VPPAs sind individuell verhandelbare OTC-Verträge ohne etablierte Standardisierung. Dies führt zu entsprechenden Herausforderungen bei der Fair Value-Berechnung. Eine detaillierte Vertragsanalyse ist notwendig, um alle bewertungsrelevanten Informationen zu erfassen, einschließlich der Vertragskomponenten, die implizite Optionalitäten darstellen und den Wert des vPPAs wesentlich beeinflussen können. Aufgrund der langen Vertragslaufzeiten ist die Volumenprognose und die Ermittlung von Forward-Preisen mit erheblicher Unsicherheit verbunden.
Die Anforderungen an die Bilanzierung hängen von den konkreten Vereinbarungen im vPPA ab und sollten bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden, um unerwünschte bilanzielle Auswirkungen zu verhindern. VPPAs erfüllen häufig die Definition eines derivativen Finanzinstruments nach IFRS 9 und sind folglich zum beizulegenden Zeitwert (Fair Value) zu bilanzieren. Bei Erfüllung der Voraussetzungen insbesondere hinsichtlich der Dokumentation besteht die Möglichkeit zur Anwendung von Hedge Accounting nach IFRS, um bilanzielle Inkongruenz zwischen dem vPPA und dem zukünftigen physischen Strombezug zu vermeiden. Nach HGB sind vPPAs unter Beachtung der allgemeinen Realisations- und Imparitätsgrundsätze des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB als schwebende Geschäfte zu bilanzieren.
Bei der Schätzung des erwarteten Volumens aus erneuerbaren Energiequellen sind sowohl die Saisonalität als auch die Variabilität des Produktionsprofils zu berücksichtigen. Hierfür wird üblicherweise auf Produktionsgutachten von Industriespezialisten zurückgegriffen, die standortabhängige Prognosen erstellen. Die Analyse historischer Wetterdaten und -muster kann Hinweise liefern, ob die geschätzten Volumina plausibel sind. Das Produktionsprofil ist für pay-as-produced vPPAs von besonderer Bedeutung, da die eingespeiste Energie und der erzielbare Preis üblicherweise negativ korreliert sind. Bei günstigen Wetterlagen führt die verstärkte Einspeisung durch erneuerbare Energien zu einem Preisdruck am Markt, was als Kannibalisierungseffekt bezeichnet wird. Die Ausprägung des Kannibalisierungseffekts einer Marktlokation wird durch die Capture-Preise der jeweilige Produktionstechnologie wiedergegeben.
Capture-Preise sind die Preise, die über einen bestimmten Zeitraum für die Einspeisung erneuerbarer Energien erzielt werden, und sind daher wesentlich für die finanzielle Rentabilität des Projekts. Wie sich Capture-Preise in der Zukunft entwickeln werden, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, zum Beispiel von dem erwarteten Ausbau erneuerbarer Energiequellen, makroökonomischen Bedingungen, den Preisen für fossile Brennstoffe, den rechtlichen und regulatorischen Anreizen oder Einschränkungen sowie neuen technischen Entwicklungen. Schwankungen bei den langfristigen Strom-Forward-Preisen und Capture-Preisen beeinflussen den Fair Value von vPPAs erheblich und werfen die Frage auf, welche Szenarien und Preiserwartungen der Fair Value-Bewertung zugrunde gelegt werden sollten. Da Marktpreise und Brokerquotierungen oft nicht für die gesamte Vertragslaufzeit verfügbar sind, müssen für den langfristigen Bereich der Forward-Kurve Preiserwartungen gebildet werden. Liquide Marktpreise sind in der Regel nur für die ersten Jahre zu beobachten. Dies impliziert, dass nicht beobachtbare Marktdaten eine entscheidende Rolle bei der Bewertung von vPPAs spielen. Daher empfiehlt sich eine Analyse, wie verschiedene Marktszenarien zukünftige Cashflows und folglich den Fair Value des dazugehörigen Vertrags beeinflussen.
Die Unsicherheit der Bewertungsparameter erstreckt sich auch auf die Bestimmung des Kontrahentenrisikos. Die Erfassung des erwarteten Ausfallrisikos in Form von Credit Value Adjustments (CVA) und Debt Value Adjustments (DVA) ist ebenfalls herausfordernd. Gegenwärtig verbreitet ist die Methode, das Ausfallrisiko durch den Aufschlag von Credit Spread-Faktoren in der Diskontkurve zu berücksichtigen, die zur Diskontierung der zum Bewertungsstichtag erwarteten Cashflows genutzt wird. Während dieser Ansatz einfach zu implementieren ist, fokussieren sich finanzmarktübliche Ansätze zur Berücksichtigung von CVA und DVA in der Derivatebewertung auf das zukünftig erwartete Exposure.
Bei der Beschaffung von vPPAs, insbesondere bei pay-as-produced vPPAs, ist das Verständnis der potenziellen Risikofaktoren und die Berücksichtigung dieser in den Bewertungs- und Risikomodellen von zentraler Bedeutung. Wetterrisiken materialisieren sich in der Weise, dass die Einspeisevergütung unter den erwarteten Erträgen liegen. Dies stellt aufgrund der schwankenden Cashflows auch eine Herausforderung für die Liquiditätssteuerung dar. Neben dem Volumenrisiko ist außerdem das Profilrisiko durch die zukünftige Entwicklung des Kannibalisierungseffekts und der damit verbundenen Capture-Preise zu berücksichtigen. Durch pay-as-produced vPPAs übertragen die Anbieter dieses Preisrisiko auf die PPA-Abnehmer. Die Übertragung des Preisrisikos kann mit verschiedenen Produkteigenschaften und -komponenten ganz oder teilweise erreicht werden, wie zum Beispiel durch einen Fixpreis, gestaffelten oder indexierten Preis, sowie Discount-to-Market inklusive einer Floor-Komponente. Darüber hinaus bestehen Preisstrukturen mit einer Festpreisperiode, gefolgt von einem Floating-Preis oder einer Collar-Struktur. Welche Formen vorherrschen, unterscheidet sich je nach Markt und spiegelt die Markterwartungen hinsichtlich der Entwicklung des Preisniveaus und der Capture-Preise wider.
Für Abnehmer, die mit vPPAs ihr Strompreisrisiko absichern möchten, besteht das Risiko, dass das Produktionsprofil aus einer erneuerbaren Energiequelle nicht zu ihrem Verbrauchsprofil passt. In Marktsituationen mit steigenden Energiepreisen kann dies aus finanzieller Sicht zu einer nicht ausreichenden Kompensation aus dem vPPA führen. Dieses Basisrisiko kann materiell ansteigen, wenn zum Beispiel die Netzeinspeisung in einem anderen Land als der Stromverbrauch stattfindet. Der Location Spread wird durch den Energiemix und die Lastprofile der Länder, das Währungsrisiko, als auch durch rechtliche und regulatorische Maßnahmen beeinflusst und sollte sorgfältig vor Vertragsschluss bewertet werden.
Darüber hinaus sind vPPAs einem erheblichen Kontrahentenrisiko ausgesetzt: Zwar können Kreditsicherheiten und andere Bestimmungen des PPA-Vertrags dem bis zu einem gewissen Grad entgegenwirken, jedoch bleibt sowohl für den Lieferanten als auch für den Käufer ein signifikantes Risiko, dass die geschuldeten Beträge nicht gezahlt werden können. Wenn das Kontrahentenrisiko in Bezug auf vPPAs bewertet wird, sollten die zukünftigen erwarteten Exposures berücksichtigt werden, da das Exposure mit den Änderungen der zugrunde liegenden Strompreisen schwankt. Während das Erfüllungsrisiko (Settlement Risk) normalerweise durch die monatlichen Abrechnungsperioden beschränkt ist, kann das Wiedereindeckungsrisiko (Replacement Risk) im Falle eines Kontrahentenausfalls erheblich sein.
Energiemärkte sind stark reguliert und unterliegen regelmäßig regulatorischen und rechtlichen Eingriffen. Änderungen der Gesetze und Vorschriften können das finanzielle Ergebnis aus vPPAs erheblich beeinflussen und sind kaum abschätzbar. Daher sollten mögliche negative Einflüsse vor Vertragsschließung analysiert und während der Laufzeit des vPPAs beobachtet werden. Dies gilt auch für das Projektentwicklungsrisiko, das häufig eng mit dem Rechtsrisiko verbunden ist, da Genehmigungen möglicherweise nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht erteilt werden.
Energiemärkte sind komplex und eine erfolgreiche Beschaffung von vPPAs setzt eine sorgfältige Evaluierung der Werttreiber und Risikofaktoren voraus. Dem Risikomanagement kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, da die hohe Unsicherheit bezüglich Preisentwicklungen und Volumen eine fortlaufende Überwachung sowie geeignete Steuerungs- und Hedging-Ansätze zur Absicherung der Risiken erfordert.
Wir bieten Ihnen Unterstützung während des gesamten Lifecycles eines vPPA-Vertrags: Dies beinhaltet die Bereitstellung von Bewertungsdienstleistungen sowie eine detaillierte Risikoanalyse. Diese befähigt Sie dazu, die Chancen und Risiken von PPAs zu verstehen, um fundierte Entscheidungen in der Beschaffungsphase zu treffen, die Folgebewertung während der Vertragslaufzeit sicherzustellen und die verbundenen Risiken zu steuern. Eine erfolgreiche Strombeschaffung sowie ein zielgerichtetes Management von Strombeschaffung und -verbrauch basieren auf einer ganzheitlichen Sichtweise, die Markt- und Technologieentwicklungen in Kombination mit Ihren unternehmensspezifischen Anforderungen berücksichtigt. Unser Financial Engineering Team ist Teil der Energy Trading & Markets Group von Deloitte. Die Energy Trading & Markets Group bietet funktionsübergreifende Lösungen, basierend auf unserer selbstentwickelten Valuation Engine, um Sie bei der Energiewende und der Transformation zu einem nachhaltigen Geschäftsbetrieb zu unterstützen.
David Schindler
Senior Manager I Financial Industry Risk & Regulatory
dschindler@deloitte.de
+49 211 87724906