Automobilzulieferer – eine deutsche Traditionsbranche, die unter akutem Transformationsdruck steht. Das ist natürlich schon länger der Fall. Doch im Jahr 2020 hat die Disruption durch die Pandemie die bestehenden Trends noch beschleunigt. Der wichtigste ist dabei natürlich der allmähliche Abschied vom Verbrennungsmotor (ICE, Internal Combustion Engine) und von den damit zusammenhängenden Komponenten für den Antriebsstrang. Diese machen etwa ein Drittel der Materialkosten eines üblichen ICE-Volumenmodells aus. Daher wird es aktuellen Hochrechnungen zufolge für bis zu 40 Prozent der ICE-Zulieferer nötig, zügig mit einer Transformation zu starten. Denn es geht dabei um die Sicherung ihrer Existenz.
Die Transformation ist umso dringender, als branchenspezifische Trends im Bereich der Finanzierung den Druck noch erhöhen. Eine große Zahl von Krediten mit Fälligkeit in den kommenden Jahren wird demnächst refinanziert werden müssen – und das in einem Umfeld, in dem Investoren im Zuge der Ausrichtung hin zu Sustainable Finance immer stärker auf eine Dekarbonisierung ihrer Portfolios bedacht sind.
Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs ist nur einer von mehreren Trends, die schon vor COVID-19 die Branche zum Umdenken zwangen. Zu den weiteren Faktoren gehört die Digitalisierung, „Connected Car“, autonomes Fahren und Carsharing . Dazu kommen durch die Pandemie nun zusätzlich noch Störungen der Lieferketten, Produktionsstopps und Verwerfungen der Gesamtwirtschaft, die einen Rückgang der Automobil-Absatzzahlen zur Folge haben. Dies wiederum führt zu einer erhöhten Verschuldungsquote in der Automobilindustrie insgesamt. Sowohl OEMs als auch Zulieferer sehen sich nun genötigt, ihre Cash Conversion zu optimieren, während sie zugleich in neue Geschäftsmodelle investieren. Operative Verbesserungen sind unerlässlich, ebenso wie eine Überprüfung der Rentabilität von Produktionsstätten. Doch das wird möglicherweise nicht ausreichen, um die Bilanzen in dieser kapitalintensiven Branche zu verbessern. Viele Unternehmen werden deshalb Divestments oder auch Merger ins Auge fassen müssen.
Die Zulieferer haben mehrere strategische Möglichkeiten zur Bewältigung der Herausforderungen. Folgende Hauptoptionen existieren derzeit:
1a – „Separate and divest”: Die Abspaltung von Unternehmensteilen wird sich zu einer besonders wichtigen Strategie entwickeln. Manche ICE-Bereiche weisen eine noch immer attraktive Profitabilität auf. Börsennotierte Unternehmen können auch Spin-Offs an ihre eigenen Aktionäre erwägen.
1b – „Separate and restructure with external partner“: Eine Transaktion mit einem „Special Situations” Private Equity Fund bietet eine interessante Option für Restrukturierungen. Auch wenn solche Maßnahmen in der weiteren Öffentlichkeit teilweise kritischen gesehen werden, sind sie manchmal doch die einzige Alternative zu einer Schließung.
2a – "Harvest": Auch in rückläufigen Märkten ist die Stabilität der Wertschöpfungsketten ein äußerst wichtiges Thema. Das Verfolgen einer "Harvesting"-Strategie gibt Lieferanten mit einer starken Marktposition die Möglichkeit, die Kapitalerträge aus bestimmten Produkten zu maximieren, indem sie die Investitionsausgaben begrenzen und die Produktion so lange wie möglich so effizient wie möglich betreiben.
2b – „Consolidate“: Für ein Unternehmen in einem schrumpfenden Markt kann ein Merger mit einem Wettbewerber einen attraktiven Weg zu Kosteneinsparungen darstellen. Außerdem wächst so der Marktanteil, und daraus ergeben sich wertvolle Vorteile bei der Preisfindung („Last Man Standing”-Strategie).
3 – „Adapt“: Eine Chance bietet sich auch durch die weitere Entwicklung von Produkten oder Kapazitäten im ICE-Segment, etwa im Bereich Aftermarket. Viele Gelegenheiten sind hier aber nicht mehr vorhanden, und radikale Innovation ist vonnöten.
4 – „Acquire“: Der organische Aufbau eines neuen Marktsegments kann schwierig sein und viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Alternative besteht darin, ein Unternehmen zu erwerben und bestehende Produktionskapazitäten für ein rückläufiges Produkt in dieses neue Marktsegment zu verlagern.
5 – „Close down“: Eine Schließung ist meist finanziell unattraktiv, kann jedoch immerhin ohne externen Partner umgesetzt werden. Eine Schließung kann auch aufgeschoben werden, indem der Status quo beibehalten wird. Dies wird aber über kurz oder lang zu einem langsamen Niedergang des Geschäfts führen, wenn das Unternehmen nur noch mit erheblichem finanziellen Aufwand betrieben werden kann.
Die Umsetzung der genannten Strategien erfordert verschiedene Vorbereitungsschritte. Viele davon sind existentiell wichtig und dringend. Der erste entscheidende Aspekt betrifft die Mitarbeiter. Mitarbeitervertretung spielt in vielen europäischen Ländern eine wachsende Rolle. Die jeweils gewählte HR-Lösung ist daher ein Kernbestandteil einer jeden Entscheidung über Maßnahmen. Wichtig sind eine frühe Auseinandersetzung mit Gremien, eine transparente Kommunikation und die Beachtung der Interessen der Arbeitnehmer. Noch eine weitere Stakeholder-Gruppe sollte beachtet werden: Banken und Finanzpartner. Die zunehmende Verbreitung von Konsortialkrediten in der Branche erfordert es, Strategien mit allen Beteiligten zu diskutieren. Außerdem passen manche Unternehmen auch ihre Organisation und ihr Finanz-Reporting an. Gewachsene monolithische Strukturen müssen vermehrt einer neuen Strukturierung entsprechend der geschäftlichen Substanz weichen, z.B. als Vorbereitung eines Carve-Outs. Auch steuerliche Folgen und Auswirkungen auf die Lieferketten der OEMs müssen berücksichtigt werden.
Die Automobilzuliefer-Branche hat schon mehrere Wellen der Konsolidierung durchlaufen. Besonders hoch ist das Interesse an „heißen“ Wachstumskategorien, wie etwa Automotive Electronics oder ADAS-Produkten. Auch Merger unter Wettbewerbern werden angesichts der geringen Zahl von Optionen zunehmen. Die wichtigen Kriterien sind dabei Geographie, Kundenzusammensetzung und Technologie des ausgewählten Unternehmens. Es empfiehlt sich, schon in der ersten Welle Aktivitäten zu starten, da sich in der zweiten und dritten Welle immer weniger attraktive Gelegenheiten ergeben. Typische Investoren im Konsolidierungsbereich sind Zulieferer („Last Man Standing“-Strategie), Private Equity Funds („Roll-up“-Strategie) und neue Marktteilnehmer mit Value-Schwerpunkt („Value play”-Strategie).
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