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Interview mit Barbara Dubach

Verwaltungsratsmitglied von ESG4Boards, swisscleantech und Pusch – Praktischer Umweltschutz sowie Verwaltungsratspräsidentin vom Holzheizkraftwerk Aubrugg

Nachhaltigkeitserfahrung und -kompetenz von Verwaltungsräten

Barbara Dubach

Verwaltungsratsmitglied von ESG4Boards, swisscleantech und Pusch – Praktischer Umweltschutz sowie Verwaltungsratspräsidentin vom Holzheizkraftwerk Aubrugg

Barbara Dubach engagiert sich seit vielen Jahren leidenschaftlich für das Thema Nachhaltigkeit. Als Geschäftsführerin und Gründerin von engageability hat sie ein Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit und Co-Kreation geschaffen. Seit dem 1. Oktober 2023 ist sie zudem Executive Director von Innovate 4 Nature – einem Accelerator für naturpositive Lösungen. Sie ist Verwaltungsratspräsidentin des Holzheizkraftwerks Aubrugg. Sie sitzt im Aufsichtsrat von Pusch, dem Rat für nachhaltige Anlagen bei der Alternativen Bank Schweiz und Swisscleantech und ist darüber hinaus Co-Initiatorin von ESG4Boards. Barbara Dubach verfügt über langjährige internationale Industrie- und Führungserfahrung als Senior Vice President bei Holcim Ltd., als Director beim World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) wie auch als Umweltökonomin beim Bundesamt für Umwelt in der Schweiz. Ihre akademische Laufbahn umfasst ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich und eine Promotion an der Universität St. Gallen zum Thema «Managing environmental communication in multinational companies».

swissVR Monitor: Weshalb sollten sich Verwaltungsräte mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen?

Barbara Dubach: Die Arbeit von Verwaltungsratsmitgliedern wird zunehmend von der Suche nach Lösungen für globale Herausforderungen wie Klimawandel oder Menschenrechtsfragen in Wertschöpfungsketten beeinflusst. In jüngster Zeit hat das Thema Nachhaltigkeit aufgrund neuer Gesetze, Vorschriften und des Drucks von Aktionären, Investoren sowie NGOs an Bedeutung gewonnen. Ein Beispiel hierfür ist die im März 2022 eingereichte Klage des Shell-Aktionärs ClientEarth. Im Erfolgsfall wären Unternehmen und ihre Führungsgremien künftig dazu verpflichtet, die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Gesellschaft und Umwelt angemessen zu berücksichtigen.

Mit der Umsetzung des indirekten Gegenvorschlages zur Konzernverantwortungsinitiative (OR 964a) müssen Berichte über nicht finanzielle Belange[1] vom Verwaltungsrat genehmigt und der Generalversammlung unterbreitet werden. Im Zuge der Implementierung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) sehen einige Mitgliedsländer wie etwa Frankreich vor, dass Verwaltungsratsmitglieder strafrechtlich belangt werden können, wenn beispielsweise der Nachhaltigkeitsbericht nicht extern überprüft wird.

Als Schlüsselfaktor für den langfristigen Unternehmenserfolg spielt das Thema Nachhaltigkeit inzwischen eine zentrale Rolle, denn es wirkt sich massgeblich auf die Performance, das Risikomanagement und die Reputation eines Unternehmens aus. Deshalb sollte Nachhaltigkeit in Zukunft ganz oben auf der Agenda von Verwaltungsräten stehen.

[1] Seit dem 1. Januar 2023 gilt OR 964a für börsennotierte Unternehmen/Finanzinstitute mit über 500 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt und einer Bilanzsumme
von über CHF 20 Millionen oder einem Umsatzerlös von über CHF 40 Millionen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren.
 

swissVR Monitor: Welche Bedeutung messen Sie den Nachhaltigkeitsausschüssen (Komitees) in Verwaltungsräten bei?

Barbara Dubach: Nachhaltigkeitsausschüsse bieten eine Möglichkeit, um Nachhaltigkeitsaspekte im Verwaltungsrat zu integrieren. Weitere Modelle sind:[2]

  • Nachhaltigkeit als integraler Bestandteil sämtlicher Verwaltungsratstätigkeiten und -entscheidungen
  • Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Zuständigkeiten eines oder mehrerer bereits bestehender Ausschüsse
  • Wahl eines Verwaltungsratsmitglieds mit den erforderlichen Fachkenntnissen und Erfahrungen im Bereich Nachhaltigkeit

Um sicherzustellen, dass Nachhaltigkeitsfragen angemessen berücksichtigt werden, empfiehlt sich eine Kombination aus der vollständigen Integration in Verwaltungsratssitzungen, die Einführung eines Nachhaltigkeitsausschuss oder der Integration in bestehende Verwaltungsratsausschüsse sowie aus der Einbindung von Fachexperten mit langjähriger Führungs- und Nachhaltigkeitserfahrung. Wichtig dabei ist, transparent über die Governance-Struktur zu berichten.

[2] Designing sustainability governance (The Corporate Governance Centre, INSEAD 2022)
 

swissVR Monitor: Welche Rolle spielen Erfahrung und Fachkompetenz im Nachhaltigkeitsbereich auf der Ebene des Verwaltungsrats?

Barbara Dubach: Die Erfahrung und Fachkompetenz im Bereich Nachhaltigkeit auf der Ebene des Verwaltungsrats sind von strategischer Bedeutung. Verwaltungsratsmitglieder müssen über ausreichendes Wissen verfügen, um das Management in Bezug auf die Nachhaltigkeitsstrategie und -ziele zu fordern und deren Umsetzung zu überwachen.

In Anbetracht der gesetzlichen Vorgaben und der Berichtspflichten besteht die Gefahr, dass das Management und der Verwaltungsrat sich auf das absolute Minimum fokussieren. Die Einhaltung der regulatorischen Vorschriften wie auch das Risikomanagement sind jedoch keine Garantie für den langfristigen Erfolg des Unternehmens.

Der Verwaltungsrat als Gestaltungsrat spielt eine wichtige Rolle bei der Identifizierung neuer Geschäftsmöglichkeiten, die gleichzeitig einen Beitrag zu aktuellen Herausforderungen wie beispielsweise dem Klimawandel leisten. Entscheidend dabei ist, externe Stakeholder und Interessengruppen effektiv einzubeziehen, um sicherzustellen, dass das Unternehmen seiner Verantwortung zur Zufriedenheit dieser Gruppen nachkommt und sie aufrechterhält.
 

swissVR Monitor: Wie steht es Ihrer Meinung nach um ebenjene Erfahrung und Fachkompetenz von Verwaltungsräten bezüglich Nachhaltigkeit?

Barbara Dubach: In vielen Verwaltungsräten fehlt es an Nachhaltigkeitsexpertise, während Finanz- und Rechtsexperten gut repräsentiert sind. Unsere Analyse im Rahmen von «Focused Reporting» zeigt, dass zum Beispiel von den Verwaltungsratsmitgliedern der 151 analysierten Schweizer Unternehmen gerade einmal 23% über angemessene Nachhaltigkeitsexpertise verfügen. Laut der neuesten Publikation «Reporting Matters» weisen nur 16% der Mitglieder des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) auf Verwaltungsebene Nachhaltigkeitsexpertise auf. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, und ESG4Boards (esg4boards.org) setzt sich dafür ein, diese Lücke zu schliessen. Ziel ist es, bis 2030 dafür zu sorgen, dass 80% der in der Schweiz ansässigen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden ESG im Verwaltungsrat verankert und ihren Beschäftigten nachweislich das nötige Fachwissen und Know-how vermittelt. Der Aufbau einer solchen Expertise ist von elementarer Bedeutung, weil das Thema Nachhaltigkeit zunehmend komplexer wird und fundierte Kenntnisse voraussetzt.
 

swissVR Monitor: Welche Empfehlung haben Sie für VR-Gremien, die sich mit Nachhaltigkeitsthemen bisher schwertun respektive auf diesem Gebiet über wenig Erfahrung und Fachkompetenz verfügen?

Barbara Dubach: Verschiedene Studien belegen, dass die Anforderungen an die Verwaltungsratstätigkeit steigen und eine fortlaufende Auseinandersetzung mit dem Thema notwendig ist. Dies gewährleistet zum einen, dass sowohl die regulatorischen Rahmenbedingungen als auch die für die Unternehmen relevanten Herausforderungen und Chancen erkannt werden. Zum anderen erlaubt es – unter Berücksichtigung der erweiterten Sorgfaltspflicht und Risikominimierung –, rechtzeitig darauf reagieren zu können.

Ein schrittweises Vorgehen könnte Workshops, den Austausch mit Fachleuten und externen Stakeholdern, die Teilnahme an Schulungen (zum Beispiel UN Global Compact oder Competent Boards) sowie die Auswahl von Fachexpertinnen und -experten mit langjähriger Management- und Nachhaltigkeitserfahrung als Verwaltungsratsmitglieder beinhalten. ESG4Boards bietet Unterstützung, um bis 2030 eine breite Verankerung von ESG-Expertise in Verwaltungsräten zu erreichen.