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Corona-Krise sorgt für Digitalisierungsschub im Retailbanking

Digital Banking ist aus dem Retailbanking nicht mehr wegzudenken. Dies war vor der Krise der Fall, gilt noch mehr während der Krise und wird stärker als zuvor auch nach der Krise gelten – für Banken nicht zuletzt aus Kostensicht.

Aber Digital Banking ist auch von den Kunden gewünscht, jetzt noch mehr, wie eine aktuelle Deloitte-Umfrage unter 1'500 Schweizer Personen im erwerbsfähigen Alter zeigt. Fast 20% aller Kunden im Retailbanking haben während der Krise mindestens einen Bankservice zum ersten Mal digital erledigt – nur 6% blieben dagegen konsequent ohne Digital Banking. Und die meisten Digital-Banking-Novizen wollen auch nach der Krise zumindest teilweise digital bleiben. Wie viele dies sind, hängt allerdings stark vom Bankservice ab. Retailbanken haben jetzt die Chance, noch mehr ihrer Kunden dauerhaft vom Digital Banking zu überzeugen. Noch wichtiger ist aber eine überzeugende Multikanalstrategie, einschliesslich hybrider Lösungen, vor allem für komplexe Bankgeschäfte wie Hypotheken oder Wertschriften. Nur so lassen sich alle Kundengruppen adäquat ansprechen.

Aus der Not(-wendigkeit) eine Tugend machen

 

Digital Banking ist schon seit langem weit verbreitet, und doch: Nicht jeder nutzt es, schon gar nicht für alle Dienstleistungen. Wie die Deloitte-Studie «Digitale Transformation im Retailbanking» aus dem Jahr 2019 zeigt, sind hier aus Sicht Schweizer Konsumenten nicht nur Sicherheitsbedenken, sondern auch die fehlende wahrgenommene Notwendigkeit hauptverantwortlich.

Mit der Krise hat sich dies radikal geändert. Bankgeschäfte waren in den Filialen schwierig, wenn nicht unmöglich, sodass der digitale Kanal umso wichtiger wurde. Die Anzahl der Befragten, die in der Krise einen Bankservice zum ersten Mal digital ausprobierten, ist dreimal so hoch wie die Anzahl derer, die konsequent auf das Digital Banking verzichten, wie eine Deloitte-Umfrage zeigt1. Aus der Not(-wendigkeit) wurde eine Tugend, jedenfalls für diejenigen, die damit zufrieden waren: Die digitale Nutzung von Bankdienstleistungen steigt in der Krise durchgehend an.

Digitales Retailbanking macht einen Sprung nach vorne

 

Abbildung 1 zeigt, welche Bankdienstleistungen vor der Krise digital oder nicht digital genutzt wurden und welche Auswirkungen die Krise darauf hatte.

Abbildung 1. Nutzung verschiedener Dienstleistungen vor und während der Krise

Antworten von Nutzern der jeweiligen Dienstleistungen auf die Frage: «Inwieweit erledigen Sie die folgenden Bankgeschäfte digital über E-Banking oder Mobile Banking?»

Alle Banking-Dienstleistungen wurden demnach stärker digital genutzt. Wenig überraschend waren essentielle und weniger komplexe digitale Services wie der Zahlungsverkehr schon vor der Krise weit verbreitet. Dennoch konnte auch die digitale Abwicklung des Zahlungsverkehrs in der Krise noch zulegen: 9% haben dies zum ersten Mal ausprobiert, und nur weitere 9% setzen auch nach wie vor in der Krise auf eine nicht-digitale Bearbeitung, etwa über das Telefon. Ebenfalls abgenommen haben Bargeldzahlungen, wie weitere Ergebnisse der Deloitte-Umfrage zeigen. Allerdings hat der Bargeldumlauf insgesamt im März 2020 zugenommen. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte sein, dass die steigende Unsicherheit zu einer verstärkten Vorratshaltung an Bargeld geführt hat, wie sie in Krisenzeiten häufiger zu beobachten ist. Eine solche Vorratshaltung wird normalerweise in grösseren Denominationen gehalten, die die geringere Verwendung von Bargeld bei Zahlungen, meist mit kleineren Denominationen, überlagert hat.

Am stärksten zugenommen hat die digitale Abwicklung von Konsumkrediten: 16% derjenigen, die einen Konsumkredit in Anspruch nehmen, haben dies zum ersten Mal digital ausprobiert. Konsumkredite sind weniger komplex als Hypotheken, mit niedrigerem durchschnittlichem Kreditbetrag; gute Gründe für eine digitale Erledigung. Die mindestens teilweise digitale Abwicklung von Hypotheken hat ebenfalls recht viele Erstnutzer anziehen können, ebenso wie die Beratung zu einem Bankangebot. Beides sind komplexe Services, die, ebenso wie Konsumkredite, bisher am wenigsten digital genutzt wurden. Wertschriftengeschäfte folgen danach, mit leicht tieferer Zunahme und leicht höherer digitalen Nutzung als vor der Krise.

Digitale Verbleibquote – einmal digital, immer digital?

 

Einmal ausprobiert, immer dabeibleiben, so scheint es bei der digitalen Nutzung von Bankdienstleistungen. Denn die meisten, die einen oder mehrere Bankservices zum ersten Mal in der Krise digital genutzt haben, wollen zumindest teilweise dabeibleiben (siehe Abbildung 2). Gut jeder zweite (51%) dieser digitalen Erstnutzer will nach der Krise gleichermassen digitale und nicht-digitale Lösungen nutzen, 14% bevorzugt digitale Lösungen. Dies zeigt allerdings, dass «nur digital» auch nur eine Minderheit der Erstnutzer überzeugt. Es ist die Kombination von digital und nicht-digital, die mit Abstand den grössten Zuspruch erfährt. Viele schätzen damit weiterhin den persönlichen Kontakt und Retailbanken haben die Chance, sich hier von digitalen Challengerbanken abzuheben. Dies gilt natürlich umso mehr für diejenigen, die digitale Lösungen nicht überzeugend fanden: 35% geben an, wieder zu nicht digitalen Lösungen zurückkehren zu wollen. Grosse Unterschiede zeigen sich dabei je nach Bankdienstleistung.

Abbildung 2. Digitale Verbleibquote für neu ausprobierte Bankdienstleistungen nach der Corona-Krise

Angabe von digitalen Erstnutzern in der Krise, wie sie Bankdienstleistungen nach der Krise bevorzugt nutzen möchten, digital, nicht-digital oder gleichermassen digital und nicht-digital

Besonders hoch fällt die Verbleibquote für das Einholen von Informationen aus – nicht überraschend, gehört doch die direktere Informationsbereitstellung zu den zentralen Stärken des Internets. Auch die digitalen Lösungen für Konsumkredite scheinen zu überzeugen, nur 21% wollen wieder bevorzugt nicht-digitale Lösungen nach der Krise nutzen. Nicht nur haben also vergleichsweise viele Befragte digitale Lösungen für Konsumkredite ausprobiert (Abbildung 1), viele wollen auch dabeibleiben.

Die drei Dienstleistungen mit dem höchsten Anteil derjenigen, die zurück zu nicht-digitalen Angeboten wollen, sind Hypotheken, Wertschriftengeschäfte und der Zahlungsverkehr (Überweisungen o. Ä.). Hypotheken und Wertschriftengeschäfte sind komplex und häufig beratungsintensiv. Hypotheken schliesst man nicht häufig im Leben ab, es sind einzelne, folgenreiche Geschäftsentscheide, die entsprechend vorbereitet werden sollten. Für viele gehört persönliche Beratung hier dazu.

Das Ergebnis beim Zahlungsverkehr ist eher überraschend, handelt es sich doch dabei meist um eine hochfrequente, weniger komplexe Dienstleistung. Jedoch gibt es auch Unterbereiche im Zahlungsverkehr, die komplexer sind, wie Geldwechsel in exotische Währungen oder Firmentransaktionen. Jedenfalls scheint es eine Minderheit zu geben, die nicht mit der digitalen Abwicklung zufrieden war, auch nicht nachdem sie diese ausprobierte. Auch im Bereich Zahlungsverkehr sollten Filialen damit relevant bleiben, wenngleich in geringeren Masse und stärker konzentriert auf bestimmte Kundensegmente (z.B. Ältere) und Unterbereiche (komplexe Transaktionen). Immerhin wollen zwei Drittel der Erstnutzer von digitalen Zahlungsverkehrslösungen zumindest teilweise digital bleiben, so dass der ohnehin schon sehr hohe Anteil der digitalen Bearbeitung im Zahlungsverkehr noch weiter zunehmen dürfte.

Nutzerprofile – wer ist überzeugt, wer ist enttäuscht?

 

Die überwiegende Mehrheit der arbeitenden Schweizer Bevölkerung hat bereits vor der Krise digitale Bankdienstleistungen genutzt – 84% –, davon die Hälfte allerdings nicht mehr als zwei der verschiedenen in der Umfrage abgefragten Dienstleistungen. 19% haben in der Krise zum ersten Mal eine Dienstleistung digital ausprobiert. Ein knappes Viertel hiervon (4.5% aller Befragten) haben überhaupt zum allerersten Mal digitale Bankdienstleistungen genutzt, hatten zuvor also nicht eine einzige in Anspruch genommen. Nur etwa ein Viertel der Erstnutzer hatte zuvor drei oder mehr Bankdienstleistungen digital genutzt. Es haben damit überwiegend digitale Neueinsteiger oder Wenignutzer digitale Services ausprobiert, nicht Vielnutzer.

Diejenigen, die mindestens eine Dienstleistung digital ausprobiert haben, sind dabei überwiegend männlich (61%), durchschnittlich jünger, besser gebildet und urbaner als der Landesdurchschnitt. Die Überzeugten, die nach dem Ausprobieren bevorzugt digitale Lösungen nutzen wollen, sind mit noch grösserer Mehrheit (68%) Männer, noch urbaner und jünger, allerdings mit durchschnittlich etwas geringerem Bildungsgrad. Die Enttäuschten, die nach dem Ausprobieren wieder bevorzugt nicht-digitale Lösungen suchen, sind zu fast gleichen Teilen männlich und weiblich, urban, grösstenteils mittleren Alters (30-50 Jahre) und mit deutlich höherem durchschnittlichem Bildungsgrad. Da der Bildungsgrad mit dem Einkommen korreliert und in der mittleren Lebensphase häufig komplexere Bankgeschäfte, wie etwa Hypotheken, getätigt werden, kann es gut sein, dass diese Zielgruppe von den stärkeren Beratungs- und Individualisierungsmöglichkeiten von nicht-digitalen Lösungen profitieren will. Sie stellen zwar nur eine Minderheit der befragten Kunden, sind aber aufgrund ihres höheren Einkommens eine durchaus interessante Zielgruppe für Banken.

Chancen und Herausforderungen für Retailbanken

 

«Never let a good crisis go to waste» ist ein etwas gefühlloser und doch nicht falscher Ausspruch (oft Winston Churchill zugeschrieben). Retailbanken bietet diese Krise eine Gelegenheit, ihre digitalen Dienstleistungen auszubauen und so Kosten zu sparen und das Kundenerlebnis zu verbessern. Gerade weil digitale Challengerbanken, aber auch etablierte Banken für zunehmende Konkurrenz und Innovation in der Schweiz sorgen, bietet sich hier die Chance für Retailbanken, ihre Kunden von den eigenen Lösungen zu überzeugen und die digitale Reichweite unter der eigenen Kundenbasis zu erhöhen. Banken, die sich bereits vor der Corona-Krise intensiv mit dem digitalen Kanal auseinandergesetzt haben, konnten während den letzten Wochen wertvolle Erfahrungen zur Optimierung der digitalen Interaktion sammeln. Diese gilt es nun umzusetzen.

Da die überwiegende Mehrheit der Befragten plant, auch nach der Krise die erstmals digital ausprobierten Bankdienstleistungen mindestens teilweise weiterhin digital zu erledigen, scheint Retailbanken dies mehrheitlich zu gelingen. Ihre Kunden sind mehrheitlich so zufrieden mit dem digitalen Angebot, dass sie dieses auch weiterhin nutzen wollen.

Gerade bei komplexeren Dienstleistungen gibt es aber noch Nachholbedarf, die digitale Verbleibquote ist hier geringer. Hier bieten sich Hybridlösungen an, beispielsweise digitale Informationen und Verwaltung in Kombination mit nicht-digitaler Beratung.

Dies ist eine gute Gelegenheit Einsparungen im Volumengeschäft zu realisieren und gleichzeitig für einkommensstärkere Kundensegmente beratungsintensive Hybridlösungen anzubieten. Die digitalen und nicht-digitalen Elemente solcher hybriden Lösungen müssen nahtlos ineinandergreifen. Retailbanken könnten sich so von rein digitalen Challengerbanken abheben und gerade für einkommensstärkere Kunden, die komplexere oder individuellere Geschäfte tätigen möchten, echten Mehrwert liefern.

Von Deloitte Mitte April 2020 durchgeführte repräsentative Umfrage von 1'500 in der Schweiz lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter.

 

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