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„Der erste Schritt ist immer die Data Readiness. Unternehmen müssen ihre Daten in strukturierter Form ablegen – erst dann können sie für KI verwendet werden und erst dann ist Skalierung möglich.“

Elisabeth ist Partnerin im Bereich AI & Data bei Deloitte. Zuvor war sie Co-Founderin und CCO des AI-Startups Oxolo. Sie gilt als eine der führenden Expert:innen für Künstliche Intelligenz in Deutschland. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet – unter anderem vom Manager-Magazin als eine der „Top 15 Women in AI“ sowie mit dem Innovation Award der FAZ.

Hallo, ich bin Elisabeth und Technik hat mich schon immer begeistert – von meinen ersten gelöteten Schaltkreisen als Kind bis hin zu meiner heutigen Arbeit im Bereich künstliche Intelligenz. Mein beruflicher Weg führte mich von Stationen in Recht und Finanzen zu meiner Leidenschaft für Technologie. Heute bin ich Partnerin bei Deloitte im Bereich AI & Data. Im Interview erzähle ich euch, wie ich meinen Weg in die Tech-Branche gefunden habe, welche Herausforderungen Unternehmen bei der Implementierung von KI-Lösungen meistern müssen und warum Datencenter für die Zukunft der KI so wichtig sind. 

Hallo Elisabeth! Dein Hintergrund liegt eigentlich in den Bereichen Recht und Finanzen. Wie bist du letztlich in die Tech-Branche gekommen? Was hat dich dahingezogen?
Ich habe als Kind immer sehr gerne gebastelt. Und basteln bedeutete in diesem Kontext: Ich habe sehr gerne gelötet und Schaltkreise zusammengefügt. Zum Beispiel habe ich das Interieur meiner Puppenhäuser ausgestattet. Ich habe sie mit Licht versorgt, überall Wasserrohre verlegt und Pumpen installiert. Während andere die Bravo gelesen haben, habe ich Webseiten programmiert. Das Interesse an Technik war also schon früh da. Trotzdem habe ich erstmal Jura studiert – und meine Masterarbeit über algorithmisches Trading geschrieben. Mich hat fasziniert, wie kleine Technologien große Märkte beeinflussen können.

Seit 2011 beschäftige ich mich intensiv mit Tech-Themen, besonders mit künstlicher Intelligenz. Die letzten Jahre waren besonders spannend – von der Gründung meines Start-ups Oxolo bis hin zu den Entwicklungen rund um ChatGPT.

Wie sah dann dein Weg zu Deloitte aus?
Nach meinem Studium habe ich 2014 meine erste kleine Firma aufgebaut – einen Online-Shop für Möbel. Ich hatte ein Offline-Ladengeschäft, aber meine Freude lag mehr am Online-Shop, den ich selbst aufgebaut und betrieben habe. Mit der Zeit wurde es immer schwieriger, mit den großen Playern am Markt mitzuhalten – also bin ich weitergezogen und habe in verschiedenen Tech-Unternehmen gearbeitet, unter anderem als CFO. In dieser Zeit habe ich viel über Finanzen, Geschäftsmodelle und Fundraising gelernt. Schließlich habe ich mein eigenes Deep-Tech-Start-up gegründet, Oxolo. Der Kontakt zu Deloitte entstand, weil sie einer unserer größten Kunden waren. Als sich durch den AI-Act neue Herausforderungen ergaben, habe ich mich entschieden, zu Deloitte zu wechseln. Hier habe ich die Möglichkeit, an großen Projekten zu arbeiten und einen echten Impact zu erzielen.

Spannender Weg bis hierher! Mit welchen Themen beschäftigst du dich aktuell?
Momentan liegt mein Fokus auf Datencentern. Sie sind essenziell für die Wertschöpfung in der KI, vor allem in Europa. Ohne eigene Modelle oder Infrastruktur wird es schwierig, in diesem Bereich wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Datencenter sind auch wichtig, um den Anforderungen der DSGVO gerecht zu werden und souveräne Clouds zu ermöglichen. Es ist spannend, wie sich dieser Bereich entwickelt.

Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, wenn sie KI-Lösungen implementieren?
Viele Unternehmen wissen nicht, wo sie anfangen sollen. Ein End-to-End-Konzept fehlt oft. Es geht darum, die richtigen Daten zu strukturieren, die passende Software und Hardware auszuwählen und gleichzeitig einen kulturellen Wandel im Unternehmen zu fördern. KI ist keine Aufgabe für eine einzelne Abteilung – sie muss in alle Bereiche integriert werden. Das ist eine große Transformation, ähnlich wie bei der Digitalisierung.

„Der erste Schritt ist immer die Data Readiness. Unternehmen müssen ihre Daten in strukturierter Form ablegen – erst dann können sie für KI verwendet werden und erst dann ist Skalierung möglich.“

Was wäre aus deiner Sicht der erste Schritt für Unternehmen? Und wie können sie sicherstellen, dass ihre KI-Anwendungen skalierbar sind?
Der erste Schritt ist ganz klar die sogenannte Data Readiness. Unternehmen müssen ihre Daten in strukturierter Form ablegen, idealerweise in maschinenlesbaren Formaten. Momentan sieht man häufig, dass wichtige Informationen noch physisch in Aktenordnern im Keller schlummern. Diese müssen eingescannt und in moderne Datenbanken überführt werden. Ohne eine solide Datenbasis ist es unmöglich, KI-Anwendungen effektiv zu nutzen oder zu skalieren.

Sobald die Daten fit gemacht sind, können Unternehmen beginnen, darauf aufzubauen. Hier kommen Agenten ins Spiel – KI-Systeme, die bestimmte Rollen übernehmen können. Zum Beispiel könnte eine Flotte von fünf Agenten für Research eingesetzt werden, gesteuert von einem Supervisor-Agent. Solche Strukturen ermöglichen es, Prozesse effizienter zu gestalten und echte Mehrwerte zu schaffen.

Für die Skalierbarkeit spielt die Cloud-Technologie eine zentrale Rolle. Unternehmen benötigen eine leistungsfähige Cloud-Infrastruktur, um ihre KI-Anwendungen flexibel und effizient zu betreiben. Die Kombination aus gut vorbereiteten Daten, intelligenten Agenten und einer robusten Cloud schafft den „Sweet Spot“, an dem KI-Lösungen skalierbar und wirtschaftlich sinnvoll werden. Aber der Schlüssel bleibt: Alles beginnt mit der Data Readiness.

Du hast die Cloud gerade schon erwähnt. Welche Trends siehst du in Bezug auf die Infrastruktur für KI, insbesondere in der Cloud?
Große Unternehmen bauen zunehmend eigene Clouds, während andere Cloud-Leistungen extern einkaufen. Beide Ansätze haben ihre Daseinsberechtigung. Für größere Unternehmen ist es oft wirtschaftlich sinnvoll, eine eigene Infrastruktur zu schaffen, während kleinere Unternehmen von externen Lösungen profitieren. Grundsätzlich sollten Unternehmen mit proprietären Daten eher ihre eigene Cloud nutzen, um sicherzustellen, dass die Daten nicht abfließen. Für bestimmte Datenarten ist eine on-premise-Lösung einfach die beste Wahl.

Was sind deiner Meinung nach die spannendsten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz?
Ich denke, eine der spannendsten Entwicklungen sind die medizinischen Anwendungen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie präzise KI-Modelle in der Prognostik arbeiten. Einige Modelle erreichen eine Genauigkeit von 94 Prozent, während juniorige Ärzt:innen oft nur bei etwa 60 Prozent liegen. Diese Differenz von über 30 Prozent ist enorm und zeigt, wie KI dazu beitragen kann, Fehldiagnosen zu reduzieren und Leben zu retten. Wenn man sich vorstellt, dass ein Drittel der Diagnosen fehlerhaft sein könnte, wird klar, wie wichtig diese Technologie ist.

Ein weiteres faszinierendes Feld ist die Pharmazeutik. KI ermöglicht es, neue Medikamente oder einzelne Stoffe automatisiert zu entwickeln. Die Forschung wird durch KI beschleunigt und effizienter gestaltet, was enorme Fortschritte in der Medizin und Gesundheitsversorgung verspricht.

Auch in der Bildung sehe ich großes Potenzial. KI kann Lehrkräfte nicht ersetzen, aber in Regionen, in denen Lehrermangel herrscht, könnte sie eine wichtige Lücke füllen. Sie könnte Kindern Zugang zu Wissen und Bildung verschaffen, wo es bisher keine Möglichkeiten gab.

Sprechen wir mal von Generativer KI. Wo wird sich dieser Bereich hin entwickeln? Was glaubst du, werden wir in den nächsten drei bis fünf Jahren sehen?
Ich gehe davon aus, dass der komplette Content, den wir online sehen, irgendwann nur noch KI-generiert sein wird. Alles wird höchst personalisiert – Werbung, Sprache, Tonalität – genau auf die jeweiligen Nutzer:innen zugeschnitten. Generative AI wird uns viel Arbeit abnehmen, aber auch Risiken wie Fake News und Deepfakes mit sich bringen. Hier rollt eine Lawine auf uns zu, die wir noch nicht vollständig kontrollieren können.

Zum Schluss würden wir gern noch wissen: Wie setzt du generative KI am liebsten im persönlichen Bereich ein?
Ich nutze generative KI vor allem, um Alltagsaufgaben effizienter zu gestalten. Zum Beispiel erstelle ich damit viel Content, insbesondere Texte. Alles, was mit Schreiben zu tun hat, lässt sich mit KI hervorragend bearbeiten. Ein konkretes Beispiel: Wenn ich E-Mails an die Lehrer:innen meiner Kinder schreiben muss, fällt mir das manchmal emotional schwer. In solchen Fällen gebe ich einfach einen sehr nüchternen Prompt bei ChatGPT ein und lasse mir eine passende E-Mail generieren. Das spart nicht nur Zeit, sondern nimmt mir auch den emotionalen Druck. Solche kleinen Anwendungen im Alltag beschleunigen die Arbeit enorm und machen vieles einfacher.