Sie war 19 Jahre lang bei Schneider Electric in verschiedenen Managementfunktionen tätig. Danach war sie über 10 Jahre Chief Financial Officer von KBA-NotaSys, wo sie als Mitglied der Geschäftsleitung ebenfalls die Bereiche IT, Personal und Infrastrukture leitete. Leyre hat einen Master in Betriebswirtschaftslehre und einen MBA.
Deloitte: Welche langfristigen Veränderungen bringt die Pandemie Ihrer Meinung nach für die künftige Rolle der CFOs mit sich? Gibt es derzeit eine gravierende Veränderung, mit der Sie vor zwei Jahren nicht gerechnet hätten?
Nicole Leyre: In der Luftfahrtbranche gab es in der Vergangenheit bereits volatile Phasen, aber mit der Corona-Pandemie erlebten wir eine noch nie da gewesene Unbeständigkeit. Diese Krise war ein absoluter Härtetest für die Branche. Aus finanzpolitischer Sicht gab es keine vorgefertigten Lösungen, um diese Krise zu überstehen. Deshalb waren wir gezwungen, anders als üblich vorzugehen. Wir mussten unsere Flexibilität und Widerstandsfähigkeit ausbauen, indem wir mehrere denkbare Szenarien durchspielten und nach diesen verschiedenen Szenarien und Annahmen planten. Dank einer guten Portion an Kreativität und einer agilen Unternehmensführung gelang es uns, schnell Lösungen zu finden.
«Um Klarheit in eine Welt zu bringen, in der es keine gibt, bedarf es verschiedener Szenarien und Annahmen, damit die Krise bestmöglich bewältigt werden kann.»
Auch heute ist die Lage des Luftfahrtsektors noch sehr instabil, wobei es sich jedoch um eine globale Herausforderung für unsere gesamte Branche handelt. Sie zeigt uns, wie wichtig es ist, die Digitalisierung weiter voranzutreiben, damit wir flexibler werden. Nur so können wir das Angebot und die Kosten jederzeit an die Nachfrage anpassen.
Deloitte: Welche Anpassungsmassnahmen im Bereich der Unternehmensführung mussten Sie während der Corona-Krise ergreifen?
Nicole Leyre: Während der Pandemie arbeitete Skyguide direkt mit der Eidgenössischen Finanzverwaltung zusammen. Wir standen in häufigem und offenem Austausch mit unserem Aktionär, sodass wir einen Antrag auf Refinanzierung ausarbeiten konnten, der auf diese noch nie da gewesene Situation zugeschnitten war. Im Laufe der Gespräche setzten wir auf Transparenz und die Darlegung realistischer Szenarien. Dabei wollten wir uns nicht auf allzu pessimistische Aussichten festlegen, die zu einer Überfinanzierung hätten führen können. Dank des guten gegenseitigen Vertrauensverhältnisses mit unserem Aktionär sind wir sicher, dass wir den Finanzierungsbedarf bei einer weiteren Verschlechterung der Lage kurzfristig neu bewerten können.
«Das Vertrauen der Aktionäre während der Pandemie war ein entscheidender Faktor. Die Krise hat die Geschäftsbeziehung zu unserem Aktionär sogar gestärkt.»
Deloitte: Welche Rolle wird die Finanzfunktion Ihrer Meinung nach in Zukunft spielen? Und welche Bedeutung haben die Technologie und soziale Aspekte wie die Unternehmenskultur für diesen Wandel?
Nicole Leyre: Durch die Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig die Technologie für die Digitalisierung ist. Dies hat den bei Skyguide bereits vorher eingeleiteten Digitalisierungsprozess schliesslich vorangetrieben. Nur mit der richtigen Technologie sind die Digitalisierung und die Weiterentwicklung der Finanzfunktion möglich. Gleichzeitig ist aber auch der menschliche Faktor und vor allem die Einstellung der Teams zentral in einer Transformationsphase. Mit Blick in die nähere Zukunft kommt es bei Skyguide jetzt darauf an, die Agilität bei Prognosen und Kontrollmassnahmen durch fortlaufende Analysen zu steigern.
«Die Finanzfunktion hat ihre bisherige Rolle als ‹Zahlenknecht› abgelegt: Inzwischen ist sie ein für den Geschäftsbetrieb wichtiger ‹Partner› innerhalb des Unternehmens.»
Deloitte: Wie weit ist die Digitalisierung der Flugsicherungssysteme fortgeschritten? Welches Potenzial bietet sie Ihrer Meinung nach und wie hat sie sich verändert?
Nicole Leyre: Die Digitalisierung ist in der Luftfahrtbranche längst angekommen. 2016 führten wir beispielsweise das «Stripless»-System ein (ein Strip war ein Papier-Kontrollstreifen, den Fluglotsen zur Aufzeichnung der Kommunikation mit den Piloten verwendeten), wobei der Strip durch eine digitale Lösung ersetzt wurde. Mit «Virtual Centre» vollziehen wir einen Richtungswechsel, indem wir das Konzept der «Location Independence» einführen. Zum ersten Mal wird es möglich sein die Verwaltung eines Luftraumes unabhängig vom Standort der Flugsicherung zu erfolgen. Skyguide übernimmt damit eine Vorreiterrolle bei der Einführung des «Single European Sky». In unserer Branche ist Sicherheit das A und O. Deswegen können neue Technologien nur dann eingeführt werden, wenn die Sicherheit bei deren Nutzung gewährleistet ist – und genau das streben wir mit der Implementierung von «Virtual Centre» an.
Deloitte: Nachhaltigkeit spielt auch für Skyguide eine immer wichtigere Rolle. Inwiefern kann Skyguide dazu beitragen, den Luftverkehr nachhaltiger zu gestalten, und wie können Sie als CFO die Nachhaltigkeitsstrategie Ihres Unternehmens unterstützen?
Nicole Leyre: Für Skyguide umfasst das Thema Nachhaltigkeit mehrere Aspekte. Wir müssen als Unternehmen alle notwendigen Massnahmen ergreifen, um unseren CO2-Fussabdruck zu verringern. Dazu sind erhebliche Investitionen unumgänglich. Der finanzielle Nutzen dieser Investitionen für mehr Nachhaltigkeit, wenn er nach den üblichen Bewertungsmethoden berechnet wird, ist oft negativ. Dabei ist es die Aufgabe des CFO, solche Investitionen nicht grundsätzlich abzulehnen. Bei der Bewertung von Investitionsprojekten müssen auch Nachhaltigkeitsaspekte einbezogen werden. Nur so lassen sich alle Kosten und Vorteile berücksichtigen und eine Verbindung zwischen dem finanziellen und dem ökologischen Nutzen herstellen.