Die Medienberichterstattung spiegelt wider, wie sehr das Thema Nachhaltigkeit die öffentliche Debatte beherrscht: von Berichten über Klimaaktivisten, die sich an Strassen kleben, bis hin zu Berichten über Rekordtemperaturen und der Berichterstattung über die Schweizer Solarexpress-Initiative, die den saisonalen Anstieg des Energiebedarfs mit neuen alpinen Solarkraftwerken decken will. Nachhaltigkeit ist in den Medien so präsent, weil es ein Thema ist, das alle gesellschaftlichen Gruppen betrifft.
Viele verschiedene Interessengruppen tragen dazu bei, das Land nachhaltiger zu machen: Verbraucher durch ihren Lebensstil und ihre Kaufgewohnheiten, Unternehmen durch ihre Geschäftsaktivitäten, politische Entscheidungsträger durch ihre Massnahmen, die Medien durch ihre Berichterstattung und gemeinnützige Organisationen und Nichtregierungsorganisationen (NPOs und NGOs) durch ihre Kampagnenaktivitäten. Aber welche dieser Gruppen trägt die grösste Verantwortung dafür, die Schweiz nachhaltiger zu machen? Und welche spezifischen Massnahmen sind am besten geeignet und am effektivsten? Um die öffentliche Meinung in diesen Bereichen zu erkunden, hat Deloitte Schweiz eine repräsentative Online-Umfrage unter 1.900 in der Schweiz lebenden Personen durchgeführt.
Auf die Frage, wer am meisten tun sollte, um die Schweiz nachhaltiger zu machen, nannten die meisten Umfrageteilnehmer Unternehmen, politische Entscheidungsträger und Verbraucher (siehe Grafik 1). Zwei Drittel (66%) sehen die Hauptverantwortung bei den Unternehmen, dicht gefolgt von den politischen Entscheidungsträgern (61%) und, mit etwas Abstand, den Verbrauchern (53% der Befragten). Etwa ein Viertel der Befragten nannte die Medien (28%) und NPOs/NGOs (25%).
Diese Ergebnisse sind über Variablen wie Alter, Geschlecht und Region hinweg weitgehend konsistent. Der Ausreisser ist die französischsprachige Schweiz, wo überdurchschnittliche 72 Prozent der Menschen glauben, dass Unternehmen und Politiker am meisten tun sollten. Dies deutet darauf hin, dass die französischsprachigen Kantone mehr von diesen Akteuren erwarten als die
Die als die zentrale Anspruchsgruppe genannten Unternehmen können diverse Massnahmen ergreifen, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen (siehe Abbildung 2). Die Mehrheit der Befragten ist der Meinung, Firmen sollten nachhaltigere Materialien und Rohstoffe verwenden (57%), ihren CO2-Ausstoss reduzieren (51%) und nachhaltigere Produkte oder Dienstleistungen entwickeln (51%). Ausserdem wird von Unternehmen gefordert, sicherzustellen, dass Lieferanten und Geschäftspartner die für sie relevanten Nachhaltigkeitskriterien einhalten (48%), und effizienter bei der Energienutzung zu werden (47%).
Diese Ergebnisse zeigen, dass in der Bevölkerung keine eindeutige Klarheit herrscht, welche Massnahme bei den Nachhaltigkeitsbestrebungen von Unternehmen Priorität hat. Die Befragten fordern die Firmen zwar zum Handeln auf (siehe Abbildung 1), jedoch ohne klaren Fokus. Vielmehr lässt sich aus den Resultaten ein von der Bevölkerung präferiertes Bündel an Massnahmen ableiten, das Unternehmen Ansatzpunkte bietet, um die eigene Nachhaltigkeitsperformanz zu verbessern.
Als in Sachen Nachhaltigkeit am zweithäufigsten genannter Akteur steht dem Staat ebenfalls eine Reihe an möglichen Massnahmen zur Verfügung (siehe Abbildung 3). Hier ergibt sich ein klares Bild: einzig Subventionen für nachhaltiges Handeln – wie zum Beispiel der Steuerabzug für das Pendeln mit dem Velo – werden von einer Mehrheit der Befragten (53%) unterstützt. Diese Massnahme erhält insbesondere in der Romandie hohen Zuspruch (63%).
Ferner spricht sich insgesamt betrachtet etwas weniger als die Hälfte dafür aus, dass Forschung und Entwicklung im Bereich Nachhaltigkeit zu fördern sind (46%) oder der Staat zusätzlich in die Bildung und Sensibilisierung für Nachhaltigkeitsfragen investieren sollte (42%). Weitaus weniger Zustimmung erhalten zusätzliche Regulierungen zur Nachhaltigkeit (29%) – zum Beispiel in Form strengerer Standards und Normen – oder die Besteuerung von weniger nachhaltig produzierten Waren und Dienstleistungen (27%). Zusammenfassend gesagt bevorzugen die Befragten staatliche Massnahmen, die positive Anreize wie Vergünstigungen für nachhaltiges Handeln betonen, gegenüber jenen, die negative Anreize wie Mehrbelastungen für weniger nachhaltiges Verhalten in den Vordergrund stellen.
Die dritte Gruppe von Akteuren, die sich laut den Befragten mehr dafür einsetzen sollte, dass die Schweiz nachhaltiger wird, sind die Konsumentinnen und Konsumenten. Sprich: die Befragten selbst. Bei ihnen zeigt sich ein noch weiter Weg zur Nachhaltigkeit. So beträgt der CO2-Fussabdruck pro Person in der Schweiz mit zirka zwölf Tonnen im Jahr etwa das Doppelte des weltweiten Durchschnitts (ca. sechs Tonnen jährlich) und rund das Zwanzigfache des von Forschern bestimmten Schwellenwerts, der der planetaren Belastbarkeitsgrenze entspricht (ca. 0,6 Tonnen jährlich).
Die vorliegenden Befragungsergebnisse zeigen, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung dieses Handlungsbedarfs durchausbewusst ist. Etwa drei von vier Befragten planen, ihr Verhalten und ihre Gewohnheiten zukünftig in mindestens einem Lebensbereich nachhaltiger als aktuell zu gestalten (siehe Abbildung 4).Jüngere Leute (18-34 Jahre: 89%) geben dies häufiger an als Ältere (65 Jahre und mehr: 59%) und Grossstädter öfter als auf dem Land Lebende (83% versus 68%).
Fragt man die Handlungsbereiten nach den konkreten Lebensbereichen, die sie nachhaltiger gestalten möchten, nennen die meisten die Ernährung (57%). Ein Beispiel hierfür wäre, weniger Fleisch zu essen. Jeweils etwa die Hälfte der Befragten plant ein nachhaltigeres Verhalten beim Konsum allgemein (51%) – durch einen geringeren Verbrauch von Waren und Dienstleistungen – oder beim Wohnen (48%) – etwa durch Einsparungen beim Energie- und Wasserverbrauch. Vergleichsweise weniger beliebt sind Nachhaltigkeitsbestrebungen bei der Mobilität (40%) – etwa durch eine verstärkte Velonutzung – und bei den Finanzen (30%) – beispielsweise durch Investitionen in Anlagen, die die sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance) berücksichtigen.
Die beschriebenen Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die drei Akteursgruppen – Unternehmen, Staat und Konsumenten – in einer Zwickmühle befinden: Einerseits stehen sie in den Augen der Bevölkerung unter Zugzwang, sich mehr dafür einzusetzen, dass die Schweiz nachhaltiger wird. Andererseits äussern die Befragten hinsichtlich der umzusetzenden Massnahmen keine Präferenzen mit überwältigenden Mehrheiten, sondern lediglich gewisse Tendenzen, wodurch der Handlungsauftrag für die drei Akteursgruppen unklar bleibt.
Für Unternehmen besteht grundsätzlich die Zwickmühle der Nachhaltigkeit darin, dass sie durch ihre Ressourcen und Innovationskapazitäten eine nachhaltige Entwicklung vorantreiben können, aber ohne entsprechende Nachfrage von Konsumenten oder staatliche Vorschriften riskieren, ihre Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität aufs Spiel zu setzen. Der Staat verfügt über die Möglichkeit, Anreize und Regulierungen für mehr Nachhaltigkeit zu erlassen, muss hierbei jedoch deren Akzeptanz durch Firmen und Bürger sowie verschiedene Zielkonflikte berücksichtigen (zum Beispiel zwischen den Ansprüchen gegenwärtiger und zukünftiger Generationen), damit die staatlichen Vorgaben tatsächlich umgesetzt werden. Letztlich befinden sich auch Konsumenten in einer Zwickmühle, da sie mit ihrem Lebensstil und Kaufverhalten eine nachhaltige Entwicklung befördern können, es jedoch nicht selten mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, das eigene Verhalten beziehungsweise die eigenen Gewohnheiten zu ändern.
Um dieses Dilemma zu lösen, muss nicht eine der drei Gruppen allein oder vor den anderen handeln. Der beste Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung besteht darin, dass alle Beteiligten gleichzeitig und koordiniert handeln. Im Gegensatz zu den Verbrauchern können Unternehmen und politische Entscheidungsträger koordiniert vorgehen. Daher ist der folgende Aktionsplan besonders für sie geeignet, obwohl er natürlich auch auf die Verbraucher angewendet werden kann.