Im Jahr 2017 erlitt die Europäische Union einen geschätzten Verlust von 137 Milliarden Euro an Steuereinnahmen, da die Steuerbehörden nicht in der Lage waren, fällige Mehrwertsteuern von den Steuerzahlern einzutreiben. Eine der Ursachen für diese sogenannte Mehrwertsteuerlücke ist der Mehrwertsteuerbetrug im elektronischen Handel. Für die Steuerbehörden wird es immer schwieriger, Transaktionen aus dem E-Commerce zu überwachen und angemessen zu besteuern. Sie müssen zunehmend die Mehrwertsteuer von Händlern mit Sitz im Ausland einziehen, was zu einem guten Teil eine unmittelbare Folge der makroökonomischen Auswirkungen von Globalisierung und Digitalisierung ist. Denn diese Veränderungen haben das Aufkommen neuer Geschäftsmodelle, wie etwa der Plattform-, Gig- und Sharing Economy befördert, deren Handels- und Geschäftsbeziehungen vor Landesgrenzen nicht haltmachen. Im Gegenteil, die Realisierung von Skaleneffekten bedingt geradezu das geografische Wachstum. Ein anderer Grund für die in den letzten Jahren stetig gestiegenen Außenstände ist der Regimewechsel bei der Mehrwertsteuerveranlagung von der ursprungsbezogenen Besteuerung, also im Sitzland des Verkäufers, hin zur zielbezogenen Besteuerung, das heißt, die Mehrwertsteuer fällt im Land des Verbrauchs an.
Als Teil eines umfassenden Pakets zur Auflösung der Mehrwertsteuer-Lücke und insbesondere des Mehrwertsteuerbetrugs im elektronischen Handel hat die EU gesetzliche Maßnahmen zur „Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Steuerbehörden und Finanzinstituten“ ergriffen. Was zunächst harmlos klingt, verpflichtet Finanzdienstleister dazu, bestimmte Zahlungstransaktionen vierteljährlich an ihre lokalen Steuerbehörden zu melden. Diese wiederum werden diese Zahlungsdaten mit anderen EU-Ländern über eine zentrale Datenbank namens CESOP (Central Electronic System Of Payment information) austauschen und aggregieren. Diese neue Meldepflicht für Finanzdienstleister tritt am 1. Januar 2024 in Kraft, zwei Jahre später als ursprünglich geplant. Doch wie sehen die neuen Berichtspflichten für EU-Finanzinstitute aus und sind sie verhältnismäßig, durchsetzbar und wirksam?
Die Meldepflicht gilt für Zahlungsdienstleister gemäß der Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) und damit konkret für Kreditinstitute, E-Geld-Institute, Postscheckämter und Zahlungsinstitute. In der Praxis ist das gleichbedeutend mit einer umfassenden Betroffenheit, denn die Meldepflicht ist außerdem weitgehend unabhängig vom Zahlungsinstrument, das heißt, neben dem klassischen Bankzahlungsverkehr mit seinen Überweisungen und Lastschriften sind Kartenzahlungen genauso betroffen wie Zahlungen mit alternativen Bezahlmethoden. Wir schließen aus den in den Gesetzestexten verwendeten Formulierungen, dass die Berichtspflicht nicht für Finanzinstitute mit Sitz außerhalb der EU gelten wird.
Die Meldung muss bei den Steuerbehörden des „Herkunftsmitgliedstaates“, in dem das Finanzinstitut seinen Sitz hat, oder des „Aufnahmemitgliedstaates“, in dem das Finanzinstitut Zahlungsdienstleistungen erbringt, eingereicht werden.
Die Meldepflicht gilt nur für grenzüberschreitende Zahlungen, weitgehend unabhängig vom gewählten Zahlungsinstrument. Grenzüberschreitend ist eine Zahlung im Sinne der Regulierung dann, wenn ein „Zahlungsdienstleister“ Gelder von einem Zahler, der in einem EU-Mitgliedsstaat ansässig ist, an einen Zahlungsempfänger in einem anderen Mitgliedsstaat, Drittgebiet oder Drittland überträgt.
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