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Fast die Hälfte der Jungen in der Schweiz will bald kündigen – Firmen müssen umdenken und Vorgesetzte empathischer werden

Zürich/Genf

Der in der Schweiz grassierende Fachkräftemangel dürfte sich in naher Zukunft noch verschärfen: Fast die Hälfte der Gen Z und gut ein Fünftel aller Millennials planen in den kommenden zwei Jahren, ihren Job zu kündigen. Die Hauptgründe: fehlende Sinnhaftigkeit und ein zu niedriger Lohn. Das zeigt die Deloitte Studie «Swiss Gen Z and Millennial Survey 2023». Schon jetzt machen diese beiden Generationen die Hälfte der Arbeitskräfte aus – Unternehmen können also nicht ohne sie. Um diese jungen Talente anzuziehen, braucht es mehr Flexibilität punkto Arbeitsort und -zeit. Und um sie langfristig zu halten, sollten Vorgesetzte sich weiterbilden, um achtsamer und empathischer führen und fördern zu können.

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Die Generationen der Millennials (1983–1994) und der Gen Z (1995–2004) definieren sich in der Schweiz seltener über ihre Arbeit als im restlichen Europa. Nur ein Viertel der Gen Z (26%) und ein Drittel der Millennials (33%) empfinden ihre Arbeit als identitätsstiftend. Ganz anders in den 16 untersuchten EU-Ländern: 43 Prozent der Millennials und 57 Prozent der Gen Z identifizieren sich dort über ihre Arbeit. Die weitaus wichtigste Rolle für das Identitätsbewusstsein spielen jedoch sowohl in der Schweiz als auch in der EU Freunde und Familie (Details: siehe Grafik 1). Im Gegensatz zu den europäischen Vergleichsgruppen spielen in der Schweiz aber noch zwei weitere Aspekte eine viel wichtigere Rolle für das Identitätsbewusstsein: Mode und Musik.

Grafik 1: Faktoren, die zum Identitätsverständnis beitragen

«Dann suche ich mir halt eine neue Stelle»
Wenn auch die Relevanz der Arbeit als identitätsbildendes Element variiert, wollen die Gen Z und die Millennials sowohl in der Schweiz als auch in der EU sinnstiftend arbeiten, sich weiterentwickeln und dafür anständig entlöhnt werden – wobei der Lohn für die Befragten in der EU eine noch grössere Rolle spielt, da dort die Gehälter im Vergleich zur Schweiz geringer sind. Passiert das nicht, hat gerade die Gen Z kein Problem damit, sich einen neuen Job zu suchen (siehe Grafik 2).

Dies verlangt von den Arbeitgebern ein grundlegendes Umdenken und erfordert organisatorische und kulturelle Anpassungen: «Unternehmen müssen ihre jungen Angestellten abholen, sie auf diese Entwicklungsreise mitnehmen und ihnen aufzeigen, was sie mit ihrer Arbeit leisten – nicht nur für den eigenen Betrieb, sondern für die Gesellschaft. Um dieses Bewusstsein für den Unternehmenszweck zu schaffen, sind verständliche Ziele, eine transparente Feedbackkultur sowie Anerkennung und klare Zukunftsperspektiven unabdingbar», sagt Matthias Thalmann, Leiter Human Capital Consulting bei Deloitte Schweiz. Doch auch andere Aspekte – etwa die Gestaltung der Arbeit, die Flexibilität, der Arbeitsort und die Arbeitszeit – spielen eine wichtige Rolle.

Grafik 2: Gründe für die Kündigung der letzten Stelle

Plötzlich wieder Vollzeit im Betrieb arbeiten? Für viele Befragte undenkbar. Rund 40 Prozent der Befragten in der Schweiz würden in diesem Fall eine neue Stelle suchen. Auch wenn viele Unternehmen in den letzten Jahren bereits Home-Office-Modelle eingeführt haben, gilt es nun, diese hybriden Arbeitsmodelle für die Zukunft weiterzuentwickeln und attraktiver zu gestalten. Dabei spielen Beständigkeit und Verlässlichkeit sowie individuelle Balance zwischen Home-Office und Büroanwesenheit eine wichtige Rolle. Für Produktionsbetriebe, aber auch für die Gastronomie und das Gesundheitswesen, wo Home-Office nur bedingt oder gar nicht möglich ist, ist es unerlässlich, flexiblere Schichtsysteme einzuführen, um so die Arbeitsbedingungen und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden langfristig zu verbessern.

Doch auch physische Präsenz bleibt wichtig, um die sozialen Kontakte unter den Angestellten zu pflegen und zu fördern: 18 Prozent der befragten Gen Z in der Schweiz fühlen sich ausgeschlossen, wenn sie zu oft von zu Hause aus arbeiten müssen. «Im Kampf um die besten Talente müssen Unternehmen flexibel auf die individuellen Wünsche zu Arbeitsort, Arbeitszeit und Zusammenarbeitsform(en) eingehen. Reine Absichtserklärungen sind kontraproduktiv; es braucht gelebte Werte und positive Vorbilder», analysiert Matthias Thalmann.

Gründe zur Sorge: Geld, Klimawandel und Psyche
Bei den Zukunftssorgen geht es auch wieder ums Geld: 24 Prozent der Schweizer Gen Z und 29 Prozent der Millennials machen sich Sorgen um die gestiegenen Lebenshaltungskosten – in der EU sind es sogar 36 (Gen Z) bzw. 46 Prozent (Millennials). 28 Prozent der Gen Z und 24 Prozent der Millennials in der Schweiz haben ein Gefühl von finanzieller Unsicherheit. In der EU liegen diese Werte bei 36 (Gen Z) bzw. 38 Prozent (Millennials), siehe Grafiken 3 und 4.

Grafik 3: Welche fünf Themen beunruhigen Sie am meisten?

Grafik 4: Finanzielle Unsicherheit

Um die Folgen des Klimawandels sorgen sich in der Schweiz und in der EU jeweils etwa 25 Prozent der Befragten (Millennials und Gen Z). Hingegen geben mehr Vertreterinnen und Vertreter der Gen Z (CH: 18%, EU: 20%) als befragte Millennials (CH: 14%, EU: 15%) an, sich Sorgen um die mentale Gesundheit ihrer Generation zu machen. «Unsere krisenhafte Zeit ist für jüngere Arbeitnehmende offenbar sowohl eine finanzielle als auch eine psychische Herausforderung. Die steigenden Lebenshaltungskosten und der Klimawandel bereiten vielen Sorge. Daraus lässt sich ableiten, dass sowohl ein attraktiver Lohn als auch ein für Gesellschaft und Umwelt relevanter Unternehmenszweck entscheidende Faktoren sind, um junge Mitarbeitende zu rekrutieren und langfristig zu halten», so Matthias Thalmann.

Entwicklungsmöglichkeiten und Weiterbildung
Um junge Talente zu gewinnen und zu halten, müssen sich die Mitarbeitenden entwickeln können. Gerade junge Menschen haben den Anspruch, einen sichtbaren Einfluss auf ihre Arbeit zu nehmen. Sie wollen angehört und ernst genommen werden und messbar zum Unternehmenserfolg beitragen. Hier leisten interne Feedbackplattformen einen wichtigen Beitrag zur Integration und Weiterentwicklung von Mitarbeitenden. Vorgesetzte sind denn auch gut beraten, sich bezüglich Empathie und emotionaler Intelligenz weiterzubilden, um den proaktiven Austausch mit ihren Mitarbeitenden zu verbessern.

Fehlende Karriereentwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten sind zudem häufige Kündigungsgründe. Unternehmen sollten Karrierechancen proaktiv und transparent kommunizieren und ihre Versprechungen auch einhalten. Gut ein Drittel der Befragten in der Schweiz ist unzufrieden mit den Karriereperspektiven im Unternehmen. Das sind Alarmzeichen: «Nur wer seinen Talenten Weiterbildungen anbietet und Karrierechancen eröffnet, wird die besten Leute halten können», sagt Reto Savoia, CEO von Deloitte Schweiz, und warnt: «Führungskräfte und HR-Abteilungen müssen sich jetzt grundlegende Gedanken machen – bereits die Hälfte der Arbeitnehmenden gehört zur Generation Z und zu den Millennials. Wenn Unternehmen es nicht schaffen, diese jungen Menschen langfristig an sich zu binden, kann dies stark negative Folgen für die Wachstumsperspektiven und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen haben.»

Über die Studie: «Swiss Gen Z and Millennial Survey 2023»
Für die Studie «Swiss Gen Z and Millennial Survey 2023» von Deloitte wurden Anfang März 2023 1’000 Millennials (Jahrgänge 1983–1994) und 700 Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z (Jahrgänge 1995–2004) in der gesamten Schweiz befragt. Die Daten für die EU entstammen der Studie «2023 Gen Z and Millennial Survey» von Deloitte, für die im Dezember 2022 über 8’000 Teilnehmende aus den folgenden EU-Staaten befragt wurden: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Schweden und Tschechische Republik.