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Die SBVg Richtlinie zum Thema Energieeffizienz bei Hypotheken

Eine Standorteinschätzung 180 Tage bis Inkraftsetzung

Mit der Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung SBVg zur Förderung der Energieeffizienz bei Hypotheken wurde das Thema ESG bei Finanzierungen schlagartig ins Rampenlicht gerückt. Obschon die Regelungen im Umfang noch limitiert sind, stellen sie die Banken in der Schweiz vor Herausforderungen. Vieles deutet zudem darauf hin, dass sowohl Kriterien als auch Umfang in Zukunft erweitert werden. Banken sind demnach gut beraten, ihr Betriebsmodell im Kreditgeschäft nicht nur kurzfristig, sondern strategisch und nachhaltig zu adjustieren.

ESG-Kriterien auf der Finanzierungsseite in der Schweiz ein Novum

 

Mit dem Pariser Übereinkommen hat sich die Schweiz zum Ziel gesetzt,
Treibhausgase gegenüber 1990 bis 2030 um 50% zu senken. Dies stellt jedoch nur einen Zwischenschritt bis zum Netto-Null-Ziel für 2050 dar.Trotz deutlicher Fortschritte hat die Schweiz ihre Ziele für 2020 knapp verfehlt.2

Gebäude haben mit ~25% einen wesentlichen Anteil an den Emissionen von Treibhausgasen und mit ~45% einen noch höheren Anteil am Energieverbrauch.3,4 Der grösste Teil des Energieverbrauchs entfällt dabei auf die Wärmeversorgung (68%), welche oftmals noch durch fossile Brennstoffe wie Erdgas und Erdöl gedeckt wird.5 Um die Klimaziele zu erreichen werden zwangsläufig energetische Sanierungen benötigt, jedoch ist die Sanierungsquote in der Schweiz mit 0,9% immer noch deutlich zu tief, obwohl mit der CO2-Abgabe und dem Gebäudeprogramm zur Förderung der energetischen Sanierung Anreize zur Sanierung bestehen.6 Dies lässt den Schluss zu, dass es sich eher um ein «Informationsproblem» auf Kundenseite handelt. Es erstaunt somit wenig, dass Hypotheken und deren Anbieter zunehmend in den Fokus der Regulatoren rücken, haben sie doch sowohl mit neuen als auch bestehenden Immobilienbesitzer regelmässig Kontakt und können so auch Themen wie Nachhaltigkeit mit den Kunden diskutieren. Doch während es in der EU bereits klare Regelungen bezüglich des Umgangs mit potenziellen Klimarisiken durch Finanzierungen gibt (EBA/GL/2020/06, 4.3.5 und 4.3.6), beschränkte sich die Schweiz bisher auf die Offenlegung klimabezogener Finanzrisiken – dies auch nur für Kategorie 1 und 2 Banken (FINMA RS 2016/01). Aber auch in der Politik und auf Kundenseite nimmt das Thema Nachhaltigkeit an Wichtigkeit zu, unter anderem befeuert durch die UBS / CS Debatte. So wurde mit deutlicher Mehrheit von 59.1% eine Vorlage über Ziele im Klimaschutz, der Innovation und der Stärkung der Energiesicherheit in einer Volksabstimmung am 18. Juni 2023 angenommen, welche den (regulatorischen) Druck weiter erhöhen dürfte. Mit der SBA Selbstregulierung «Richtlinien für Anbieter von Hypotheken zur Förderung der Energieeffizienz» die per 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, gibt es nun in der Schweiz zum ersten Mal ESG-bezogene Anforderungen in der Kreditvergabe, die es für Banken notwendig macht, das Thema Energieeffizienz von Gebäuden mit Kunden bei der Finanzierung zu thematisieren. 7,8

Trotz engem Geltungsbereich zahlreiche Herausforderungen für Banken

 

Betreffend Umfang der Richtlinie ist festzuhalten, dass es zwei Einschränkungen gibt. Zum einen handelt es sich um eine freie Selbstregulierung der Bankiervereinigung (SBVg).9 Im Unterschied zu anderen Selbstregulierungen (z.B. VSB 20) ist die Richtlinie somit nur für SBVg Mitgliedsinstitute verbindlich. Somit sind beispielweise die Raiffeisenbanken trotz hohem Anteil am Hypothekarvolumen (~17% in 2022), sowie Versicherungen und Pensionskassen (~5% Marktanteil in 2022) nicht direkt von der Richtlinie betroffen.10 Neben dieser Institutsbeschränkung gibt es auch objektbezogene Einschränkungen. So fallen ausschliesslich selbstbewohnte Einfamilien- und Ferienhäuser in den Geltungsbereich. Nichtsdestotrotz sind die neuen Vorgaben umfassend genug, um Banken vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen zu stellen - auch weil die Richtlinie ebenfalls für bestehende Finanzierung gilt. Es lassen sich 5 Hauptthemengebiete zusammenfassen (siehe Abbildung 1 für den detaillierten Inhalt pro Kapitel):

  1. Informationsbereitstellung (Art. 5)
  2. Kundenberatung (Art. 2 i.V.m. Art. 5)
  3. Konditionen (Art. 3)
  4. Daten (Art. 4)
  5. Aus- und Weiterbildung (Art. 6)

Mit Ausnahme des Themenkomplexes ‘Konditionen’ sind die Anforderungen zwingender Natur, d.h. die Mitgliedsinstitute müssen diese angemessen umsetzen. Die Umsetzung ist deshalb komplex, weil die Richtlinie einerseits eher prinzipienbasierte Anforderungen enthält (und damit Interpretationsspielraum lässt) und andererseits neben der eigentlichen Beratung noch weitere Themen abdeckt, die Auswirkungen auf den Gesamtprozess haben (z.B. Erfassung von Daten zur Energieeffizienz). Abbildung 1 zeigt eine Übersicht der wesentlichen Inhalte, sowie ausgewählter Herausforderungen bei der Umsetzung in Zusammenhang mit den jeweiligen Themen.

Es erstaunt somit wenig, dass Schweizer Banken unterschiedlich weit sind mit der Umsetzung, zumal eine Übergangsfrist bis 01.01.2024 gilt. Banken sind jedoch gut beraten, so rasch wie möglich Klarheit zu schaffen, was bis Ende 2023 angepasst werden muss – tun sie dies nicht, laufen sie Gefahr kurz vor Ablauf der Frist viele taktische Behelfsmassnahmen umsetzen zu müssen die u.a. der Konkurrenzfähigkeit schaden. In einer Zwischenauswertung der exklusiven Deloitte Hypotheken Survey per Anfang Juni (siehe Abbildung 2) gaben rund 88% der Institute an, das Thema ESG in das Beratungsgespräch bereits integriert zu haben. Bei weitergehenden Massnahmen zeigt sich jedoch ein deutlich differenzierteres Bild. Nur rund 21% der Teilnehmer verwenden ESG als Kriterium bei der Immobilienbewertung (zwecks Mark-up / Write-down) oder nur 33% haben Sonderkonditionen für Häuser mit gutem Öko-Score. Demgegenüber planen 25% der Teilnehmer KPI-Ziele im Zusammenhang mit ESG für ihr Hypothekarportfolio zu definieren bzw. 42% Kundeanreize für ESG Rennovationen per 2024 einzuführen.

Chance nutzen, um Kreditbetriebsmodelle nachhaltig zu optimieren

 

Zur Umsetzung der neuen Richtlinien können Banken zwar auf einzelne taktische Massnahmen setzen (z.B. manuelle Erfassung der Zertifikate und Labels in Kundendossier, Factsheets/Verlinkung von Förderprogrammen), doch dürfte dies zu kurz greifen, um den sich verändernden regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Wie eingangs erwähnt, gehen Bestimmungen in anderen Märkten teilweise deutlich weiter als in der Schweiz. So übernimmt der am 26. September 2022 publizierte Entwurf der 7. MaRisk Novelle Teile das bisherigen BaFin-Merkblatts zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, z.B. Anpassung von Kreditrisikostrategie und -appetit unter Berücksichtigung von ESG Risiken, sowie ESG-Risikomessung auf Ebene der Portfolios. Die Anpassung bedeutet ebenfalls, dass die Anforderungen somit prüfungspflichtig sind. Dies ist bei der neuen SBVg Richtlinie aktuell nicht der Fall, aber es ist durchaus denkbar, dass die FINMA in den kommenden Jahren einen ähnlichen Schritt unternimmt. Ebenfalls zu erwarten ist, dass der Geltungsbereich hinsichtlich der Objekte erweitert wird (z.B. Renditeliegenschaften). Nicht zuletzt ist ebenfalls klar, dass sich die Schweiz dem internationalen Trend zur besseren Messung und Rapportierung von Klimarisiken nicht entziehen kann. Banken sind somit gut beraten die mit der SBVg Richtlinie verbundenen Änderungen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Es bietet sich auch an, das Momentum zu nutzen, um das Kreditgeschäft strategisch ganzheitlich besser auf die zukünftigen Herausforderungen auszurichten, z.B. bezüglich des zukünftigen Betriebsmodells (siehe dazu z.B. auch https://blogs.deloitte.ch/banking/2021/03/strategic-trends-and-implications-for-bank-operating-models.html). Es gibt bereits Beispiele im Markt von Banken mit innovativen und ganzheitlichen Lösung wie home2050, eine Kooperation zwischen Kantonalbank und dem führenden Energieanbieter im Kanton, welche unter anderem eine Lösung zur Potentialeinschätzung, Finanzierung und Installation einer Solaranlage und dem dazugehörenden Energiesystem bietet.

Für das weitere Vorgehen sollten sich Banken unter anderem folgende fünf zentrale Fragen konkret stellen

  1. Welche Lücken bestehen noch zu den SBVg Anforderungen?
  2. Mit welchen kurz-, mittel und langfristigen Massnahmen lassen sich diese Lücken schliessen?
  3. Welche weiteren Initiativen/Projekte, können die Umsetzung der Richtlinie tangieren bzw. wo lassen sich Synergien nutzen?
  4. Wollen wir eine rein taktische Umsetzung, um Compliance sicherzustellen, oder nutzen wir das Momentum für eine ganzheitliche und zukunftsgerichtete Transformation des Kreditgeschäfts?
  5. Setzen wir die Anforderungen selbst um, oder arbeiten wir mit einem externen Partner zusammen?

1 https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/emissionsverminderung/verminderungsziele.html
2 https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/emissionsverminderung/zielerreichung/ziel-2020.html
3 Bundesamt für Umwelt [BAFU] – CO2-Statistik (2022)
4 Bundesamt für Energie [BFE] – Analyse des schweizerischen Energieverbrauchs 2000-2020 nach Verwendungszwecken (2021)
5 Der Bundesrat – Langfristige Klimastrategie der Schweiz (2021)
6 https://www.sia.ch/de/politik/energie/modernisierung-gebaeudepark/
7 Anforderungen sind nur verbindlich für SBA Mitgliedsbanken
8 Für die Anpassung der bankinternen Prozesse gilt eine Übergangsfrist bis 01.01.2024
9 Vgl. https://www.swissbanking.ch/de/themen/regulierung-compliance/selbstregulierung
10 Marktanteile basierend auf eigenen Berechnungen mit Daten der SNB, sowie der FINMA

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