RTF-Konzepte, die gemäß den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) sowie dem RTF-Leitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auszugestalten sind, stellen heute einen zentralen Baustein eines ganzheitlichen Risikomanagements dar und dienen der finanziellen Stabilität von Banken und anderen Finanzinstitutionen. Dazu gehören die Identifikation aller relevanten Risiken, deren Steuerung und Überwachung, eine angemessene Kapitalausstattung sowie eine regelmäßige und anlassbezogene Risikoberichterstattung. Die Übertragung der Grundsätze auf die Energiewirtschaft erfolgt anhand der ökonomischen Gesichtspunkte und wird im Wesentlichen über die Risikokapitalallokation umgesetzt.
Die Grundidee der Risikotragfähigkeit ist, das Gesamtrisiko der wesentlichen Risiken dem zur Verlustabsorption zur Verfügung stehenden Kapital (Risikodeckungspotential) gegenüberzustellen. Die RTF ist gegeben, wenn das Gesamtrisiko das Risikodeckungspotential nicht übersteigt. Hierbei spielen sowohl die Qualität des Eigenkapitals als auch die Verfügbarkeit liquider Mittel eine zentrale Rolle. Darüber hinaus sollten die Unternehmen in der Lage sein, im Krisenfall schnell Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Risikoposition zu reduzieren. Die Ausgestaltung der RTF sollte sich nach dem Grundsatz der doppelten Proportionalität an Art, Umfang und am Risikogehalt der Geschäftstätigkeit orientieren.
Bei der Ermittlung des Risikodeckungspotentials ist es entscheidend, die wirtschaftlichen Eigenmittel eines Unternehmens korrekt zu bewerten. Unter wirtschaftlichen Eigenmitteln versteht man die finanziellen Ressourcen eines Unternehmens, die zur Absicherung von Risiken zur Verfügung stehen und als Risikokapital allokiert werde können. Hierbei wird zwischen der barwertigen sowie der barwertnahen Ermittlung unterschieden, wobei die letztere aufgrund des einfacheren Aufsatzes auf bilanziellen Größen weit verbreitet ist.
Der Prozess zur Ermittlung der wirtschaftlichen Eigenmittel im barwertnahen Ansatz basiert auf dem bilanziellen Eigenkapital. Dieses besteht in der Regel aus dem gezeichneten Kapital, den Gewinnrücklagen und dem Jahresüberschuss. Bei bestehenden Ergebnisabführungsverpflichtungen sollte der Jahresüberschuss unberücksichtigt bleiben, sobald dieser nicht mehr zur Deckung von Risiken zur Verfügung steht. Korrekturen des bilanziellen Eigenkapitals können sowohl positive als auch negative Anpassungen beinhalten. Abzuziehen sind stille Lasten, die ungünstige Bewertungsunterschiede zwischen dem Buchwert und dem Zeitwert von Aktiva und Passiva darstellen. Des Weiteren sollten auch latente Steuern oder immaterielle Vermögenswerte, wie selbst erstellte Software oder Kundenbeziehungen, die oft schwer zu bewerten sind, abgezogen werden. Stille Reserven können hinzugerechnet werden, bleiben jedoch in der Praxis bei konservativen Ansätzen unberücksichtigt.
Die Festlegung des Risikoappetits ist eine strategische Entscheidung des Managements, in welcher Höhe Risiken eingegangen werden dürfen, um das Geschäftsziel zu erreichen. Dabei ist der Risikoappetit so festzulegen, dass ein angemessener Puffer zum Risikodeckungspotential besteht. Dieser Puffer dient der Absorption von Risiken, die nicht explizit in der RTF berücksichtigt werden, sowie zur Verlängerung des Aktionsfensters für Maßnahmen zur Risikoreduzierung im Falle angespannter Marktphasen.
Die Risikoinventur ist ein zentraler Bestandteil des Risikomanagementprozesses und dient der systematischen Erfassung und Bewertung der Materialität der Risiken. Gemäß MaRisk sind dabei Marktpreisrisiken, Adressenausfallrisiken, Liquiditätsrisiken sowie operationelle Risiken als wesentliche Risikoarten einzustufen. Abhängig vom Geschäftsmodell können weitere Risiken als wesentlich eingestuft werden, wobei diese i.d.R. den genannten Risikoarten untergeordnet werden können. Die Risikoinventur sollte jährlich sowie anlassbezogen im Falle von neuen und starken Marktbewegungen durchgeführt werden.
Die identifizierten Risiken bilden die Basis für die Risikokapitalallokation. Diese kann ausgehend vom Risikokapitalbedarf der Geschäftstätigkeit (bottom-up) oder anhand von strategischen Zielvorgaben (top-down) erfolgen. Die Kapitalallokation sollte dabei proportional zu Art und Umfang sowie zum Risikogehalt der Geschäftstätigkeit vorgenommen werden. Während in der Energieversorgung das Risikokapital insbesondere zur Abdeckung des Preis-Mengen-Risikos vorgesehen ist, kann das Risikokapital im Handel als Freiraum definiert werden, in dem bewusst Risiken zur Steigerung der Rendite eingegangen werden dürfen. Operationalisiert wird dies über ein geeignetes Limitsystem, das neben der Limitierung der Risikokennzahlen auch Limite für Volumen, Laufzeit, Konzentrationen und Marktregionen umfassen kann.
Die Bestimmung der Risikokapitalauslastung erfolgt durch die Messung des Risikopotentials der für das Unternehmen wesentlichen Risiken. Die Risikopotentiale werden üblicherweise mit Risikomodellen wie dem Value-at-Risk, Profit-at-Risk, Sensitivitäten und Stresstests ermittelt. Für diese Modelle sind haltbare Annahmen zugrunde zu legen, die im Einklang mit den Maßnahmen zur Risikoreduktion stehen. D.h. die Risikomessung ist so auszugestalten, dass die notwendigen Steuerungsimpulse rechtzeitig gegeben werden und die Maßnahmen innerhalb der angenommenen Haltedauer durchgeführt werden können. Um diese sicherzustellen, sollten auch die Risikomodelle regelmäßig validiert und bei Bedarf angepasst werden.
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre hat die Bedeutung von Stresstests für das Risikomanagement deutlich gemacht. Anhand der Stresszenarien können die Auswirkungen extremer Marktentwicklungen auf das Unternehmen analysiert werden und geeignete Maßnahmen definiert werden. Durch reverse Stresstests können zudem die maximalen Änderungen der Risikofaktoren ermittelt werden, bei denen die Risikotragfähigkeit noch gegeben ist.
Diese sich ergänzenden Messmethoden zeichnen ein umfassendes Bild der Art und Ausprägung der wesentlichen Risiken. Auf dieser Basis kann ermittelt werden, ob die Handlungsoptionen zur Risikoreduktion in unterschiedlichen Situationen ausreichend sind.
Die beschriebenen Komponenten der RTF sollten in die regelmäßige Berichterstattung aufgenommen werden, um den unterschiedlichen Kompetenzebenen Einblick in die Risikosituation zu geben und informierte Entscheidungen zu ermöglichen. Darüber hinaus sollen Ad-hoc-Berichte bei sich stark verändernden Marktsituationen ein reaktionsschnelles Eingreifen sicherstellen.
Die Risikokapitalallokation ist ein wesentlicher Baustein eines wirksamen Risikomanagementsystems, aber sie kann nicht isoliert wirken. Sie muss eingebettet sein in ein umfassendes Risikomanagement- und Governance-System. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Schaffung einer starken Risikokultur, die auf ein klares Verständnis und Bewusstsein aller Stakeholder für die Bedeutung des Risikomanagements abzielt. Dies bedeutet, dass sowohl die Geschäftsleitung als auch die Mitarbeitenden die Risikostrategie und die zugrundeliegenden Prinzipien des Risikomanagements verstehen und deren Umsetzung unterstützen. Zudem muss die Risikotragfähigkeit fest in der Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens verankert sein.
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David Schindler
Senior Manager I Financial Industry Risk & Regulatory
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