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Interview mit Markus Gisler - Präsident CFO Forum und Institutsleiter IFZ

Prof. Dr. Markus Gisler, Präsident CFO Forum und Institutsleiter IFZ

Prof. Dr. Markus Gisler ist Präsident des CFO Forums Schweiz, der grössten Vereinigung von CFOs in der Schweiz.

Nach der Ausbildung zum diplomierten Wirtschaftsprüfer war er 16 Jahre bei der DKSH Gruppe tätig, davon acht Jahre als Finanzchef in verschiedenen Ländern in Asien. 2013 wechselte er als vollamtlicher Dozent und Projektleiter ans Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern. Seit dem 1. Juli 2019 ist er Institutsleiter des IFZ.

Deloitte: Welche Rolle wird die Finanzfunktion Ihrer Meinung nach in Zukunft spielen?

Markus Gisler: Die Rolle der Finanzfunktion, Rechenschaft über abgelaufene Perioden abzulegen, bleibt wichtig. Eine grössere Bedeutung erhält die Rolle, das Unternehmen zu steuern. Geschäftsleitung, Verwaltungsrat, Eigentümer und aussenstehende Dritte verlangen immer mehr Informationen, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickelt, was für Risiken es bedrohen, welche Chancen sich dem Unternehmen eröffnen. Diese Steuerungsrolle beschränkt sich nicht auf operative Entscheide, sondern greift darüber hinaus.

Deloitte: Können Sie uns erklären, wo hinein die Steuerungsrolle greift?

Markus Gisler: Die Finanzabteilung wird auch in Unternehmen, wo das heute noch nicht der Fall ist, in Strategieprozesse, in Strategieüberprüfungen und -anpassungen einbezogen. Für strategische Entscheide braucht es aber künftig mehr als nur finanzielle Informationen. Die Breite und Tiefe von Diskussionen, die ich mit CFOs über die Nachhaltigkeitsberichterstattung führe, ist ein starker Indikator, dass die Finanzfunktion den Blick über die Finanzdaten hinauswerfen muss.

Deloitte: Und welche Bedeutung hat die Technologie?

Markus Gisler: Die Finanzbereiche nutzen schon viele Jahrzehnte Technologien. Sie sind enge Begleiter der Finanzfunktion. Ohne ERP-Systeme, Software- und Kommunikationslösungen, ja die ganze Digitalisierung ist die heutige Finanzfunktion nicht mehr vorstellbar. Ich bin überzeugt, dass weitere, neue Technologien in den kommenden Jahren und Jahrzehnten die Finanzabteilungen prägen und weiterentwickeln werden. Ich denke da an Roboter, die Prozesse automatisieren (RPA), intelligente Automatisierung, Hyperautomation, Natural Language Processing, Cloud Computing bis hin zu Anwendungen der künstlichen Intelligenz.

Deloitte: Was bedeutet dieser Wandel für soziale Aspekte wie die Unternehmenskultur von Finanzabteilungen?

Markus Gisler: Allein schon aus dem Technologieumfeld kommt vieles auf die Finanzfunktion zu. Sie ist gezwungen, sich zu wandeln. Damit wird sie stärker als früher im Umgang mit weichen Faktoren gefordert und muss sich Fragen stellen wie zum Beispiel: Wie gehen wir als stabilitätsfokussierte Abteilung mit Veränderungen um? Wie können wir gleichzeitig Stabilität vermitteln und offen sein für Neues? Wie balancieren wir die beiden gegensätzlichen Ansprüche am besten?

Deloitte: Zentral für die Finanzfunktion sind natürlich die Mitarbeitenden. Wie sieht es hier mit den kommenden Fach- und Führungskräften aus, in der Aus- und Weiterbildung, mit ihren Interessen und Werten?

Markus Gisler: Bei dieser Frage gilt es, Aus- und Weiterbildung gesondert zu betrachten. Weiterbildungsprogramme nehmen neue Kompetenzanforderungen der Wirtschaft an Mitarbeitende sehr rasch und flexibel auf. Fachhochschulen beispielsweise bauen neue Kompetenzen in ihre Programme ein oder bieten neue Angebote an. Mitarbeitende, die sich fortlaufend weiterbilden und à jour halten, bleiben so auf der Höhe der Zeit. Sie erweitern ihre Kompetenzen kontinuierlich. Unternehmen, die in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren, erarbeiten sich einen Wettbewerbsvorteil.

Die Ausbildung von künftigen Finanzspezialistinnen und -spezialisten, z.B. in Form von Bachelor- oder Masterabschlüssen, ist stärker formalisiert als die Weiterbildung. Sie reagiert dadurch träger auf Umweltveränderungen. Aber auch sie passt sich Schritt für Schritt den geänderten Bedürfnissen an. So werden die für die Finanzfunktion wichtigen Basiskompetenzen wie das finanzielle und betriebliche Rechnungswesen oder das Risikomanagement durch neue Kompetenzen erweitert. Studentinnen und Studenten lernen heute kompetent mit Daten und ERP-Systemen umzugehen. Diese Digitalisierungskompetenz wird immer mehr ergänzt durch Kompetenzen in Fragen der Nachhaltigkeit. Die künftigen Fach- und Führungskräfte im Finanzbereich erhalten schon heute das notwendige Rüstzeug, um die in den kommenden Jahren auf sie und ihre Unternehmen zukommenden Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit angehen und Lösungen vorschlagen zu können.

Deloitte: Der Fachkräftemangel wird zum Beispiel in der CFO-Umfrage oft als eines der grössten Unternehmensrisiken genannt. Bilden wir genügend Fachkräfte für die Finanzfunktion in der Schweiz aus?

Markus Gisler: Wir bilden bei uns am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ alle an einer Finanzfunktion interessierten Personen aus, die die Eintrittsanforderungen erfüllen und diesen Weg beschreiten wollen. Wer die Prüfungen besteht, erhält einen angesehenen Ausbildungsabschluss im Finanzbereich. Wir stellen aber fest, dass weniger junge Menschen eine Ausbildung für eine klassische Finanzfunktion anstreben als früher. Dies hat mit der grösseren Auswahl an Ausbildungslehrgängen, mit der Demografie und mit dem Wirtschaftszyklus zu tun.

Aus Sicht der Unternehmen wäre es natürlich erwünscht, so viele Fachkräfte wie möglich auszubilden. Dies erweitert den Kandidierendenpool für offene Stellen und wirkt Lohnsteigerungen entgegen. Deshalb mein Aufruf an Unternehmen: fördert aktiv Weiterbildungsmassnahmen Eurer Mitarbeitenden. Damit vergrössert Ihr Euren Pool an hoch qualifizierten Finanzfachleuten und Ihr verbessert gleichzeitig Eure Wettbewerbsposition auf dem Stellenmarkt.

Deloitte: Die Zinswende ist da. Und mit ihr ist der langfristige Zinsbonus der Schweiz zurück, niedrigere (positive) Zinsen als im Ausland. Was bedeutet das für die Unternehmensfinanzierung in der Schweiz? Sind Unternehmen gut auf die Zinswende vorbereitet gewesen?

Markus Gisler: Vom betrieblichen Rechnungswesen her wissen wir um die Bedeutung des Zinses zur Einschätzung, welche von zwei Investitionen lohnender ist. Während der langen Phase von Zinsen nahe bei Null ist diese Informationsfunktion beinahe irrelevant geworden. Der Rentabilität einer Investition wurde nicht immer genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Auch Projekte mit einer schlechten Rendite liessen sich immer noch finanzieren.

Die Situation hat sich gedreht: die Zinswende trennt die Spreu vom Weizen. Sie zeigt, welche Unternehmen besser auf die Zinswende vorbereitet sind. Projekte und Unternehmen, die in den letzten Jahren knapp über die Runden kamen, werden mit steigenden Zinsen zunehmende Schwierigkeiten haben, ihre Zinsen zu verdienen, zu bezahlen bzw. sich finanzieren zu können. Unternehmen, die trotz tiefer Zinsen nie davon abgerückt sind, die klassischen finanziellen Grundsätze zu beachten und auf einer hohen Rentabilität ihrer Projekte zu beharren, werden künftig wieder im Vorteil sein, so wie es eigentlich sein sollte. Aus einzel- und gesamtwirtschaftlicher Sicht ist dies eine gute Nachricht.

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