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Alternde Schweiz: Wie die wichtigste Konsumentengruppe von morgen tickt

Der demografische Wandel wird die Anteile der Altersgruppen unter den Konsumenten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich verändern. Auf Grundlage aktueller Prognosen ist davon auszugehen, dass das Segment älterer Verbraucher zukünftig zur wichtigsten Zielgruppe für Unternehmen in der Konsumgüterindustrie wird. Trotz ihrer bereits heute bestehenden grossen Bedeutung für die Nachfrage von Konsumgütern schenken Firmen älteren Konsumenten jedoch meist verhältnismässig wenig Aufmerksamkeit. Deloitte hat eine repräsentative Online-Umfragen unter 1’000 Einwohnern der Schweiz über deren Konsumverhalten durchgeführt, um entsprechende Handlungsempfehlungen für Unternehmen abzuleiten.

Ältere Konsumenten als die zukünftig wichtigste Zielgruppe

Die steigende Bedeutung älterer Konsumenten wird deutlich, wenn man ihren voraussichtlichen Anteil an den Konsumausgaben betrachtet. In den USA werden im Jahr 2050 von jedem konsumierten Dollar durchschnittlich 62 Cent von Menschen mit einem Mindestalter von 50 Jahren ausgegeben – im Gegensatz zu 56 Cent im Jahr 2020. In China wird der Anteil älterer Konsumenten an jedem ausgegebenen Yuan sogar 65 Fen (Cent) betragen und in der Schweiz 61 Rappen für jeden Franken.

Altersgruppe 50+ macht Grossteil der zukünftigen Konsumausgaben aus

Anteil der Altersgruppe 50+ an den Konsumausgaben in den USA, China und der Schweiz im Jahr 2050

Die prognostizierten Entwicklungen und der Konsumausgaben zeigen, dass ältere Konsumenten in Zukunft hinsichtlich des Alters die wichtigste Zielgruppe für Unternehmen in der Konsumgüterindustrie darstellen werden. Trotz der bereits heute wichtigen Rolle von Verbrauchern ab 50 Jahren schenken Firmen dieser Altersgruppe meist verhältnismässig wenig Aufmerksamkeit. So zeigen beispielsweise verschiedene Untersuchungen, dass lediglich fünf bis zehn Prozent der Marketingbudgets von Unternehmen in den USA verwendet werden, um ältere Konsumenten als Kunden zu gewinnen.

Doch wie können sich Firmen zukünftig mehr auf das ältere Verbrauchersegment ausrichten und dieses Marktpotential besser ausschöpfen? Anhaltspunkte für diese Frage liefert ein vertiefter Blick auf das Konsumverhalten von Verbrauchern ab 50 Jahren sowie auf die Unterschiede in den Bedürfnissen und Präferenzen zwischen jüngeren und älteren Konsumenten.

Mehr Gesundheitsgüter und Nahrungsmittel, weniger Wohnen und Energie

Die verschiedenen Altersgruppen der Konsumenten unterscheiden sich bereits heute in Bezug auf die Güter, die sie konsumieren. Diese Unterschiede werden ersichtlich, wenn man die Anteile der Konsumausgaben für verschiedene Verwendungszwecke einer durchschnittlichen Person bis 34 Jahre mit denen eines Menschen ab 55 Jahren vergleicht.

Mehr Gesundheitsgüter und Nahrungsmittel, weniger Wohnen und Energie

Anteile verschiedener Güter an den Konsumausgaben nach Altersgruppen (Schweiz, 2020-2021)

Die grössten relativen Unterschiede zeigen sich bei den Ausgaben für Gesundheit, Nahrung, Wohnen und Energie. So haben Gesundheitsgüter bei älteren Konsumenten einen doppelt so hohen Anteil an den Konsumausgaben wie bei jüngeren Konsumenten (6% versus 3%), was nicht verwundert. Interessanterweise sind die relativen Ausgaben für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke von Verbrauchern ab 55 Jahren ebenfalls circa ein Drittel höher als die von Verbrauchern bis 34 Jahre (16% versus 12%). Daher ist davon auszugehen, dass aufgrund der zunehmenden Bevölkerungsanteile älterer Personen auch die relative Bedeutung von Gesundheitsgütern und Nahrungsmitteln zukünftig global steigen wird.

In der Werbung unterrepräsentiert, dabei fitter denn je

Wenn Unternehmen Konsumenten ansprechen, zum Beispiel in der Werbung, kommt Bildern und Videos eine wichtige Rolle zu. In diesem Zusammenhang zeigt eine Untersuchung aus den USA, wie ältere Menschen in Bildern von Online-Medien dargestellt werden. Obwohl im Jahr 2019 fast die Hälfe der US-Bevölkerung in die Altersgruppe 50+ fiel, enthielten zu diesem Zeitpunkt lediglich 15 Prozent der untersuchten Bilder ältere Personen. Die Resultate der von Deloitte durchgeführten Befragung gehen in dieselbe Richtung. So wünschen sich etwa zwei Drittel (68%) der ab 50-Jährigen in der Schweiz, die Werbung würde Menschen in ihrem Alter realistischer darstellen.

Die Werbung zeigt die Altersgruppe 50+ eher selten und oft vorurteilsbehaftet

15%

der Bilder in Online-Medien enthalten ältere Personen.

68%

der ab 50-Jährigen in der Schweiz wünschen sich, die Werbung würde Menschen in ihrem Alter realistischer darstellen.

Quelle: AARP, Deloitte 

Bei der Ansprache älterer Konsumenten besteht ausserdem ein Unterschied zwischen dem chronologischen und dem subjektiven Alter. Während das chronologische Alter das tatsächliche Alter in Lebensjahren beschreibt, orientiert sich das subjektive Alter an der Selbsteinschätzung beziehungsweise dem persönlichen Empfinden eines Menschen. Dieser Unterschied mag für jüngere Altersgruppen weniger gravierend erscheinen, hat vor dem Hintergrund längerer Lebenserwartungen und besserer Gesundheitsversorgung heutzutage jedoch die Implikation, dass ältere Konsumenten oftmals ihr subjektives Alter deutlich niedriger als ihr chronologisches Alter beschreiben. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich 85 Prozent der Befragten ab 50 Jahren mehr mit ihrem subjektiven als dem chronologischen Alter identifizieren.

Die Altersgruppe 50+ identifiziert sich über ihr subjektives Alter

Frage-Statement: Ich identifiziere mich mehr mit meinem gefühlten Alter als mit meinem tatsächlichen Alter. (n = 499, Befragte ab 50 Jahren)

Loyal und qualitätsbewusst

Mit zunehmendem Alter werden Konsumenten tendenziell risikoaverser in ihrem Einkaufsverhalten beziehungsweise wenn es darum geht, neue Produkte oder Dienstleistungen auszuprobieren. So zeigen etwa wissenschaftliche Erkenntnisse, dass ein höheres subjektives Alter mit mehr Vorsicht im Einkaufsverhalten und geringerer Informationssuche einhergeht. Im Vergleich zu jüngeren Verbrauchern holen ältere Konsumenten weniger Informationen über neue Produkte ein und versuchen gleichzeitig stärker, Fehlkäufe zu vermeiden. Dadurch bleiben sie schlussendlich eher der ihnen bekannten Auswahl an Produkten und Dienstleistungen loyal.

Ein anderer Weg, wie ältere Konsumenten die Anfälligkeit für Fehlkäufe reduzieren, besteht in einem gesteigerten Qualitätsbewusstsein, wodurch minderwertige Waren ausgeschlossen werden. Dies manifestiert sich unter anderem in der Relevanz von Produktkennzeichnungen (Labels) und Markennamen beim Konsumverhalten. Gemäss einer Studie der Universität South Carolina spielen Herkunftsbezeichnungen wie «Made in …», die eine hohe Qualität signalisieren, bei den Kaufentscheidungen älterer Konsumenten eine stärkere Rolle als bei denen von jüngeren Verbrauchern. Auch für die Schweiz bestätigt sich dieser Befund. So geben acht von zehn älteren Verbrauchern (80%) an, dass solche Herkunftsbezeichnungen für sie bei der Kaufentscheidung wichtig sind, während es in der Gruppe der bis 34-Jährigen lediglich etwa zwei Drittel sind (65%).

Die Altersgruppe 50+ legt mehr Wert auf Herkunftsbezeichnungen als Jüngere

Frage: Bitten geben Sie an, wie wichtig Ihnen die folgenden Aspekte beim Einkaufen sind: Herkunftsbezeichnungen wie «Made in…» (n = 750, Befragte ab 50 Jahren sowie bis 34 Jahre)

Altersgerechter stationärer Handel erwünscht

Der stationäre Handel stellt für ältere Altersgruppen einen wichtigen Einkaufsort dar. Beispielsweise versorgen sich Konsumenten mit zunehmendem Alter stärker im lokalen Detailhandel. Unabhängig von der Entfernung ermöglichen Einkaufsläden älteren Konsumenten, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen – in manchen Fällen die einzige Möglichkeit der sozialen Interaktion. Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen legen ältere Kunden des stationären Handels insbesondere auf drei Aspekte hohen Wert.

Erstens wird die Kundenzufriedenheit dieser Altersgruppe am stärksten durch die Interaktion mit dem Verkaufspersonal beeinflusst. So ist es neun von zehn älteren Konsumenten (92%) in der Schweiz beim Einkaufen wichtig, dass Angestellte effizient und freundlich sind.

Der Altersgruppe 50+ ist ein altersgerechter stationärer Handel wichtig

92%

der älteren Konsumenten geben an, dass ihnen effizientes und freundliches Verkaufs-personal im stationären Handel wichtig ist.

83%

der älteren Verbraucher geben an, dass beim Einkaufen die Produkte in den Regalen leicht erreichbar sein müssen.

77%

der älteren Kundschaft halten einwandfrei funktionierende Einkaufswagen und -körbe für unabdingbar.

Quelle: Deloitte
 

Zweitens bedingt die körperliche Verfassung und tendenziell geringere Körpergrösse älterer Kunden, dass die Produkte in den Regalen auch für sie leicht erreichbar sind. Diesen Aspekt stufen etwa acht von zehn älteren Konsumenten (83%) in der Schweiz als wichtig beim Einkaufen ein.

Drittens spielt die Funktionalität des Einkaufsequipments für ältere Kunden eine entscheidende Rolle, um selbstständig einkaufen zu gehen. Etwa drei von vier älteren Konsumenten (77%) ist es wichtig, dass Einkaufswagen und -körbe einwandfrei funktionieren. Beschädigtes Einkaufsequipment kann die ältere Kundschaft aufgrund physischer Einschränkungen schnell vor Herausforderungen stellen.

Neue Technologien: Nur wenn einfach zu bedienen und mit klarem Mehrwert

Der Einsatz neuer Technologien verändert kontinuierlich die Nutzung von Produkten und Dienstleistungen. Ob ältere Konsumenten Produkte basierend auf neuen Technologien nutzen, hängt massgeblich von zwei Faktoren ab: wie einfach die entsprechenden Verbraucher sie bedienen können und welchen Mehrwert diese Gruppe von ihr erwartet. In der Schweiz geben mehr als acht von zehn der älteren Personen (84%) an, dass ein Produkt mit einer neuartigen Technologie einfach zu bedienen sein muss, damit sie es nutzen. Für jüngere Menschen ist aufgrund ihres vergleichsweise besseren physiologischen und kognitiven Zustands eine einfache Bedienbarkeit für die Nutzung neuer Technologien weniger ausschlaggebend.

Die Altersgruppe 50+ nutzt neue Technologien bei einfacher Bedienbarkeit und hohem Mehrwert

84%

der älteren Konsumenten verlangt, dass ein Produkt/ Dienstleistung, das auf einer neuartigen Technologie basiert, einfach zu bedienen sein muss.

85%

der älteren Verbraucher nutzen ein Produkt oder eine Dienstleistung mit einer neuen Technologie nur, wenn im Vergleich zu einer bestehenden Alternative der Mehrwert hoch ist.

Quelle: Deloitte
 

Einen hohen Mehrwert eines Produkts mit einer neuartigen Technologie im Vergleich zu bestehenden Produkten sehen ebenfalls mehr als acht von zehn älteren Konsumenten (85%) in der Schweiz als wichtiges Kriterium an. Vergleichsweise weniger relevant erscheint dieser Aspekt für die Zielgruppe der bis 34-Jährigen, von denen 70 Prozent einen hohen Mehrwert für wichtig halten. Dieser Unterschied kann dadurch erklärt werden, dass die Gewöhnung an eine neue Technologie, wie zum Beispiel ein digitales Produkt, älteren Menschen höhere mentale Kosten abverlangt als Jüngeren. Daher muss auch der Mehrwert dieser neuen Technologie entsprechend hoch sein, damit das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Umstiegs für den Nutzer positiv ist.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Anpassung des Sortiments: Aufgrund der Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Verbrauchern bezüglich der Konsumausgaben bergen grundsätzlich Gesundheitsgüter und Nahrungsmittel sowie deren Kombination ein zukünftig steigendes Marktpotenzial. Ein Beispiel einer solchen Kombination sind funktionale Nahrungsmittel, die mit zusätzlichen Inhaltsstoffen wie Vitaminen oder Mineralien angereichert sind, um die Gesundheit positiv zu beeinflussen.

Verstärkter Qualitätsfokus: Da ältere Konsumenten Kaufentscheidungen stärker von Qualitätsmerkmalen abhängig machen als jüngere Kunden, werden qualitätsbezogene Informationen in Zukunft zusätzlich an Bedeutung gewinnen.

Inklusion älterer Konsumenten: Vor dem Hintergrund, dass ältere Konsumenten in der bildlichen Kundenkommunikation tendenziell unterrepräsentiert sind, empfiehlt sich eine über alle Altersklassen ausgewogene Ansprache. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls darauf zu achten, dass Ältere gleich oft positiv dargestellt werden wie Jüngere und die Kommunikation von altersdiskriminierenden Vorurteilen absieht.

Fokussierung des subjektiven Alters: Da sich ältere Konsumenten grundsätzlich mehr mit ihrem subjektiven Alter (Selbsteinschätzung) als dem chronologischen Alter (Lebensjahre) identifizieren, sollte die Kundenkommunikation ersteren Aspekt hervorheben. Um das subjektive Alter in den Vordergrund zu stellen, können Unternehmen beispielsweise den empfundenen Gesundheitszustand beziehungsweise das persönliche Wohlbefinden betonen oder Slogans wie «70 ist das neue 60» verwenden.

Altersgerechte soziale Interaktion: Das Verkaufspersonal im Detailhandel sollte im Umgang mit älteren Konsumenten insbesondere Hilfsbereitschaft, Respekt und eine altersgerechte Beratung in den Vordergrund stellen. Wenn möglich empfiehlt es sich, ältere Kunden durch Verkaufspersonal aus der gleichen Altersgruppe beraten zu lassen, da in diesem Fall ein persönlicher Bezug zu den spezifischen Bedürfnissen dieser Kundschaft besteht.

Funktionales Einkaufsequipment: Damit Konsumenten möglichst auch in hohem Alter noch selbstständig einkaufen können, sind funktionale Einkaufswagen und -körbe unabdingbar, die die körperlichen Bedürfnisse dieser Zielgruppe berücksichtigen und jederzeit einwandfrei funktionieren.

Altersgerechte Produktplatzierung: Für viele ältere Konsumenten stellt die Erreichbarkeit von Waren in den Regalen eine Herausforderung dar, weshalb für sie eine altersgerechte Produktplatzierung und regelmässiges Auffüllen der Regale im Detailhandel wichtig ist.

Benutzerfreundlichkeit trotz physiologischer oder kognitiver Hindernisse: Hinsichtlich der Akzeptanz neuer Technologien durch ältere Konsumenten ist insbesondere die Benutzerfreundlichkeit im Fall physiologischer oder kognitiver Einschränkungen (zum Beispiel Hör- oder Sehvermögen) entscheidend.

Mehrwert neuer Technologie aufzeigen: Damit ältere Konsumenten ein Produkt oder eine Dienstleistung mit einer neuartigen Technologie kaufen, muss der Mehrwert im Vergleich zu bestehenden Alternativen für sie eindeutig sein. Daher gilt es in der Kundenansprache von Unternehmen darauf zu achten, dass alle Alters- und Zielgruppen – nicht nur die technisch versierten – die Vorteile einer neuen Technologie sofort verstehen.

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