München, 17. April 2023 — Die M&A-Aktivitäten deutscher Unternehmen bewegen sich auf hohem Niveau, trotz der aktuellen Herausforderungen wie Inflation, Ukraine-Krieg oder den Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Zukäufe konzentrieren sich dabei vor allem auf Regionen, die westlichen Standards genügen. Infolge der geopolitischen Verschiebungen verlagern sich Auslandsinvestitionen verstärkt von Ost nach West. Diese Entwicklung wird durch eine gute Infrastruktur, attraktive Fördermaßnahmen und niedrigere Energiekosten vor allem in Nordamerika begünstigt. Das sind die Ergebnisse der aktuellen Deloitte-Studie „M&A-Prozesse bei Corporates“, für die M&A-Verantwortliche aus zahlreichen deutschen Unternehmen und unterschiedlichen Branchen befragt wurden.
Demnach konzentrieren sich die befragten Unternehmen bei ihren Kauferwägungen auf den deutschen und europäischen Markt: Für 57 Prozent der Befragten ist Deutschland als Zielmarkt sehr relevant oder zumindest relevant (30%), Investitionen im europäischen Umfeld sind für knapp drei Viertel der Studienteilnehmer von herausgehobener Bedeutung. Die Vereinigten Staaten erreichen hier einen Wert von 62 Prozent, wohingegen China nur für etwa ein Drittel der Befragten relevant für künftige Akquisitionen ist. Auch Investitionen in Schwellenländer stellen derzeit etwa nur für jeden dritten Befragten (31%) eine denkbare Alternative dar.
Thomas Menzler, Deloitte Partner und Head of M&A Transaction Services: „Das von uns beobachtete Investitionsverhalten könnte auch damit zu tun haben, dass die bevorzugten Regionen den grundlegenden Anforderungen an Corporate-Governance-Standards entsprechen, deren Einhaltung in Deutschland durch die Gesetzgebung (z.B. das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) eingefordert wird. Die daraus entstehenden Offenlegungspflichten hemmen wahrscheinlich Investitionen in Unternehmen aus Ländern, in denen Verletzungen dieser Standards nicht ausgeschlossen werden können. So zeigen aktuelle wissenschaftliche Studien, dass sich Unternehmen mit Hauptsitz in westlichen Ländern, die durch die Offenlegung einem höheren Reputationsrisiko ausgesetzt sind, mit ihren Investments aus Entwicklungs- und Schwellenländern zurückziehen.“
Aktuelle Entwicklungen und deren Einfluss auf den M&A-Prozess
Den Einfluss der Corona-Pandemie sowie des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Inflation auf ihr zukünftiges Transaktionsverhalten schätzen die Befragten sehr unterschiedlich ein. Insbesondere von den Untersuchungsteilnehmern in der Fertigungsindustrie, die in der Studie mit Abstand am stärksten repräsentiert waren, wurde der Einfluss dieser Faktoren auf die zukünftigen M&A-Transaktionen als gering eingeschätzt (35%). Dagegen beurteilen Unternehmen aus dem Technologie-, Medien- und Telekommunikationssektor den Einfluss von Pandemie und Inflation auf die M&A-Aktivitäten als sehr hoch (80%).
Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Hier geht ein jeweils ähnlich hoher Anteil der Unternehmen (40% bzw. 50%) in nahezu allen untersuchten Branchen von einem wesentlichen Einfluss auf ihr zukünftiges Transaktionsverhalten aus.
Eine deutlich höhere Streuung zeigen die Untersuchungsergebnisse zu den Auswirkungen der Inflation. Während eine große Mehrheit der Unternehmen im Bereich Technologie, Medien und Telekommunikation die Inflation als wesentlichen Faktor für ihre zukünftigen M&A-Aktivitäten einstuft (80%), ist es im Bereich Fertigungsindustrie nur eine Minderheit (25%).
Andreas Faulmann, Deloitte Partner M&A Transaction Services: „Die Unternehmen nehmen den Einfluss der krisenbedingten Verwerfungen auf ihre künftigen M&A-Aktivitäten sehr unterschiedlich wahr. Dabei fällt auf, dass über alle Branchen hinweg der Anteil der Befragten, die mit starken Auswirkungen auf ihr zukünftiges Transaktionsverhalten rechnen, in der Regel unter 50 Prozent liegt. Eine Erklärung für diesen relativ niedrigen Wert könnte sein, dass zahlreiche Unternehmen zum Zeitpunkt der Befragung die Corona-Pandemie bereits als ein im Wesentlichen abgeschlossenes Jahrhundertereignis und den Ukraine-Krieg bzw. die damit einhergehende Inflation noch als ein vorübergehendes Phänomen eingestuft haben.“
Nachhaltigkeitsaspekte im M&A-Prozess
Obwohl Nachhaltigkeitsaspekte bei der Mehrheit der Befragten (58%) eine Rolle in aktuellen M&A-Projekten spielen, ist deren organisatorische Verankerung im M&A-Prozess wenig ausgereift. So wird nur bei etwa einem Drittel der Unternehmen eine Nachhaltigkeits-Due Diligence vorgenommen und bei etwa einem Viertel der Befragten ein Nachhaltigkeitskriterienkatalog verwendet. Einen Beauftragten für Nachhaltigkeitsfragen im M&A-Team können derzeit lediglich 13 Prozent der Unternehmen vorweisen. Die meisten M&A-Abteilungen sehen im Moment keinen Bedarf für die Einrichtung einer solchen Stelle, da sie auf die Ressourcen der Fachabteilung für Nachhaltigkeit zurückgreifen.
Egon Sachsalber, Deloitte Partner M&A Transaction Services: „Die aktuellen Entwicklungen deuten darauf hin, dass Nachhaltigkeitsaspekte in naher Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen und Unternehmen zu massiven Anpassungen und Optimierungsstrategien zwingen. Damit werden wahrscheinlich gravierende Implementierungs- und Strategieänderungskosten verbunden sein. Das grundsätzliche Bewusstsein dafür ist bei den meisten der befragten M&A-Verantwortlichen vorhanden, es hat aber noch keinen erkennbaren Niederschlag in den Bewertungsmodellen gefunden. Hier wäre eine Nachkalibrierung nötig.“
Die vollständige Studie „M&A-Prozesse bei Corporates“ steht hier zum Download bereit.
Über die Studie
Für die Studie „M&A-Prozesse bei Corporates“ wurden in der zweiten Jahreshälfte 2022 die für den Kauf und Verkauf von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragt. Die Studie berücksichtigt dabei unterschiedliche Industriezweige wie die Fertigungsindustrie, Konsumgüter und Transport, Technologie, Medien und Telekommunikation, Chemie, Pharma- und Gesundheitsindustrie und Finanzdienstleistungen. Insgesamt nahmen 61 Unternehmen an der Befragung teil. 12 Prozent der befragten Unternehmen haben einen Jahresumsatz von bis zu 1 Mrd. Euro. Gut die Hälfte weist zwischen 1 und 10 Mrd. Euro aus und ein weiteres Drittel über 10 Mrd. Euro. Im Durchschnitt beschäftigen die befragten Firmen 16.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Knapp über die Hälfte der Unternehmen ist kapitalmarktorientiert, etwas mehr als ein Drittel ist im DAX40 gelistet.
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