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Interview mit Dr. Luc Schultheiss, CFO Endress+Hauser

Dr. Luc Schultheiss

CFO Endress+Hauser
Dr. Luc Schultheiss hat an der Universität St. Gallen HSG studiert und promoviert. Nach verschiedenen Lehrtätigkeiten unter anderen an der HSG stiess er 1999 zu Endress+Hauser, als Direktor Controlling und Mitglied der Geschäftsführung der Endress+Hauser Flowtec AG. Seit 2012 ist er Chief Financial Officer und Mitglied des Executive Boards der Endress+Hauser AG.

Deloitte: Von der erhofften Wirtschaftserholung könnten nicht zuletzt Industrieunternehmen profitieren. Wie sehen Sie die Chancen in für Ihr Unternehmen?

Dr. Luc Schultheiss: Wir haben uns gut aufgestellt in verschiedenen Geschäftsbereichen, die unterschiedlich zyklisch sind und die unterschiedlich von der Pandemie betroffen waren. Unser Laborgeschäft beispielsweise konnte letztes Jahr Rückgänge in anderen Geschäftsbereichen teilweise auffangen. Dieses Jahr sehen wir eine stärkere Entwicklung in zyklischen Bereichen wie der Rohstoffindustrie.

Deloitte: Welche bleibenden Änderungen, denken Sie, hat die Pandemie auf die zukünftige Rolle des CFOs?

Dr. Luc Schultheiss: Die Pandemie war ein extremes Ereignis, aber es hat über die letzten Jahre einige Krisen gegeben, wie zum Beispiel die Finanzkrise. Zentral ist es daher, die Agilität im Unternehmen zu bewahren und Kosten zu flexibilisieren. Dafür ist ein CFO zuständig, aber nicht allein. Für mich ist Krisenbewältigung auch eine Teamverantwortung. Wir setzen seit langem auf dezentrale Strukturen und Eigenverantwortung, damit sind wir in der Pandemie im Vorteil gewesen. Allgemein ist es eine entscheidende Aufgabe für einen CFO, in einer Krise die Liquidität sicherzustellen. Dies war für uns aber kein Problem.

Deloitte: Denken Sie, die Krise wird bleibende Auswirkungen auf Ihre Lieferketten und Lagerhaltung haben? Sehen Sie eine Entwicklung, um Lieferketten widerstandsfähiger zu machen?

Dr. Luc Schultheiss: Die Lieferketten sind etwas stärker belastet, aber ernsthafte Probleme hatten wir nie. Wir haben eine sehr leistungsstarke Logistik, die eine gute Planung sicherstellen konnte. Allerdings sind die Lieferketten weltweit stark beansprucht. Daher sind auch wir von Ereignissen, wie z.B. der temporären Blockade des Suez-Kanals, beeinflusst. Die Lieferketten verändern sich, aber wir sind zuversichtlich, dass wir das stemmen können. Das Thema Risk Management bleibt jedoch auch für uns bestehen.

Deloitte: Die Krise hat für viele einen Sprung in der Digitalisierung bedeutet, von dem sie auch nach der Krise profitieren können. Welche Digitalisierungsschritte finden Sie besonders erfolgsversprechend?

Dr. Luc Schultheiss: Je nach Thema wird es sich in die eine oder andere Richtung bewegen. Wir haben gesehen, dass gerade im Bereich IoT die Nachfrage mit der Krise rasant angestiegen ist. Diesen Bereich werden wir weiter stark ausbauen. Auch bei den Messen haben digitale Formate einen Durchbruch erlebt. So haben wir uns beispielsweise mit einem virtuellen Messestand letztes Jahr sehr erfolgreich online präsentiert.

Deloitte: Gibt es aus Ihrer Sicht umgekehrt Grenzen der Digitalisierung?

Dr. Luc Schultheiss: Homeoffice wird im Vergleich zur Zeit vor der Krise sicher zunehmen – aber im Büro zu sein bleibt nach wie vor wichtig. Wir sehen, dass das Arbeiten von zu Hause nicht mehr so geschätzt wird wie noch vor einem Jahr. Die Menschen brauchen und suchen den Sozialkontakt. Längerfristig werden wir verstärkt gesundheitliche Probleme durch Homeoffice sehen, psychische, aber auch physische, wenn es an einem ergonomischen Arbeitsplatz zu Hause mangelt.

Wir sehen aber auch andere, langfristige Probleme durch dauerhaftes Homeoffice, zum Beispiel in Forschung und Entwicklung oder auch im Vertrieb. Natürlich kann man Kunden auch über Online-Kanäle gut ansprechen – aber die Neukundengewinnung ist rein digital schwieriger.