Intelligente Supply Chains für Medikamente

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Intelligente Supply Chains für Medikamente

Wertschöpfung durch Künstliche Intelligenz

Die Sicherung der biopharmazeutischen Supply Chain ist für Unternehmen besonders wichtig, denn sie gewährleistet den Zugriff auf lebensrettende Produkte. Dieser Artikel untersucht die Gründe für die Veränderung der Supply Chain und die Rolle, die Künstliche Intelligenz (KI) beim digitalen Wandel spielen kann.

Gründe für eine Veränderung der biopharmazeutischen Supply Chain

Die biopharmazeutische Supply Chain umfasst verschiedene und komplexe Schritte. Diese sind erforderlich, um ein Medikament herzustellen. Sie reichen von der Beschaffung und Lieferung von Material über die Herstellung und den Vertrieb bis hin zur Auslieferung an den Kunden. Dies bildet einen roten Faden. Er verbindet die Entdeckung neuer Therapien mit den Patienten, die sie erhalten (Abbildung 1).

Intelligente Supply Chains für Medikamente

Abbildung 1: Die verschiedenen Etappen der biopharmazeutischen Supply Chain

Biopharma Supply Chains müssen den Erwartungen eines komplexen Spektrums von Interessengruppen gerecht werden. Hierzu zählen Regierungen, Kostenträger, Gesundheitsdienstleister, nationale und internationale Regulierungsbehörden und Patienten mit komplexen und unterschiedlichen Bedürfnissen. Es handelt sich um eine globale Supply Chain, die dafür sorgt, dass die Bevölkerung Zugang zu Produkten erhält, die Leben retten bzw. das Leben verbessern. Deshalb muss der Schutz der Integrität der Supply Chain hohe Priorität haben. Biowissenschaftliche Unternehmen haben die Chancen digitaler Technologien ausgelotet. Bei vielen stehen konsequente, nachhaltige und deutliche Schritte zur Nutzung der neuen Möglichkeiten jedoch noch aus.

Wie man die Supply Chain durch KI stärker verändern kann

Innerhalb der biopharmazeutischen Supply Chain werden riesige Datenmengen generiert, die bisher aber nur wenig genutzt wurden. Wenn diese Daten mithilfe von KI-Technologien verarbeitet werden, leistet dies einen entscheidenden Beitrag, um Entscheidungen in Echtzeit zu treffen, die operative Effizienz besser zu organisieren und letztlich eine kosteneffiziente und gut funktionierende Supply Chain zu schaffen. Wir haben fünf Bereiche identifiziert, in denen sich KI wahrscheinlich am stärksten auswirken wird.

  1. Durchgehende Transparenz
    Sichtbarkeit in der Supply Chain bedeutet, Zugang zu Daten zu haben, die sich auf jede Transaktion und jeden Nachfrageauslöser beziehen, über alle Etappen und Ebenen und die logistischen Bewegungen dazwischen hinweg. Dieses Konzept kann durch Supply Chain Kontrolltürme verwirklicht werden, die als zentralisierte Drehscheiben fungieren und Informationen aus unterschiedlichen Systemen sammeln, die zur Überwachung, Prüfung und Generierung von Erkenntnissen genutzt werden können.
  2. Nachfrageprognose, Bestandsverwaltung und Logistik
    1.   Um den Nutzen der Supply Chain zu erschliessen und Patienten schnell und zuverlässig Zugang zu ihren Therapien zu bieten, sind genaue Lagerbestände in Echtzeit erforderlich. Mithilfe moderner KI-Technologien, darunter vorausschauender Analyse, können Medikamente über die Supply Chain hinweg verfolgt werden. Dies ermöglicht es, vorausschauend und rechtzeitig einzugreifen, wenn Probleme auftauchen.
  3. Intelligente Automatisierung für die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge
    Mithilfe von Digitalisierung und intelligenter Prozessautomatisierung (IPA) können Unternehmen kosteneffiziente, zuverlässige und effektive Prozesse einführen, die über die Supply Chain hinweg abgestimmt werden. Auf Grundlage der Ergebnisse robotergesteuerter Dateneingaben kann IPA menschliche Interaktionen nachbilden und komplexe Entscheidungen treffen. Dies verringert menschliches Fehlverhalten, verbessert die Leistungskennzahlen und generiert strategische Erkenntnisse.
  4. Optimierung der vorausschauenden Instandhaltung
    Betriebsunterbrechungen aufgrund von Compliance-, Qualitäts- oder sicherheitsrelevanten Herstellungsproblemen sind eine häufige Herausforderung für Biopharmaunternehmen. Durch KI-basierte, vorausschauende Instandhaltung können diese Probleme verringert werden, weil sie Erkenntnisse zur Herstellungsleistung bietet. U. a. werden Gerätefehler und andere Probleme vorausbestimmt, um die operative Leistungsfähigkeit einschliesslich der Maschinenlaufzeit zu verbessern.
  5. Schutz der Integrität der Supply Chain
    Gefälschte oder minderwertige Medikamente sind ein Problem sowohl für die Branche als auch für internationale Gesundheitsorganisationen und die Gesellschaft im Allgemeinen. Für die Biopharmazie geht die Integrität der Supply Chain jedoch über gefälschte Produkte hinaus, da wichtige Produktarten eine «Identifikationskette» und eine «Überwachungskette» benötigen. Unternehmen investieren daher in Blockchain- und KI-Technologien, um die Sicherheit, Transparenz und Verfolgbarkeit zu verbessern.

Die Rolle von KI bei der Unterstützung von Supply Chain bei Reaktion, Erholung und Wachstum nach COVID-19

Die COVID-19-Pandemie wirkte sich 2020 auf die meisten Aspekte der biopharmazeutischen Supply Chain aus. Dies reicht von der Beschaffung von Rohstoffen bis zum Vertrieb der Endprodukte. Da ein Grossteil der Weltbevölkerung unter Quarantäne steht, führen Werksschliessungen und Lieferengpässe im gesamten erweiterten Versorgungsnetz zu erheblichen Störungen in der globalen Supply Chain. Deloitte geht davon aus, dass die geschäftliche Erholung in drei Phasen abläuft (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2. Steuerung des Risikos von Störungen der biohpharmazeutischen Supply Chain aufgrund von COVID-19

Unternehmen, die neben Strategien zur Geschäftskontinutität auch Strategien zur Steuerung des Supply Chain Risikos und für digitalen Wandel entwickelt und umgesetzt haben, werden besser darauf eingestellt sein, die Folgen von Störungen durch COVID-19 zu verringern. Mithilfe von KI-basierten Geschäftsprozessen können biopharmazeutische Unternehmen angesichts aktueller und zukünftiger Störungen wirksamer reagieren, sich besser erholen und sich positiv entwickeln.

Fahrplan für die Einführung einer intelligenten Supply Chain

KI wird die Betriebsmodelle der Branche in den kommenden Jahren verändern. Eine vollständige Digitalisierung erfordert jedoch Zeit und strategisches Denken und beinhaltet einen grundlegenden Wandel von einer linearen Supply Chain zu einem dynamischen, ineinandergreifenden und offenen, KI-basierten digitalen Versorgungsnetz (DSN) (Abbildung 3). Mit einem Leitplan für KI-Technologien kann man die Entwicklung des digitalen Wandels in der Biopharmazie unterstützen (Abbildung 4).

Abbildung 3: Die Entwicklung hin zu einem digitalen Versorgungsnetz: nicht mehr linear, sondern vernetzt denken

Figure 4: Mit einem Leitplan für KI-Technologien kann man die Entwicklung des digitalen Wandels in der Biopharmazie unterstützen

Klein beginnen, schnell ausweiten, gross denken
Biopharmazeutische Unternehmen müssen Pilotprojekte identifizieren und priorisieren, um schnell Erfolge zu erzielen, Vertrauen aufzubauen und Zustimmung zu erhalten. Wenn sich die Umsetzung bewährt hat, können Unternehmen das Projekt auf die gesamte Supply Chain ausweiten.

Interne Antriebsfaktoren für Kosten und Nutzen identifizieren
Mithilfe digitaler Versorgungsnetze können biopharmazeutische Unternehmen den Nutzen verbessern und die Kosten senken sowie effizienter arbeiten und ihre Kapazitäten entlang der Geschäftsprozesse Planung – Beschaffung – Herstellung – Lieferung besser einsetzen. Wenn Unternehmen die Kostentreiber der Supply Chain ihrer jeweiligen Funktionsbereiche gut kennen, können sie besser entscheiden, welche Pilotprojekte für KI-Technologie priorisiert werden sollten.

Erstellen Sie einen Plan ihrer Datenarchitektur
Intelligente und optimierte Datensteuerung ist unverzichtbar. Unzureichende IT-Infrastruktur und fehlende Kompatibilitätsstandards sind zurzeit bedeutende Hindernisse für die Einführung digitaler Versorgungsnetze in der Biopharmazie. Wenn man diese Hürden mithilfe von KI-Technologien überwindet, kann dies den Grad der Vernetzung erhöhen, für Erkenntnisgewinn sorgen und zugleich den Datenschutz gewährleisten.

Zusammenarbeit und von anderen Branchen lernen
Experten für digitale Technologie aus anderen Branchen haben in den vergangenen Jahren gemeinschaftlich verschiedene KI-Lösungen für die biopharmazeutische Herstellung entwickelt. Die Biopharmazie kann auch von anderen Branchen lernen, indem sie sich deren Know-how zu eigen macht und deren Innovationsmodelle übernimmt.

Erwerben Sie geeignete Fähigkeiten und bauen Sie Talent auf
Die Einführung digitaler Versorgungsnetze macht es erforderlich, Funktionen und Aufgaben zu ändern. Hierzu zählt auch, bei der Einstellung von Personal auf mehr Vielfalt zu achten. Mit fortschreitender Entwicklung der Technologien und Ressourcen müssen Mitarbeiter den Erwerb neuer Fertigkeiten mit der Anwendung ihrer derzeitigen Fähigkeiten in Einklang bringen. Für Hersteller von Medikamenten bedeutet der Schritt hin zu einer durchgehend digitalen Supply Chain, dass sie vorrangig Experten einstellen müssen, vor allem für KI-Design-Denken.

Entwickeln Sie einen gewinnorientierten Ansatz für die Branche und die Regulierungsbehörden
Das regulatorische Umfeld wird immer komplexer. Verstösse können das Ansehen eines Unternehmens beeinträchtigen und bedeutende rechtliche und finanzielle Folgen haben. Viele Biopharmaunternehmen beginnen, ihre eigenen regulatorischen Funktionen als strategischen Vermögenswert zu sehen und rationalisieren klinische, qualitative und regulatorische Prozesse, um funktionale Silos zu eliminieren und die Compliance zu verbessern.

Die Zukunft KI-basierter Supply Chains

Der biowissenschaftliche Sektor ist reif für den Einsatz von KI, um seine grossen Datensätze wirksam zu nutzen und umsetzbare Erkenntnisse zu generieren. Zudem müssen biopharmazeutische Unternehmen moderne digitale Lösungen einbeziehen, um den zukünftigen Bedarf des Marktes nach präziseren und individuell angepassten Therapeutika zu erfüllen. Dieser Wechsel von einer traditionellen, linearen Supply Chain hin zu einem KI-basierten, ineinandergreifenden digitalen Versorgungsnetz zusammen mit vollständig kompatiblen Daten wird unserer Ansicht nach dazu führen, dass Unternehmen erfolgreicher sind. Darüber hinaus erwarten wir, dass sich der digitale Wandel der Supply Chain im Zuge der COVID-19-Pandemie in beispiellosem Tempo und Ausmass beschleunigen wird.

 

Autoren

Dr Francesca Properzi (PhD)

Maria João Cruz

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