Der gebürtige Österreicher startet nach einem Wirtschaftstudium seine berufliche Laufbahn 1996 bei der Kühne + Nagel-Landesgesellschaft in Wien. Im Finanzbereich hatte er Kaderpositionen u. a. in Asien, Europa und Nordamerika sowie seit 2009 auf Corporate Ebene inne und sammelte vielfältige Managementerfahrungen bei der Integration von Firmenzukäufen und der Standardisierung der weltweiten Finanz- und Controlling-Prozesse. Er wurde am CFO Day 2021 mit dem CFO-of-the-Year-Award für seine Leistungen ausgezeichnet.
Deloitte: Welche bleibenden Änderungen, denken Sie, bringt die Pandemie für die zukünftige Rolle der CFOs?
Markus Blanka-Graff: Flexibilität des Geschäftsmodells und Variabilität der Kosten werden einen noch grösseren Stellenwert in der Geschäftsführung einnehmen. Auch eine solide Bilanz und Unabhängigkeit bei Finanzentscheidungen werden an Bedeutung gewinnen. CFOs werden vermehrt dafür kämpfen müssen, auch wenn kurzfristige Ziele dem entgegenstehen könnten.
Deloitte: Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. Wo können Sie als CFO Ihrem Unternehmen hier besonders helfen?
Markus Blanka-Graff: Nachhaltigkeit ist ja keine «Zusatzaufgabe», sondern Kernbestandteil des Geschäfts. Auch hier gilt es als CFO die langfristigen Ziele gegenüber den kurzfristigen abzuwägen und das Unternehmen mitzugestalten, um es auf eine individuell aber auch gesellschaftlich breite Basis stellen zu können. Dazu gehören alle Elemente der Nachhaltigkeit.
Deloitte: Wo sehen Sie die nächsten grossen Chancen in der Digitalisierung, wo vielleicht Grenzen?
Markus Blanka-Graff: Die Digitalisierung wird weiter fortschreiten: bei repetitiven Aufgaben und standardisierten Prozessen sowie bei der Unterstützung – gegebenfalls auch durch KI – der Entscheidungsfindung, um Vorschläge zu erarbeiten. Die Grenzen sind da, wo Arbeit geleistet werden muss, die unternehmerische und operative Steuerungsaufgaben beinhaltet. Gerade jetzt, in Zeiten wo Lieferketten unter enormer Spannung stehen, sind menschliche Kreativität und Kommunikation gefragt.
Deloitte: In der aktuellen CFO-Umfrage werden Lieferkettenprobleme von vielen als derzeit grösstes Risiko gesehen. Für wie schwerwiegend halten Sie diese und wie gehen Sie damit um?
Markus Blanka-Graff: Die Lieferkettenproblematik ist durch ein Aufschaukeln von Reibungspunkten in der Kette entstanden. Die meisten Reibungspunkte bestehen seit vielen Jahren und Jahrzehnten und wurden hervorgerufen von den latenten Interessenkonflikten der Eigentümer von Sachanlagen, welche in einer Lieferkette benötigt werden. Ein Beispiel: der Reeder möchte immer modernere, grössere Schiffe, wegen der Effizienz, der Kosten und auch der besseren Umweltbilanz. Dafür muss der Hafen aber längere Quais und tiefere Hafenbecken sowie leistungsfähigere Krananlagen bauen. Der Hafenbetreiber sollte dann möglichst 24/7 arbeiten, dafür muss aber der Bahnanschluss ausgebaut werden, müssen LKWs, Auflieger und Fahrer nicht nur in ausreichender Zahl verfügbar, sondern auch genau getaktet sein. Strassen, die von den Häfen wegführen, müssen diesem Ansturm standhalten. Regulatoren führen darüber hinaus zusätzliche Kontrollschritte ein. Jeder einzelne Teilnehmer des Systems agiert aus guten und richtigen Gründen, nur nicht koordiniert mit den anderen Teilnehmern. In der Pandemie ist nun das System in sehr kurzer Zeit fast zum Erliegen gekommen, weil erst keine Kapazitäten vorhanden waren und es anschliessend von einer Nachfragewelle durch den eCommerce getroffen wurde. Wobei diese Dynamik regional sehr unterschiedlich ausgefallen ist und sich besonders in den USA bemerkbar gemacht hat. Dadurch ist dieses System in eine erhebliche Schieflage gekommen. Die zusätzlichen Vorkommnisse, wie die Blockade im Suezkanal haben die Situation noch zusätzlich verschlimmert. Wir versuchen, unseren Kunden unter diesen Umständen den bestmöglichen Service zu bieten, das heisst aber leider nicht, dass alle damit zufrieden sind. Wenn ihre Ware für mehrere Wochen in einem Teil der Kette stecken bleibt, und die Preise sich vervielfacht haben, dann führt das zu Frustration. Wir versuchen unsere Mitarbeiter so gut wir können dabei zu unterstützen mit diesen Belastungen umzugehen, aber es ist schwierig.
Deloitte: In der CFO-Umfrage gehen die meisten CFOs von steigenden Umsätzen aus. Wie sehen Sie die Chancen Ihres Unternehmens im laufenden und im nächsten Jahr?
Markus Blanka-Graff: Der Umsatz ist für uns weniger aussagekräftig; der Bruttonutzen ist die aussagekräftigere Messgrösse und der ist im Jahr 2021 stark angestiegen. Grund dafür sind einerseits die wieder kräftig zunehmenden Volumina, andererseits die Marktdynamik, die charakterisiert ist durch Kapazitätsknappheit und dem enorm gestiegenen Aufwand, die Sendungen mit all den Erschwernissen durch die Lieferketten zu begleiten und den Kunden unter den gegebenen Umständen den besten Service anbieten zu können.