Hallo, ich bin Bianca und Director im Bereich Turnaround & Restructuring innerhalb von Financial Advisory.
In meinem Blog erzähle ich euch von meinem Karriereweg und möchte vor allem Frauen darin bestärken, mutiger zu sein und in sich selbst zu vertrauen.
Finanzbranche, Schifffahrt, Unternehmensberatung – die Themen, die sich durch deine Karriere ziehen, sind in der Regel eher männlich dominiert. Welche Erfahrungen hast du als Frau hier gemacht und wie hast du es geschafft, von Anfang an zu sagen: "Ich kann was, und das zeige ich euch"?
Es stimmt zwar, dass diese Branchen eher männerdominiert sind – klassische Männer- und Frauenberufe gibt es für mich aber nicht. Vielmehr kommt es auf Kompetenz, Zuverlässigkeit und Respekt an. Glücklicherweise wurde mir in meiner bisherigen Laufbahn (fast) nie das typische Rollendenken entgegengebracht. Im Gegenteil: Sowohl bei Deloitte als auch auf Mandantenseite werden gemischte Teams geschätzt. Und das ist gut so, denn schließlich hat jedes Teammitglied unterschiedliche Arbeits- und Verhaltensweisen. Frauen sind beispielsweise, meiner Meinung nach, tendenziell einfühlsamer und hören aktiver zu.
In meinem Bereich der Restrukturierungsberatung gibt es oft Situationen, in denen Unternehmen in existenzbedrohende Krisen geraten sind – für die Geschäftsführung meist eine völlig unbekannte Situation. Dann ist es notwendig, sie und die Mitarbeitenden an die Hand zu nehmen und gemeinsam aus der Krise zu führen. Dabei kommt es nicht nur auf Zahlen an, sondern auch darauf, die emotionale Lage und die Bedürfnisse der handelnden Personen auf der Unternehmensseite zu erkennen. Insbesondere in der Schifffahrt, die vielleicht vom Klischee her am ehesten eine Männerdomäne sein mag, habe ich fast nur positive Erfahrungen in meiner Position als weibliche Führungskraft und direkte Ansprechpartnerin für die Geschäftsführung gemacht!
Lediglich einmal gab es eine kritische Situation: Bei einem Projekt in einem traditionelleren Kulturkreis im Ausland traf ich auf Mandantenseite auf einen sehr in klassischen Rollenmustern denkenden Mitarbeiter, der zwar die Finanzabteilung verantwortete, aber keinerlei Erfahrung mit integrierten Businessplanungen hatte. Mein Vorgehen war es, den Business Plan mit ihm „gemeinsam“ zu erstellen. Der Mitarbeiter konnte damit vor der Geschäftsführung glänzen – und so war das Eis gebrochen. Anstelle einer Konfrontation war es der bessere Weg, ruhig zu bleiben und abzuwarten, bis ich meine Kompetenz unter Beweis stellen und damit seine Vorurteile durchbrechen konnte. Es ist wichtig, sich von lauten Menschen nicht einschüchtern zu lassen. Denn es wird ganz sicher immer der Punkt kommen, an dem der Kunde und das Team merken, wer wirklich kompetent ist. Darauf vertraue ich fest – auch durch die konstruktive und offene Unternehmenskultur bei Deloitte, die meine Selbsteinschätzung permanent bestärkt.
Seid mutiger und vertraut in euch selbst!
Welche Tipps kannst du anderen Frauen, vor allem jungen Berufseinsteigerinnen, geben, die du selbst gerne am Anfang deiner Karriere bekommen hättest?
Seid mutiger, aber dennoch gelassen und – wie gesagt – vertraut in euch selbst! Nach meinem Eindruck scheuen insbesondere Frauen vor einer Bewerbung zurück, wenn sie das Anforderungsprofil nicht zu 100 Prozent erfüllen. Die vollständige Erfüllung wäre ja fast schon eine „eierlegende Wollmilchsau“ und nicht alle Kriterien haben dieselbe Wertigkeit. Natürlich braucht es fachliche Kenntnisse, aber bei allem anderen gibt es viel Spielraum und letztlich zählt – jedenfalls bei uns bei Deloitte – der Mensch.
Wir stellen Berufseinsteiger:innen eine:n Mentor:in an die Seite, der oder die nicht nur beim organisatorischen und fachlichen Onboarding hilft, sondern auch bei persönlichen Themen ein offenes Ohr hat. Ansonsten leben wir eine sehr flache Hierarchie und geben unseren jungen Kolleg:innen in den ersten fünf Minuten direkt mit, dass unsere Türen für alle Themen und Anliegen immer offenstehen – und noch wichtiger: Wir leben das auch! Dabei achten wir (bewusst) nicht auf eine gleichgeschlechtliche Zuordnung. Ich kann mir aber vorstellen, dass Frauen, die tendenziell zurückhaltender sind, einige Themen eventuell lieber mit einer Kollegin als mit einem Kollegen besprechen möchten. Mein Rat: Traut euch! Geht einfach auf die Kolleginnen in eurem Umfeld zu. Aus dieser Initiative heraus lassen sich auch sehr gut interne Netzwerke formen, die sehr wichtig sind.
Ein weiterer Tipp – unabhängig vom Geschlecht: Es wird immer Situationen, ob beim Mandanten, im Team oder auch im privaten Umfeld, geben, die euch innerlich aufwühlen. Dabei hilft mir ein ganz einfaches Mittel: Ich habe immer ein persönliches Foto dabei, das mich – sobald ich nur daran denke – direkt in die Umgebung, in der das Bild entstanden ist, zurückbringt. Ich werde (innerlich) sofort ruhig und gelassen.
Du machst erfolgreich vor, wie Frauen es in nach wie vor eher männlichen Branchen ganz nach oben schaffen und bist damit Role Model für viele andere. Trotzdem: Gibt es immer noch Dinge, die sich ändern müssen? Welche sind das, was wünscht du dir? Und was können Arbeitgebende und Mitarbeitende ganz konkret dafür tun?
Es ist richtig, dass der Frauenanteil statistisch gesehen mit steigendem Karrierelevel sinkt. Nach meiner Beobachtung ist es häufig immer noch so, dass, wenn irgendwann die Frage nach Kindern aufkommt, die Frauen eher diejenigen sind, die für die Kinderbetreuung im Beruf kürzertreten oder sich zu einer Tätigkeit umorientieren, die aus ihrer Sicht eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. Hier hat sich in den vergangenen Jahren aber einiges getan. Die Möglichkeiten zum hybriden Arbeiten sowie flexible Arbeitszeitmodelle haben zugenommen und wirken sich positiv auf die Vereinbarkeit aus. Allerdings sind die Berufsbilder in der Unternehmensberatung sehr unterschiedlich, teilweise ist eine Reisetätigkeit einfach notwendig. Wir bei Deloitte sind sehr flexibel und versuchen, die privaten, familiären Herausforderungen unserer Kolleg:innen bei der Besetzung der Projekte bestmöglich zu balancieren und zu berücksichtigen.
Was sich allerdings insgesamt verbessern muss, sind die Rahmenbedingungen – und damit meine ich nicht die Einführung einer Frauenquote, sondern vielmehr Themen wie Kinderbetreuung oder gesellschaftliche Akzeptanz. In anderen europäischen Ländern gibt es funktionierende Ganztagesbetreuungen sowie nicht nur rechtlichen Anspruch auf Betreuung, sondern auch eine tatsächliche Umsetzbarkeit dieses Rechts. Damit lassen sich viele Jobprofile, beispielsweise mit Schichtdiensten, deutlich besser vereinbaren. Dies bedeutet aber auch, dass man den Beruf der Erzieher:innen signifikant attraktiver gestalten muss. Da gibt es auf jeden Fall noch einiges zu tun!
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