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Interview mit Isidoro Geretto - CFO von Kempinski Hotels

Isidoro Geretto, Chief Financial Officer von Kempinski Hotels

Isidoro Geretto verfügt über bedeutende Finanzexpertise in der Luxushotellerie und kann auf eine lange Erfolgsbilanz bei der Strukturierung und Führung von Finanzprozessen auf Unternehmens-, Betriebs- und Immobilienebene zurückblicken.

Mit seiner Erfahrung in der Hotelbranche, seiner Führungsstärke und seinem Bestreben, bei der Leitung der Finanzgeschäfte der Kempinski Hotels Spitzenleistungen zu erbringen, leistet Isidoro Geretto einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Luxushotelgruppe mit Hauptsitz in Europa. Bei der Entwicklung und Umsetzung der Strategie steht das langfristige profitable Wachstum des Unternehmens im Vordergrund.

Geretto kam 2019 als Vice President Finance Middle East & Africa zu Kempinski und wurde im Jahr 2020 zum kommissarischen Finanzvorstand ernannt. Er war massgeblich daran beteiligt, während der COVID-19-Pandemie die Geschäftskontinuität sicherzustellen und hat die Finanzen der Gruppe erfolgreich gesteuert. Im September 2021 beschloss der Aufsichtsrat eine frühzeitige Verlängerung seines Mandats und bestätigte seine Position als Chief Financial Officer der Kempinski Group.

Bevor er zum Unternehmen kam, war Isidoro Geretto weltweit in verschiedenen Führungspositionen in der Hotelbranche tätig. Als Vice President Finance bei Fairmont Raffles Hotels International war er für die EMEA- und Asien-Region zuständig und leitete die europäischen Finanzteams des Unternehmens. Darüber hinaus war er Vice President Finance der Swissôtel Hotels & Resorts.

Isidoro Geretto ist Schweizer Staatsangehöriger und absolvierte seine Ausbildung in den Bereichen Finanzen und Wirtschaft in der Schweiz und im Vereinigten Königreich.

Deloitte: Wie stark ist der von der Reisebranche erhoffte Rebound-Effekt nachdem die COVID-Lockdowns in den meisten Teilen der Welt zu Ende gehen, und inwieweit könnte sich dies im nächsten Jahr weiterhin positiv auswirken?

Isidoro Geretto: Während der COVID-Pandemie verhängten die meisten Regierungen ihren Bürgern schwere Mobilitätsbeschränkungen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und eine Überlastung der Kapazitäten des Gesundheitssektors und der Intensivbetten zu vermeiden. Diese Massnahmen waren absolut notwendig, aber sie haben die Reisebranche hart getroffen. Zum Glück haben viele europäische Regierungen eine Reihe von Unterstützungsprogrammen verabschiedet, von denen die Reisebranche, einschliesslich Kempinski Hotels, profitieren konnte.

Nachdem die Restriktionen aufgehoben wurden, wollten die Menschen sich treffen, auswärts essen gehen und reisen, all jene Aktivitäten geniessen, die eine Zeit lang nicht möglich gewesen waren. Zwischen den einzelnen COVID-Wellen war stets ein gewisser Anstieg der Freizeitreisen zu verzeichnen gewesen, aber jetzt, wo das Schlimmste vorbei zu sein scheint, ist die Nachfrage schnell und kräftig zurückgekehrt.

Während der Pandemie sind unsere Preise relativ stabil geblieben, und als die Nachfrage wieder stark anstieg, konnten wir die Preise anheben. Die Preissteigerungen werden aber nun teilweise durch die Inflation und die höheren Kosten für Arbeit, Lebensmittel und Energie aufgehoben.

Wir sind fast wieder auf dem Stand vor der COVID-19-Pandemie. Bemerkenswert ist, dass dies erreicht wurde, obwohl zwei sehr wichtige Elemente von vor der Pandemie noch immer fehlen:

  • Reisende aus China, die im Jahr 2019 einen grossen Teil der Reisenden ausmachten. Unsere Kunden, die zu Freizeitzwecken reisen, sind in der Regel weniger stark von steigenden Energiepreisen und der Inflation betroffen.
  • Geschäftsreisende und das MICE-Geschäft (Meetings, Incentive, Conventions and Events) reagieren empfindlicher auf Inflation und steigende Zinsen. Daher kann es länger dauern, bis sich diese Segmente vollständig erholen.

Privatsphäre, viel Platz und Sicherheit gehören derzeit zu den gefragtesten Merkmalen auf Reisen. Bei Kempinski erwarten wir daher in den kommenden Jahren ein deutliches Wachstum, vor allem, wenn Reisende aus China und Geschäftsreisende wieder voll in den Markt einsteigen.
 

Deloitte: Wie können CFOs die extrem instabile Situation im Moment steuern? Krieg, Inflation, das Risiko einer Rezession....

Isidoro Geretto: Der Krieg treibt vor allem die Lebensmittel- und Energiepreise in die Höhe, aber auch in anderen Bereichen sind die Preise gestiegen, denn manche Unternehmen machen sich das inflationäre Umfeld zunutze. Abgesehen vom Krieg selbst und der Tragödie für die Zivilbevölkerung, die Soldaten und ihre Familien, sind die wichtigsten wirtschaftlichen Probleme die Gasversorgung Europas und die Beeinträchtigung der Ernte und des Exports ukrainischer Agrarprodukte. Beide Probleme werden derzeit angegangen, aber natürlich zu einem hohen Preis.

Höhere Zinssätze und höhere Energiepreise werden sich negativ auswirken. Was die Energiekosten betrifft, so hoffe ich, dass die Regierungen Unternehmen und einkommensschwache Haushalte vorübergehend unterstützen, damit sie die höheren Preise verkraften und den Winter gut überstehen. Die derzeitige Situation ist eine Ausnahmesituation, die durch die hohe Abhängigkeit Europas von russischem Gas verursacht wird. Aus meiner Sicht handelt es sich um ein vorübergehendes Problem, bis andere Alternativen zur Verfügung stehen und funktionieren.

Die Lösung des Problems mit der Inflation könnte etwas länger dauern. Bei den Gütern ist bereits ein starker Rückgang der Inflationsrate zu verzeichnen, aber bei den Dienstleistungen wird sich der leichte Aufwärtstrend wahrscheinlich fortsetzen. Die Rohstoffpreise könnten weiterhin unter Druck stehen, aber die grössten Steigerungen sind inzwischen eingetreten, und die übermässige Anpassung nach oben wird höchstwahrscheinlich nach unten korrigiert werden.

Deloitte: Welche Folgen hat das Ende des «freien Geldes» (ultraniedrige Zinssätze) beispielsweise für Investitionen? Wie können CFOs darauf reagieren?

Isidoro Geretto: Wir gehen davon aus, dass die Zinserhöhungen relativ moderat ausfallen werden, vielleicht um 2-3% höher als zuvor. Die meisten Hoteleigentümer haben langfristige Finanzierungen abgeschlossen und werden wahrscheinlich nicht sofort betroffen sein. Nicht realisierte oder noch nicht finanzierte Projekte in der Pipeline könnten sich verzögern, wenn Investitionspläne auf niedrigen Zinssätzen basieren. Aber mit dem Ende der ultraexpansiven Geldpolitik der Zentralbanken und dem Anstieg der Zinssätze werden unsere Investoren auch höhere Renditen erwarten.

Ich glaube, dass die steigende Nachfrage nach Dienstleistungen und das Bedürfnis zu reisen, Menschen zu treffen und die Welt zu erkunden, sowie die Tatsache, dass Kempinski im Luxussegment des Marktes tätig ist, bessere Gewinnmargen, höhere Renditen für die Eigentümer und eine günstige Bewertung der Anlagen ermöglichen werden. Investitionen werden jedoch mehr denn je auf den Prüfstand gestellt, und das oberste Ziel bleibt es, das Geschäft zu erhalten und weiterzuentwickeln sowie das Produkt und das Kundenerlebnis zu verbessern.
 

Deloitte: Wie wird Ihrer Meinung nach die Finanzabteilung in Zukunft aussehen? Welche Rolle spielen Technologie, menschliche Faktoren und Unternehmenskultur bei der Transformation?

Isidoro Geretto: Meiner Meinung nach wird sich die Rolle des CFO nicht allzu sehr ändern. CFOs werden weiterhin beobachten und messen, was innerhalb und ausserhalb des Unternehmens und auf den Märkten geschieht, um zu steuern und sich auf die Zukunft einzustellen. Eine kluge Ressourcenallokation hat nach wie vor oberste Priorität, ebenso eine gesunde Bilanz. Ich glaube, dass eine Schwächung der Bilanz, beispielsweise durch übermässige Dividenden oder Bonusprogramme, für die sichere und nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens nicht gut ist.

Die IT bietet hervorragende Möglichkeiten, sich wiederholende, zeitintensive und monotone Arbeiten zu automatisieren. Sie macht Prozesse skalierbar und nimmt den Mitarbeitenden Routineaufgaben ab, so dass sie mehr Zeit für wertschöpfende und interessante Arbeit haben.

Eine Neudefinition von Prozessen, um voll von neuartigen Möglichkeiten zu profitieren, wird unerlässlich sein. Heute müssen Systeme flexibel und offen sein und sich leicht an die sich ständig ändernden Anforderungen anpassen lassen. Die Zeiten starrer komplexer Lösungen von einem einzigen Anbieter gehören meines Erachtens der Vergangenheit an.

Durch die Neugestaltung und Automatisierung von Prozessen können Mitarbeitende ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten besser nutzen und vergeuden keine Zeit mehr mit langweiligen und sich wiederholenden Arbeiten. Stattdessen können sie dazu beitragen, die Art und Weise, wie wir arbeiten, ständig zu verbessern und neu zu erfinden. Dies wird den Arbeitsplatz attraktiver machen.

Die Vorbildfunktion bleibt weiterhin sehr wichtig. Ein Management, das den Akzent auf Respekt, Selbstvertrauen, Weisheit und Bescheidenheit setzt, ist der Schlüssel zum nachhaltigen Wachstum des Unternehmens. Dadurch entsteht ebenfalls Vertrauen bei Mitarbeitenden, Aktionären und anderen Stakeholdern.

Dies fördert wiederum ein Umfeld, in dem die Mitarbeitenden ein Dazugehörigkeitsgefühl haben und wachsen und sich weiterentwickeln wollen.

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