsame Ziel und den anstehenden Fahrplan. In jeder Integration gibt es Fragestellungen, die ein hohes Maß an Abhängigkeiten aufweisen. Diese Fragestellungen müssen frühzeitig identifiziert, diskutiert und entschieden werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass zu viele Handlungsalternativen über einen zu langen Zeitraum diskutiert und somit Ressourcen vergeudet werden. Auch nach Abschluss der Integration unterstützt ein gut dokumentierter Entscheidungsprozess dabei, nachvollziehbar den gegangenen Weg zu skizzieren.

In der DZ HYP-Integration wurde ein zentrales Entscheidungsregister aufgebaut, über das wesentliche Entscheidungen herbeigeführt und in dem die Ergebnisse dokumentiert wurden. Ausgewählte Themen wurden dabei aufgrund ihrer Abhängigkeiten zeitlich priorisiert, beispielsweise die Ausprägung der zukünftigen IRBA Ratingsysteme. Die Zuordnung der Kunden zu Ratingsystemen beeinflusst unmittelbar die Prozesse und notwendigen Tätigkeiten in den Markt- und Marktfolgebereichen, so dass eine frühzeitige Festlegung für viele Beteiligte vorteilhaft war.

2.Prioritäten setzen für Day 1-Readiness

 

Der Day 1 ist der wichtigste Meilenstein einer jeden Integration. Entscheidend ist eine klare Priorisierung der Themen aus Perspektive der Relevanz für Day 1 – unabhängig von ihrer grundsätzlichen Wichtigkeit. Eine einfache Frage hilft, „Day 1-kritische“ Themen zu identifizieren: Bei welchen Themen ist ein integrierter Blick auf das neue Institut zwingend erforderlich und wo kann eine temporäre Parallelsteuerung aus Risikogesichtspunkten vertreten werden?

Der Zeitpunkt und die Instrumente der Integration richten sich nach dieser Priorisierung. Bei „Day 1-kritischen“ Themen sollte frühzeitig in nachhaltige Lösungen und Verfahren für eine integrierte Sicht ab Day 1 investiert werden. Darunter fallen Themen, bei denen eine Sicht auf das Gesamtportfolio sowie der Diversifikationseffekte erforderlich ist. Typischerweise werden zeitlich begrenzt Abweichungen zum Zielbild auftreten. Mit Blick darauf können Risikoberichte genutzt werden, um Entscheidungsträgern Transparenz darüber zu verschaffen, bei welchen Risikoarten und -kennzahlen Einschränkungen existieren und bis wann diese abgestellt werden können.

Bei Themen mit niedriger Priorität ist eine Minimalkonfiguration mit einem temporären Parallellauf ab Day 1 möglich. Dabei handelt es sich um diejenigen Themen, bei denen eine zeitweise Beibehaltung getrennter Berechnungen und Prozesse zu keinen signifikanten Verzerrungen in der Risikosteuerung führt. Eine Minimalkonfiguration kann typischerweise für nicht-finanzielle Risiken genutzt werden.

Day 1-kritisch waren in der DZ HYP die Portfoliomodelle für das Kredit-, Marktpreis- und Liquiditätsrisiko. Für das Kreditrisiko musste durch die DZ HYP selbst eine integrierte Sicht auf das gemeinsame Portfolio bereits zu Day 1 aufgebaut werden. Für das Marktpreis- und Liquiditätsrisiko war durch die zentrale Risikomessung der DZ BANK Gruppe eine integrierte Sicht bereits sichergestellt. Weiterführende Umsetzungen und Anpassungen in Richtung des Zielbilds erfolgten sukzessive.

3.Die Chance nutzen

 

In jeder Integration steckt die Chance, gleichzeitig auch „Quick Wins“ und Modernisierungen zu realisieren. Bei der Zusammenführung bestehender Prozesse, Verfahren und Systeme kommt es darauf an, die bisherigen Vorgehensweisen zu hinterfragen und für das neue Institut zu gestalten. Das kann erfordern, auf Gewohntes zu verzichten und neue Wege zu gehen.

Was ist wichtig zu beachten?

  1. Potenziale erkennen
    Das Ziel besteht darin, diejenigen Prozesse, Verfahren und Systeme zu identifizieren, die „Quick Win-Potenzial“ besitzen. Auszuschließen sind hier häufig Themen mit externen Zustimmungspflichten etwa durch die Bankenaufsicht.
  2. Realistische Ziele setzen
    Bei der Modernisierung sollte man sich nicht übernehmen. Eine umfassende Neueinführung von Risikomodellen beispielsweise kann schwierig nebenbei umgesetzt werden. Die Weiterentwicklung von Risikoberichten ist jedoch in gewissem Maße über die reine Zusammenführung hinaus möglich.
  3. Day 1-Readiness in den Mittelpunkt stellen
    Die Vorbereitung des Day 1 des neuen Instituts ist und bleibt der Mittelpunkt eines Integrationsprojektes. Wichtig ist, dass dessen Ziele nicht gefährdet werden.

In der DZ HYP-Integration war es unser Ziel, die Risikoberichterstattung an das Management im Zuge der Day 1-Vorbereitung zu modernisieren und zu verschlanken. In der Transparenzphase hatten wir erkannt, dass Anzahl und Umfang der Berichte reduziert werden können ohne steuerungsrelevante Informationen zu verlieren. Im Ergebnis wurde die Risikoberichtslandkarte zu Day 1 erheblich verschlankt, die Erstellungszeit der Berichte verringert und die Grundlage für künftige Automatisierungen gelegt.

4.Kommunikation mit der Bankenaufsicht frühzeitig angehen

 

Im Rahmen von Integrationen gibt es Themen, die einen größeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Diese sind typischerweise verbunden mit externen Zustimmungspflichten im aufsichtsrechtlichen Umfeld. Das Interesse der Bankenaufsicht an einer Fusion ist berechtigterweise groß – eine entsprechende Kommunikation ist daher entscheidend.

Aus Risiko-Perspektive ist die Vereinheitlichung von internen Risikomodellen essenziell. Diese ist insbesondere bei internen Risikomodellen für die Säule 1 von der Genehmigung der Bankenaufsicht abhängig. Damit ist der Fortschritt des Integrationsvorhabens direkt an diese Genehmigung geknüpft.

Was ist bei der Vereinheitlichung von Risikomodellen zu beachten?

  1. Aufsicht einbinden
    Es ist frühzeitig Kontakt mit der Aufsicht aufzunehmen, um einen regelmäßigen Austausch zu etablieren. Erste Erwartungen hat die EZB in ihrem Leitfaden „Guide on the supervisory approach to consolidation in the banking sector“ bereits kommuniziert.
  2. Kritische Zustimmungspflichten abstimmen
    In welchem Umfang die Aufsicht in den Integrationsprozess eingebunden werden möchte, ist individuell abzustimmen. Bei einigen Themen besteht typischerweise eine Zustimmungspflicht der Bankenaufsicht (insb. IRBA-Systeme), teilweise ist lediglich eine Information gewünscht.
  3. Fahrplan zur Umsetzung und Genehmigung entwickeln
    Ein realistischer Fahrplan für die Vereinheitlichung der internen Risikomodelle ist zu entwickeln und mit wesentlichen Meilensteinen des gesamten Integrationsvorhabens zu synchronisieren. Teil dieses Fahrplans muss der aufsichtsrechtliche Genehmigungsprozess sein.

In der DZ HYP-Integration wurde insbesondere für die Vereinheitlichung der IRBA-Systeme ein dezidierter Aktionsplan entwickelt.

Die vollständige Version des Dokuments beinhaltet drei spezifische Fallbeispiele aus dem Integrationsvorhaben der DZ HYP. Sie finden sie hier zum Download.

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