Der Ausbau von Rechenzentrumskapazitäten ist von strategischer Bedeutung für die Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Bei der derzeitigen Ausbaugeschwindigkeit droht jedoch eine Kapazitätslücke von rund 50 Prozent des zusätzlichen Bedarfs bis 2030 – mit dem Risiko, dass Deutschland als KI-Nation im internationalen Vergleich abgehängt wird. Staatliches Handeln ist deshalb notwendig, um die erheblichen Kapitalbedarfe zu mobilisieren, Finanzierungsrisiken für Investoren zu reduzieren und eine rechtzeitige Anbindung und Integration der Rechenzentren in das Stromnetz sicherzustellen. Die aktuelle Deloitte KI-Infrastruktur Studie beleuchtet die zentralen Handlungsfelder.
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Megatrend des 21. Jahrhunderts und markiert den Beginn einer neuen industriellen Revolution.1 Schon jetzt verändert KI unser soziales Miteinander, die Weltwirtschaft und die Arbeitswelt grundlegend. Und sie birgt großes Potenzial zur Steigerung der Produktivität, besonders im Dienstleistungssektor und in Bereichen wie Gesundheitswesen, Transport und Energie. Die nationale Souveränität ist dabei entscheidend vom inländischen KI-Ökosystem abhängig, mit wichtigen Implikationen auf die Energieversorgung, Cybersicherheit und Verteidigung– drängende Themen in der heutigen fragmentierten geopolitischen Landschaft.
Rechenkapazitäten und das KI-Ökosystem
Das zentrale Element eines erfolgreichen KI-Ökosystems ist die Verfügbarkeit von Rechenleistung, die durch Rechenzentren bereitgestellt wird. Investitionen in diese Zentren fördern nicht nur die wirtschaftliche Aktivität und schaffen kurzfristig Arbeitsplätze, sondern sind auch langfristig entscheidend für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die nationale Wertschöpfung. Nach zwei Jahren wirtschaftlicher Stagnation sollte der Ausbau der Rechenkapazitäten durch heimische Rechenzentren zur Priorität werden, um Deutschlands wirtschaftliche Aktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Doch es stellt sich die Frage, ob Deutschland ausreichend in die Rechenzentrumsinfrastruktur investiert, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.2
Unsere Berechnungen zeigen eine drohende Kapazitätslücke
Unsere detaillierte volkswirtschaftliche Modellierung zeigt, dass der Bedarf an KI-Rechenzentrumsleistung sich in Deutschland in den nächsten 5 Jahren von 1,6 GW auf 4,8 GW verdreifachen könnte. Aktuelle Kennzahlen, wie die Leerstandsraten von Rechenzentren in Deutschland, deuten jedoch bereits heute auf fehlende Kapazität hin.3 Die Engpässe zwischen Angebot und Nachfrage könnten sich bis zum Ende des Jahrzehnts weiter verschärfen. Die derzeitigen Ausbaupläne für KI-Rechenzentren reichen bei Weitem nicht aus, um den erwarteten Bedarf zu decken – eine Kapazitätslücke von rund 50 Prozent des zusätzlichen Bedarfs droht. Damit Deutschland als KI-Nation im internationalen Vergleich nicht den Anschluss verliert, sind erhebliche Investitionen notwendig. Bis 2030 wird der Investitionsbedarf auf bis zu 60 Mrd. Euro geschätzt.
Wo steht Deutschland derzeit im weltweiten KI-Infrastruktur Vergleich?
Deutschlands Marktanteil im globalen Wettbewerb ist bereits rückläufig. Im Jahr 2015 hielt Deutschland etwa 3,5 Prozent der weltweiten Rechenzentrumskapazität, doch bis 2024 sank dieser Anteil auf unter 2,5 Prozent.4 Der Vergleich der Investitionen in Künstliche Intelligenz spiegelt diesen Abwärtstrend wider: So liegt Deutschland bei den privaten Investitionen nicht nur deutlich hinter den USA und China, sondern auch hinter mehreren europäischen Ländern wie Großbritannien, Schweden und Frankreich.5 Diese Zahlen und Entwicklungen unterstreichen, dass Deutschland ohne entschlossene öffentliche Maßnahmen zur Beseitigung von Investitionshindernissen Gefahr läuft, im weltweiten Wettlauf um KI ins Hintertreffen zu geraten.
Die zentralen Hemmnisse bei Ausbau der Rechenleistung
Der Ausbau von Rechenzentren ist von verschiedenen Herausforderungen geprägt: Zum einen müssen für deren Bau sehr hohe Kapitalanforderungen mobilisiert und die damit verbundenen Finanzierungsrisiken für Investoren verringert werden. Zum anderen gibt es derzeit erhebliche Verzögerungen beim Zugang zum Stromnetz in Gebieten mit einer hohen Konzentration von Rechenzentren, wobei Wartezeiten für Netzanschlüsse bis zu sieben Jahre betragen können.6 Die regulatorischen Rahmenbedingungen erhöhen zudem die Anforderungen an die Akteure des Sektors.7 Und auch wenn der hohe Wasserbedarf durch Kühlung bisher keine wesentliche Einschränkung darstellt, sollte dieser Aspekt bereits bei der Planung der Standorte und der Kühlsysteme (z.B. Nutzung von Flüssigkeitskühlung) berücksichtigt werden, um zukünftigen Nutzungskonflikten um Wasser und Einschränkungen von Rechenzentren vorzubeugen.8
Wie lässt sich der Ausbau von Rechenzentren erfolgreich vorantreiben?
Um den Ausbau von Rechenzentren zu beschleunigen und weitervoranzutreiben sind finanzielle, regulatorische und energiepolitische Maßnahmen notwendig, bei denen staatliches Handeln gefragt ist. Die Finanzierung von KI-Rechenzentren spielt dabei eine wichtige Rolle. Der Staat muss die Herausforderungen meistern, die Projektrisiken zu reduzieren und Finanzierungslücken zu schließen, und zugleich nationale Champions einer souveränen KI-Infrastruktur zu unterstützen, die oft nicht über genügend Kapital verfügen. Es wird entscheidend sein, durch geeignete Kapitalmarktinstrumente Kapitalflüsse aus privaten Investoren zu mobilisieren.
Public-Private-Partnerships sind dabei von großer Bedeutung, da sie die Stärken und Ressourcen beider Sektoren verbinden, um Veränderungen mit hohem Finanzbedarf, wie bei den Rechenzentren, zu ermöglichen und Risiken effizient zu verteilen. Eine weitere Maßnahme könnte sein, dass der Staat als Ankerkunde und Abnehmer von Rechenkapazität für die eigene Nutzung – etwa für Verwaltung, Forschung oder Verteidigungszwecke – fungiert und einen sicheren Absatz schafft.
Mit den aktuellen Verzögerungen beim Netzanschluss wird Deutschland den Bedarf an Rechenleistung nicht rechtzeitig decken können. Transparenz für Rechenzentrumsbetreiber bei der Planung ihrer Standorte, insbesondere hinsichtlich der Netzanschlusskapazitäten, ist hier entscheidend. Es braucht eine Energiepolitik, die den Bau von Rechenzentren „stromsystemfreundlich“ ermöglicht. Das bedeutet, dass diese dort errichtet werden sollten, wo erneuerbare Energien verfügbar sind, Netzanschlüsse gewährleistet werden können und Abwärme genutzt werden kann.
Im globalen Wettbewerb um Rechenzentren muss Deutschland entscheiden, wie aktiv es sich positionieren möchte und sich dazu bereit erklären, in diese Infrastruktur zu investieren. Durch entschlossene Maßnahmen könnte Deutschland seine Rechenkapazität innerhalb von fünf Jahren verdreifachen. Für die Bundesregierung ist es an der Zeit, jetzt zu handeln, um die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele umzusetzen, die Stärken des Landes auszuschöpfen, Investitionen zu fördern und eine Führungsrolle in Europas digitaler Zukunft zu übernehmen.
Laden Sie hier die vollständige Deloitte KI-Infrastruktur Studie herunter und erfahren Sie mehr.