Künstliche Intelligenz entwickelt sich rasant – mit Agentic AI steht bereits die nächste Entwicklungsstufe bevor, die das Potenzial hat, die Wertschöpfung von Unternehmen noch grundlegender zu verändern. Während viele Versicherer derzeit noch punktuell und relativ unverbunden in einzelne KI-Anwendungen investieren, erfordert die Nutzung dieser zukünftigen Möglichkeiten sowie die Schaffung von echtem Mehrwert und Differenzierung hingegen eine klare, top-down gesteuerte und strategisch ausgerichtete KI-Transformation. Dieser Prozess folgt einer J-Kurve: Kurzfristige Investitionen in Grundlagen – sei es im Bereich Daten und Technologie oder in der weniger offensichtlichen, aber zentralen menschlichen Transformation – werden bewusst und strategisch getätigt, um langfristig exponentielle Vorteile zu erzielen und KI nicht nur als Technologie, sondern als zentralen Treiber für nachhaltigen Geschäftserfolg zu etablieren.
KI wird durch grosse Tech-Unternehmen und massive Investitionen in Milliardenhöhe vorangetrieben und entwickelt sich rasant weiter. Nach Large Language Models (LLM) steht mit Agentic AI die nächste Evolutionsstufe bevor. Unternehmen müssen daher ihre Herangehensweise und ihre Geschäftsstrategien verändern und die richtigen Fragen zur erfolgreichen Integration von KI in ihre zentralen Wertschöpfungsprozesse stellen.
Aktuell investieren viele Versicherer immer noch in einzelne KI-Anwendungen — von Chatbots in der Kundenbetreuung über KI-basierte Automatisierung administrativer Tätigkeiten bis hin zur Betrugserkennung im Schadenmanagement — jedoch meist ohne klare strategische Ausrichtung und Vorstellung, welchen Nutzen die Implementierung in der Umsetzung der Unternehmensstrategie bringen soll.
Doch das eigentliche Potenzial von KI, nämlich die Schaffung eines substanziellen Wertbeitrags und nicht leicht kopierbarer Differenzierung, wird erst dann ausgeschöpft, wenn KI nicht mehr als Sammlung von Use Cases verstanden wird, sondern als integrierter Teil der strategischen Unternehmensausrichtung und -steuerung, und wenn daraus eine eng verzahnte KI-Investitions- und Umsetzungs-Roadmap abgeleitet wird.
Führende Versicherer integrieren KI in ihre Unternehmensstrategie und verfolgen eine klare, top-down definierte KI-Strategie, welche sich direkt aus der Unternehmensstrategie ableitet, und die über Sponsorship auf Top-Management-Stufe verfügt.
Unsere Branchen- und Projekterfahrungen zeigen, dass bei vielen Versicherern noch eine Lücke zwischen „KI wird eingesetzt“ und „KI ist Teil unserer Unternehmensstrategie“ besteht. Höchstens 25% aller Versicherer verfügen aktuell über eine dedizierte, aus der Geschäftsstrategie abgeleitete, KI-Strategie und über entsprechenden Fokus auf dem Weg hin zu einer KI-transformierten Unternehmung.
Die Entwicklung in die Richtung einer KI-transformierten Unternehmung verläuft in der Regel nicht linear, sondern entlang einer J-Kurve: In der frühen Phase liefern Pilotprojekte erste (isolierte) Erfolge ebenso wie Misserfolge. Es folgt eine mehr oder minder lange Konsolidierungsphase, in der es darum geht, die gewachsene Komplexität der unterschiedlichen und noch wenig verbundenen Initiativen zu strukturieren und tragfähige Grundlagen für Skalierung und die nächste Entwicklungsstufe von KI zu legen.
Es geht in dieser Phase nicht nur um eine stärkere strategische Verknüpfung der Initiativen, sondern ebenso um den Aufbau von Grundlagen wie etwa skalierbarer Datenqualität, Compliance und Governance. Nicht minder zentral sind in dieser Phase verstärkte Investitionen in die Entwicklung relevanter Fähigkeiten und kultureller Voraussetzungen – andernfalls laufen Unternehmen Gefahr, dass die Technologie zwar verfügbar ist, die Menschen aber nicht Schritt halten können und die neuen Möglichkeiten ungenutzt an der Unternehmung vorbeiziehen.
In dieser perspektivisch zentralen Phase der Grundlagenbildung kommt es nicht selten zu Reibungsverlusten, temporär sinkendem Nutzen der KI-Anstrengungen und einem Engagement-Verlust bei Mitarbeitenden und Management. Im Dschungel der gestarteten Initiativen, der prophezeiten Chancen und Versprechen von KI sowie einer ersten Ernüchterung wird leicht übersehen und unterschätzt, dass gerade in dieser Phase Weitsicht und strategisches Vorgehen entscheidend sind.
Um eine höhere Entwicklungsstufe der KI-Nutzung im Unternehmen zu erreichen, bedarf es kurz- bis mittelfristig der Bereitschaft, vorübergehende Produktivitätseinbussen zu tolerieren, und gezielt in KI-Grundlagen zu investieren. Wer diese Bereitschaft zwischenzeitlich aufbringen und den „Schmerz der Veränderung“ («Change») als notwendigen Teil der Weiterentwicklung akzeptieren kann, hat sehr gute Chancen, das Unternehmen für einen deutlich weitergehenden KI-Einsatz vorzubereiten und sich günstig auf der exponentiell steigenden Wertbeitragskurve zu positionieren (siehe Abb. 1 – Deloitte J-Kurve bei KI-Transformationen).
Während sich die generelle Form der J-Kurve nicht verändern lässt, ist hingegen die Länge der einzelnen Phasen und deren Ausprägung durchaus steuerbar. Wer das Thema KI bereits in frühen Phasen der KI-Nutzung strategisch denkt, das heisst, neben initialen Bottom-up-KI-Lösungen für einzelne Tätigkeiten und Prozessschritte frühzeitig eine Top-down-Sicht zum Beitrag von KI für die zentralen strategischen Ambitionen erarbeitet, verkürzt die Lernphasen und beschleunigt den Übergang in die Wertschöpfung.
Versicherer verfügen auf Gruppenstufe in der Regel über klare strategische Zielbilder, etwa Wachstum in bestimmten Sparten oder Kundensegmenten, Verbesserung der Kundenzentrierung oder Erhöhung der Effizienz und der finanziellen Resilienz in einem volatilen Umfeld. Nun gilt es, KI nicht weiter als Experiment oder CTO-Thema zu betrachten, sondern, gezielt und top-down in bestehende Strategieprogramme einzubetten und konsequent und systematisch für die Erreichung der strategischen Ziele zu nutzen: Wo kann KI helfen, meine strategischen Ambitionen schneller, fundierter oder auch auf eine ganz neue Art zu erreichen?
Die Integration von KI in die Unternehmensstrategie und die darauffolgende Ableitung einer KI-Strategie — analog zur Ableitung einer Produktstrategie oder einer Vertriebsstrategie —, erfordern dabei Offenheit und die Bereitschaft von CEOs und Management-Teams, sich auf die neuen, möglicherweise disruptiven, Möglichkeiten einer KI-unterstützten Wertschöpfung einzulassen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Business und IT ist dabei unerlässlich, aber bei einem strukturierten Vorgehen ist dies keineswegs eine unlösbare Aufgabe. Wie in der klassischen Strategiearbeit steht am Anfang die Identifikation der zentralen KI-Hebel für die Erreichung der strategischen Geschäftsziele. Dann folgt die Formulierung entsprechender KI-Initiativen in eine KI-Roadmap, welche eine Nutzung der KI-Hebel praktisch ermöglichen, sowie deren Priorisierung im Rahmen eines unternehmensweiten KI-Use-Case-Portfolio-Managements. So wird KI schrittweise zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Unternehmensentwicklung und -steuerung, nicht als separates Thema, sondern als unverzichtbares Werkzeug, das direkt zur Umsetzung der strategischen Ambition beiträgt und somit den Mehrwert von KI-Anwendungen für die Unternehmensentwicklung ins Zentrum stellt.
Im Rahmen der abgeleiteten KI-Strategie gewinnen Daten- und Technologiekompetenzen (Tech Foundation) neben den Dimensionen Strategie, Mensch und Prozess eine zentrale Bedeutung bei der Grundlagenbildung für KI-Anwendungen. Skalierbare Datenplattformen, eine stringente Daten-Governance sowie wiederverwendbare KI-Komponenten und die Einführung eines Datenqualitäts-Management-Prozesses bilden das Rückgrat, um wertschaffende, neue Anwendungsfälle effizient zu entwickeln, mit hoher Qualität zu betreiben und um von den nächsten Entwicklungsschritten der Technologie überhaupt erst profitieren zu können. Diese technologischen Investitionen schaffen das notwendige Fundament und befähigen das Business (Business-Enablement), KI strategisch zu entwickeln und flexibel, skalierbar und konsequent auf die Geschäftsziele auszurichten.
Kaum ein Bereich verdeutlicht den strategischen Hebel von KI für Versicherungen so anschaulich wie das Schadenmanagement. Für viele Versicherer zählt der Schadenprozess zu den grössten Kostentreibern; gleichzeitig prägt er die Kundenerfahrung entscheidend.
Für Versicherer, die KI gezielt als Werkzeug für die Erreichung ihrer strategischen Ziele im Schadenbereich nutzen wollen, gilt es zunächst, ausgehend von den strategischen Zielen für das Schadenmanagement, die wirkungsvollsten Hebel für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu identifizieren. Eine häufige Zielsetzung ist dabei die Verbesserung der Combined Ratio, welche durch den gezielten Einsatz von KI messbar unterstützt werden kann. So ermöglicht etwa eine KI automatisierte Schaden-Triage, die schnelle und maschinelle Abwicklung einfacher Schäden, während komplexe oder sensible Fälle direkt an erfahrene Sachbearbeitende weitergeleitet werden. Darüber hinaus wird durch eine KI-unterstützte Priorisierung und dynamische Zuweisung an Schadenbearbeitende eine optimale Steuerung von Reihenfolge, Bearbeitungstiefe und Auslastung sichergestellt. Diese Optimierungen senken die durchschnittlichen Bearbeitungskosten, reduzieren Fehlentscheidungen und verbessern die Ressourcenallokation – und damit die Schadenquote. Die KI-gestützte Identifikation von potenziellen Betrugsfällen (und die Zurückhaltung entsprechender Auszahlungen) erlaubt gemeinsam mit Prognosemodellen zu Schadenhöhen zudem ein optimiertes Management der Zahlungsströme.
Gleichzeitig führt diese tiefe Integration von KI in die Schadenbearbeitung zu weitergehendem Transformationsbedarf — etwa hinsichtlich Rollen, Fähigkeiten, Entscheidungskompetenzen, Governance und Risikomanagement. Eine aktive und parallele Steuerung dieser Veränderungen ist dabei kein „nice-to-have“, sie ist vielmehr essenziell, denn andernfalls bestehen zwei Gefahren: Erstens, wie vergangene, deutlich weniger fundamentale, Technologieeinführungen gezeigt haben, werden Unternehmungen, die veränderten Anforderungen an Fähigkeiten und Einstellung bei den Mitarbeitenden nicht ernst nehmen, Mühe haben, das Potenzial der Technologie effektiv zu nutzen. Zweitens bleiben die erhofften Effizienz- oder Wachstumsgewinne aus, wenn die Strukturen nicht an die neue Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine angepasst werden.
Perspektivisch erfolgt die Verknüpfung von Geschäftsstrategie und KI nicht mehr nur in eine Richtung. Während KI-Initiativen aus strategischen Zielen abgeleitet werden, liefern Erkenntnisse und Feedbacks aus den KI-unterstützten Kernprozessen umgekehrt Input für die strategische Unternehmenssteuerung. So entsteht im Laufe der Zeit eine deutlich agilere und datengetriebenere Form der strategischen Planung und Entscheidungsfindung, die sich stärker an aktuellen Daten, Simulationen und Prognosen aus den zentralen Geschäftsprozessen orientiert und weniger an historischen Werten oder fixen Jahresplänen aus der strategischen Geschäfts- und Finanzplanung.
Echter Mehrwert und Differenzierung entstehen, wenn der Einsatz von KI konsequent von der Unternehmensstrategie abgeleitet und als ganzheitliche Transformationsaufgabe verstanden wird. Zugleich braucht es einen realistischen Blick darauf, wie solche Transformationen verlaufen. Fortschritt ist weder linear noch zufällig. Entscheidend ist, einzelne Phasen aktiv zu steuern, um die notwendige Veränderung, die zwischenzeitlich zu Produktivitätsverlust und erhöhtem Investitionsbedarf führen kann, über eine gewisse Zeit bewusst zu tolerieren. Durch klare strategische Prioritäten, sichtbare Quick Wins und das konsequente Verzahnen von Business und Technologie, kann der Übergang in die Wertschöpfungsphase der J-Kurve beschleunigt und die „Toleranz“-Zeit verkürzt werden.
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