Zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung wollen selbst entscheiden, wann der passende Zeitpunkt für den Eintritt ins Rentenalter gekommen ist. Zudem zeigt eine aktuelle Umfrage von Deloitte Schweiz, dass die Mehrheit eine stärkere Finanzierung der AHV über Kapitalerträge befürwortet, ähnlich wie bei der Pensionskasse. Die bisher diskutierten Lösungsvorschläge wie höhere Lohnabgaben oder eine Erhöhung der Mehrwertsteuer stossen auf wenig Rückhalt. Auch Rentenkürzungen oder eine generelle Erhöhung des Rentenalters werden klar abgelehnt. Die jüngste von Deloitte durchgeführte Studie zu diesem Thema zeigt drei realistische, mehrheitsfähige und volkswirtschaftlich sinnvolle Wege auf, um die Vorsorge in der Schweiz langfristig und nachhaltig zu sichern.
Die Reform der Altersvorsorge gehört zu den drängendsten Herausforderungen der Schweiz. In einer alternden Gesellschaft mit immer mehr Bezügerinnen und Bezügern und immer weniger Erwerbstätigen braucht es Lösungen, die sowohl finanziell tragfähig als auch gesellschaftlich akzeptiert sind. Eine im Rahmen der Studienreihe «Alternde Schweiz» durchgeführte repräsentative Umfrage des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte zeigt nun: Die Bevölkerung ist bereit für neue Ansätze.
68 Prozent der Befragten wünschen sich, selbst aktiv entscheiden zu können, wann sie in Rente gehen, anstatt automatisch mit 65 Jahren aus dem Berufsleben auszuscheiden. 53 Prozent befürworten zudem eine Finanzierung der AHV über Kapitalerträge – ähnlich wie dies heute bereits bei der Pensionskasse geschieht. Die Umfrageresultate sprechen laut Reto Savoia, CEO von Deloitte Schweiz, eine klare Sprache: «Die Menschen denken langfristiger als die Politik. Sie wollen Freiraum statt starrer Altersgrenzen und erwarten eine nachhaltige Finanzierung der Vorsorge.»
Reformansätze, die ökonomisch sinnvoll sowie politisch und gesellschaftlich tragfähig sind. Der erste Ansatz betrifft die weitere Flexibilisierung des Rentenalters. Künftig soll jede Person selbst bestimmen können, wann sie in Rente geht, abhängig von Gesundheit, finanzieller Lage und individueller Lebensplanung. Das Modell sieht ein frühestes Rentenalter und entsprechende Zu- oder Abschläge vor; eine späte Pensionierung wird mit höheren Renten vergütet.
Diese Flexibilisierung könnte auch einen kulturellen Wandel einleiten: Wer frei entscheiden kann, denkt oft längerfristig und beschäftigt sich bewusster mit der Vorsorge. Das dürfte die Wahrscheinlichkeit und die Bereitschaft, im Erwerbsleben zu bleiben, stärken und so auch dem zunehmenden demografisch bedingten Fachkräftemangel entgegenwirken.
Reto Savoia betont: «Wir sollten uns von der Fixierung auf ‹65› lösen. Arbeit im Alter soll zur attraktiven und realistischen Option werden, die motiviert und bereichert. Für Unternehmen bietet das Chancen, wertvolles Wissen und Erfahrung im Betrieb zu halten. Damit das Modell funktioniert, braucht es einen Kulturwandel in den Unternehmen und mehr Wertschätzung gegenüber älteren Mitarbeitenden. Unternehmen könnten neue Arbeitsmodelle einführen, Altersteilzeit ermöglichen oder erfahrene Mitarbeitende als Coaches einsetzen.»
Der zweite Reformvorschlag betrifft eine befristete Erhöhung der Bundesbeiträge an die AHV. In der Umfrage spricht sich eine relative Mehrheit (44%) für höhere Bundesbeiträge aus. Ziel darf aber nicht eine dauerhafte Ausweitung der Staatsausgaben sein, sondern eine zweckgebundene befristete Finanzierung durch Umschichtung bestehender Bundesmittel. So würde der AHV-Fonds gezielt gestärkt.
Deloitte schlägt vor, die Bundesbeiträge zeitlich zu begrenzen, etwa durch eine Sunset-Klausel. Die Mittel sollen nur für die Kapitaldeckung der AHV verwendet und angelegt werden, um langfristige Erträge zu erzielen. «Eine andauernde Finanzierung des AHV-Defizits ist nicht zielführend – eine temporäre, gezielte Kapitalisierung hingegen ist nachhaltig und sinnvoll», sagt Reto Savoia.
Der dritte Reformansatz betrifft die stärkere Finanzierung aller drei Säulen über den Kapitalmarkt: bei der AHV mit der Anlage der Mittel aus dem vergrösserten Fonds, bei der 2. Säule mit der Senkung der Eintrittsschwelle, höheren Renditen sowie einer stärkeren Individualisierung und bei der 3. Säule mit höheren Einzahlungen und verstärken Investitionen am Kapitalmarkt.
Heute wird die 1. Säule fast ausschliesslich im Umlageverfahren finanziert: Die Einnahmen – bestehend aus Lohnabgaben und Bundesbeiträgen – werden direkt für die laufenden Renten verwendet. Die Idee einer stärkeren Kapitaldeckung bedeutet indes: Der AHV-Fonds wird gezielt ausgebaut und das Geld am Kapitalmarkt investiert, um spätere Renten mitzufinanzieren.
Laut der Studie von Deloitte wäre etwa eine Verdopplung des bestehenden Fonds von rund 50 auf 100 Milliarden Franken – zu finanzieren über jährliche Beiträge bis 2035 – ausreichend, um einen Grossteil der prognostizierten Finanzierungslücke bis 2040 zu schliessen. Ohne eine solche Massnahme droht eine endlose Defizitfinanzierung, welche akkumuliert teurer wird als eine nachhaltige Kapitalfinanzierung, die Erträge erzeugt – und zwar ab dem ersten Jahr.
Die Mehrheit der Befragten unterstützt diesen Reformpfad. Idealerweise würde der Fonds durch befristete Bundesmittel gestärkt – finanziert durch Einsparungen und eine Umschichtung bestehender Ausga¬ben. Dies würde mittelfristig zu einer Stabilisierung und langfristig zu höheren Renditen führen. «Ein stärker dotierter AHV-Fonds generiert höhere Erträge und reduziert die Abhängigkeit von laufenden Einnahmen», so Reto Savoia. «Das stärkt das Vertrauen in das System und entlastet kommende Generationen.»
In der Pensionskasse könnte eine stärkere Kapitalfinanzierung durch eine Senkung der Eintritts-schwelle für die obligatorische Versicherung erreicht werden. Dies würde auch die Vorsorge von Personen mit geringem Einkommen verbessern. Zudem sollten in der 2. Säule höhere Renditen anstrebt werden. Zwar steigen so die Risiken, doch durch die lange Anlagedauer würden diese relativiert werden.
Des Weiteren erlaubt eine stärkere Individualisierung der Anlagestrategie in der Pensionskasse den Einbezug persönlicher Präferenzen und ermöglicht so die Wahl von Anlagestrategien mit einer höheren Renditewahrscheinlichkeit. Das Verlustrisiko hielte sich bei langfristigen Anlagen in Grenzen. Und darüber hinaus sollte eine höhere Transparenz für die Versicherten hergestellt und ihr Zugang zu den für sie relevanten Vorsorgeinformationen verbessert und vereinfacht werden.
Gemäss der Befragung zahlt knapp die Hälfte der Befragten (49%) Geld in die 3. Säule ein, allerdings zahlen nur 17 Prozent den Maximalbetrag ein. Von denjenigen, die einzahlen, investieren aber nur 9 Prozent den gesamten Betrag am Finanzmarkt. Als Haupthindernis für höhere Einzahlungen werden fehlende finanzielle Mittel angegeben, während der Hauptgrund für das Nicht-Investieren die Vermeidung von Risiken ist.
Regelmässige und langfristige Investitionen in die private Vorsorge bieten ein bedeutendes Potenzial für höhere Erträge. Angebote im Bereich der 3. Säule könnten vor diesem Hintergrund optimiert werden, etwa hinsichtlich Kosten-Nutzen-Verhältnis, Kundenerlebnis sowie individueller Anpassung. «Altersvorsorge ist nicht einfach eine Staatsaufgabe. Im Zentrum steht der Mensch, wobei Unternehmen und Versicherte ihren Spielraum stärker ausnutzen sollten», ist Savoia überzeugt.
Die Umfrage sendet ausserdem klare Signal in Richtung Politik: Reformen der AHV über zusätzliche finanzielle Belastungen finden wenig Zustimmung. Eine relative Mehrheit von 49 Prozent der Befragten lehnt höhere Lohnbeiträge ab. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer stösst sogar bei knapp zwei Dritteln (65%) der Befragten auf Widerstand.
Noch klarer ist das Meinungsbild bei Rentenkürzungen: Mehr als drei Viertel der Bevölkerung sprechen sich dagegen aus, selbst bei indirekten Formen wie sinkendem Umwandlungssatz oder geringerem Teuerungsausgleich. Die Idee, Nationalbankgewinne für die AHV zu verwenden statt sie – wie bisher – an den Bund und die Kantone auszuschütten, ist zwar mit 72 Prozent Zustimmung populär, aber ökonomisch nicht sinnvoll, sondern sogar gefährlich. Denn die Ergebnisse der SNB sind volatil und nicht planbar. Und im Falle von SNB-Verlusten würde sich die angespannte Situation des AHV-Fonds wieder verschlechtern. Zudem würde die Unabhängigkeit der SNB unterminiert.
«Die Ablehnung neuer Lohn- oder Steuerbelastungen zeigt deutlich: Reformen müssen wirtschaftlich klug und generationengerecht sein», sagt Reto Savoia. «Statt die Bevölkerung und die Wirtschaft stärker zu belasten, sollten wir auf eine nachhaltige Lösung setzen – mit höherer Flexibilität und höheren Kapitalerträgen.»
Die vorliegende Studie von Deloitte wurde im Februar 2025 im Rahmen der Studienreihe «Alternde Schweiz» durchgeführt. Sie basiert neben Sekundärdaten auf einer Online-Befragung von 1’000 Menschen schweizweit und ist repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Sprachregion.
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