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Interview mit Saskia Günther, Head of Sustainability bei Swisscom

Alternde Schweiz: Interviewserie zur Nachhaltigkeit

Saskia Günther, Group Head of Sustainability bei Swisscom

Saskia Günther ist Group Head of Sustainability bei Swisscom und Präsidentin von ESG4Boards. Sie stammt aus Genf und erwarb einen Abschluss in Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich, einen Master of Business Management mit Schwerpunkt Strategic Management und Change Management sowie ein Diplom von der Swiss Board School. Sie kann auf mehr als zwei Jahrzehnte Führungserfahrung im Bereich Nachhaltigkeit zurückblicken und leitete strategische Initiativen in den Bereichen Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Produktinnovation und soziale Verantwortung in Branchen wie Automobil, Logistik, Bauwesen, Telekommunikation und Mobilität. Bevor sie 2020 zu Swisscom kam, hatte Saskia Günther leitende Positionen bei der SBB und anderen grossen Organisationen inne. Sie ist eine anerkannte Keynote-Speakerin und Dozentin, Mitglied mehrerer Ausschüsse und trägt aktiv zur Meinungsbildung in der nachhaltigen Geschäftstransformation bei. Sie spricht fliessend Französisch, Deutsch und Englisch und bringt eine internationale Perspektive in die Förderung von Nachhaltigkeit und ESG-Governance ein.

Deloitte: Prognosen des Bundesamts für Statistik (BFS) zum demografischen Wandel sagen voraus, dass die Bevölkerung in der Schweiz bis 2050 auf 10,3 Millionen anwachsen wird. Wie trägt die Nachhaltigkeitsstrategie von Swisscom und insbesondere ihr Netto-Null-Ziel, diesem Bevölkerungswachstum Rechnung?

Saskia Günther: Bei der Ausarbeitung unseres Netto-Null-Plans haben wir wichtige Makrotrends und externe Dynamiken – wie das Bevölkerungswachstum und die Umgestaltung des nationalen Energienetzes – sorgfältig analysiert. Durch die Einbeziehung dieser Erkenntnisse konnten wir zukünftige Bedürfnisse antizipieren und bei unserer Strategie für das Netto-Null-Ziel ein Gleichgewicht zwischen unseren Ambitionen und der Machbarkeit wahren.

Deloitte: Zwischen 1990 und 2025 hat Swisscom ihre direkten CO2-Emissionen aus dem Geschäftsbetrieb und eingekaufter Energie (Scope 1 & 2) in der Schweiz bereits um fast 90 Prozent reduziert. Können Sie ein Beispiel für eine Massnahme nennen, die zu dieser Reduzierung beigetragen hat?

Saskia Günther: Eigentlich waren es eine Reihe von Massnahmen, die es uns ermöglicht haben, unsere direkten CO2-Emissionen in den letzten Jahren deutlich zu reduzieren. Bereits 2010 haben wir begonnen, zu 100 Prozent erneuerbaren Strom einzukaufen, und haben unsere eigene Solarstromerzeugung ausgebaut. Eine weitere wichtige Initiative war unser Energieeffizienzprogramm: Hier haben wir insbesondere herkömmliche Kühlsysteme nach Möglichkeit durch Frischluftsysteme ersetzt. In unseren eigenen Gebäuden haben wir nach und nach alle fossilbasierten Heizungen durch Heizsysteme ersetzt, die erneuerbare Energien nutzen. Als einer der grössten Fuhrparkbetreiber in der Schweiz hat Swisscom ein erhebliches Potenzial für die Dekarbonisierung erkannt und im Jahr 2024 ihre Elektrifizierung mit der Bestellung von über 1’200 Elektrofahrzeugen beschleunigt. Seit April 2025 sind alle Personenkraftwagen in unserem Fuhrpark vollelektrisch.

«Seit April 2025 sind alle Personenkraftwagen im Swisscom-Fuhrpark vollelektrisch.» 

Deloitte: Über 95 Prozent der CO2-Emissionen von Swisscom entstehen indirekt in der Wertschöpfungskette (Scope 3), beispielsweise wenn das Unternehmen Waren von Lieferanten bezieht. Wie arbeitet Swisscom mit ihren Zulieferern und Partnern zusammen, um diese CO2 -Emissionen im Einklang mit ihrem Ziel bis 2035 um 90 Prozent zu reduzieren?

Saskia Günther: Tatsächlich stammen mehr als 95 Prozent unserer Gesamtemissionen aus indirekten Scope-3-Quellen. Darin liegt die eigentliche Herausforderung, aber auch eine grosse Chance. Jedes Jahr kaufen wir CO2-relevante Waren und Dienstleistungen im Wert von über 3,4 Milliarden Franken ein. Insgesamt arbeiten wir mit über 3’000 Lieferanten in mehr als 150 Warengruppen zusammen. Zwei Drittel unserer indirekten Emissionen in der Wertschöpfungskette entstehen in der Produktion und Bereitstellung der Netzwerkinfrastruktur, der IT sowie der Waren und der Dienstleistungen, die wir erwerben.

Die Auswirkungen des Klimawandels in unserer Lieferkette können nur durch eine langfristige Zusammenarbeit abgeschwächt werden. Aus diesem Grund sind wir zusammen mit anderen Telekommunikationsanbietern ein aktives Mitglied der JAC (Joint Alliance for CSR). Getreu dem Motto «Cooperation Beyond Competition» arbeiten wir als Branche gemeinsam daran, Lieferketten zu dekarbonisieren.

Zu den wichtigsten Initiativen zur CO₂-Reduzierung in der Lieferkette, die wir gemeinsam mit unseren Lieferanten und Partnern umgesetzt haben, gehören das Carbon Disclosure Programme (CDP), das Supplier Engagement Programme (SEP) und das Joint Carbon Reduction Programme (CRP). Ausserdem haben wir ein ESG-Bonusmodell eingeführt, das Lieferanten für besondere Erfolge bei der Dekarbonisierung belohnt. Die CO₂-Bilanz ist nun in die Beschaffung, Lieferantenbewertung und in die Anreizmodelle integriert. Dadurch wird eine kontinuierliche Dekarbonisierung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg vorangetrieben.

«Swisscom hat ein ESG-Bonusmodell eingeführt, das Lieferanten für besondere Erfolge bei der Dekarbonisierung belohnt.»

Deloitte: Ein weiterer Aspekt des demografischen Wandels in der Schweiz besteht in der Alterung der Gesellschaft: Laut Prognosen des BFS wird die Gruppe der über 65-Jährigen bis 2050 um über 40 Prozent wachsen und dann ein Viertel der Bevölkerung ausmachen. Wie wird sich angesichts der alternden Bevölkerung das Konsumverhalten bei IKT-Produkten und -Dienstleistungen ändern und was bedeutet das für das Angebot von Swisscom?

Saskia Günther: Die rasche Innovation im Sektor der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) erfordert, dass sich ältere Generationen schneller als je zuvor anpassen. Angesichts dessen fördert Swisscom aktiv die digitale und mediale Kompetenz in der gesamten Bevölkerung, mit besonderem Schwerpunkt auf junge Menschen.

Die Initiative richtet sich auch an erwerbstätige Erwachsene und Senioren. Wie eine BAKOM-Studie aus dem Jahr 2022 gezeigt hat, hinken ältere Erwachsene bei der Medienkompetenz hinter anderen Altersgruppen hinterher, insbesondere in Bezug auf Desinformation, Cybersicherheit und künstliche Intelligenz. Swisscom setzt sich daher dafür ein, Barrieren abzubauen und dafür zu sorgen, dass ältere Menschen vertrauensvoll auf alltägliche digitale Dienste zugreifen können.

«Swisscom setzt sich dafür ein, Barrieren abzubauen und dafür zu sorgen, dass ältere Menschen vertrauensvoll auf alltäglichedigitale Dienste zugreifen können.»

Deloitte: Wie berücksichtigt Swisscom in ihren Nachhaltigkeitsbemühungen die Alterung der Schweizer Bevölkerung?

Saskia Günther: Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz. Die digitale Inklusion ist Teil der sozialen Nachhaltigkeit. Swisscom geht diese demografischen Entwicklungen auf drei Ebenen an: Erstens verringern wir die Barrieren für den Zugang zu unseren Produkten und Dienstleistungen und sorgen dafür, dass unsere Shops einwandfrei zugänglich sind. Zweitens integrieren wir neue Technologien für die Mensch-Maschine-Interaktion in unsere Produkte, zum Beispiel sprachgesteuerte Set-Top-Boxen. Und drittens, wie bereits erwähnt, stärken wir die Medienkompetenz aller Generationen.

Deloitte: Studien haben gezeigt, dass die Digitalisierungsdienste von IKT-Unternehmen wie Swisscom dazu beitragen können, die (globalen) CO2-Emissionen um bis zu 20 Prozent zu senken. Wie unterstützt das B2B-Angebot von Swisscom die Nachhaltigkeitsbemühungen seiner Geschäftskunden?

Saskia Günther: Die Anforderungen an die ESG-Berichterstattung und Zielverfolgung steigen rapide – nicht nur aufgrund neuer Gesetze wie dem Schweizer Klima- und Innovationsgesetz, sondern auch aufgrund der Erwartungen der Finanzmärkte und der Kunden bezüglich transparenter ESG-Daten.

Swisscom hat daher ihre Produktpalette erweitert, um die datengestützte Nachhaltigkeit zu unterstützen. Unser ESG-Software-Radar bietet beispielsweise einen Überblick über mehr als 280 ESG-Tools, während unser ESG-Tool-Evaluations-Service Unternehmen dabei unterstützt, die für ihre Bedürfnisse am besten geeigneten Lösungen zu finden. Wir sind auch der Schweizer Implementierungspartner für Sweep, eine der weltweit führenden ESG-Managementplattformen.

Ausserdem arbeitet Swisscom mit der Autogaragenbranche zusammen, um das MVP (minimum viable product) einer Plattform zu entwickeln, die die Berechnung und den Austausch von Emissionen und Netto-Null-Reduktionspfaden sowie die Erfüllung der ESG-Berichtsanforderungen für KMU erleichtert. Wenn das MVP erfolgreich ist, kann es auf weitere Branchen ausgeweitet werden.

«Swisscoms ESG-Software-Radar bietet beispielsweise einen Überblick über mehr als 280 ESG-Tools, während der ESG-Tool-Evaluations-Service Unternehmen dabei unterstützt, die für ihre Bedürfnisse am besten geeigneten Lösungen zu finden.»

Deloitte: Swisscom hilft auch Verbrauchern, ihre CO2-Emissionen zu senken, beispielsweise durch Aufarbeitung, Reparatur und Recycling von Mobiltelefonen. Planen Sie weitere Initiativen für Verbraucher zur Verringerung des ökologischen Fussabdrucks?

Saskia Günther: Kreislaufwirtschaft ist der Schlüssel. Unsere Second-Life-Programme für Smartphones spielen eine wichtige Rolle, da sie einen Markt mit hohen Geräteverkäufen ansprechen. Heute kommt jedes dritte Gerät, das wir verkaufen, zu uns zurück, und wir sorgen dafür, dass die Altgeräte wiederverwendet oder ordnungsgemäss entsorgt werden. Wir wollen diese Quote bis 2030 auf 50 Prozent steigern. Ebenso wichtig ist es für uns, den CO2 -Fussabdruck der Swisscom-eigenen Produkte, Internet-Boxen und TV-Boxen weiter zu reduzieren. Auch hier fördern wir die Wiederverwertung. Da diese Produkte Eigentum von Swisscom sind und unter der Eigenmarke vertrieben werden, können wir unser Engagement früher in der Wertschöpfungskette beginnen: In enger Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten setzten wir ökologische Verbesserungsmassnahmen durch Materialminimierung und die Verwendung von recycelten Materialien um.

Eine grosse Herausforderung für die Stärkung der Kreislaufwirtschaft ist die aktive Beteiligung unserer Kundschaft. Die Rückgabe von Geräten, die nicht mehr verwendet werden, und die Wiederverwendung der darin enthaltenen Rohstoffe, auch «Urban Mining» genannt, sind ein wichtiger Bestandteil unserer Programme. Wir binden unsere Kundschaft das ganze Jahr über durch gezielte Kommunikations- und Öffentlichkeitskampagnen ein und regen sie an, ungenutzte Geräte zurückzugeben und aktiv zur Kreislaufwirtschaft beizutragen.

«Die Rückgabe von Geräten, die nicht mehr verwendet werden, und die Wiederverwendung der darin enthaltenen Rohstoffe, auch «Urban Mining» genannt, sind ein wichtiger Bestandteil von Swisscoms Programmen.»

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