Daneben war sie Senior Group Vice President und Head of Next Level Program Management bei ABB Ltd. Von 2012 bis 2014 hatte sie bei ABB die Positionen des Senior Vice President und CFO für die Region China und Nordasien inne. Davor war sie als Senior Vice President, Finance Strategy and Investments bei Neptune Orient Lines in Singapur tätig (2010 bis 2011). Zudem hatte sie verschiedene Positionen bei Siemens inne, unter anderem war sie globaler Chief Diversity Officer (2008 bis 2010), CFO und Senior Executive Vice President von Siemens in China (2004 bis 2008), CFO und Senior Vice President von Siemens in Singapur (2000 bis 2004), CFO für Asien-Pazifik und General Manager des regionalen Hauptsitzes in Asien von Siemens Electromechanical Components in Singapur (1997 bis 2000).
Deloitte: Wie sehen Sie die Rolle von CFOs in Krisen wie der COVID-19-Pandemie? Wie könnten Sie als CFO Ihrem Unternehmen in der Krise helfen?
Jill Lee: Die Pandemie unterstreicht die facettenreiche Rolle von CFOs. CFOs haben eine langjähriger Verantwortung für verschiedene Bereiche wie Leistungs- und Bilanzmanagement, Finanzberichterstattung und IT, Risikomanagement und Prozesseffizienz. Die Pandemie war ein Stresstest für diese Dimension der CFO-Rolle, da Unternehmen starke Fundamentaldaten benötigen, um dem unerwarteten Schock durch COVID-19 standzuhalten. CFOs haben ihren Aufgabenbereich zunehmend erweitert und sind zum Geschäftspartner des CEO geworden, um strategische Bereiche wie Portfoliomanagement, digitale Transformation, Wertschöpfungskette und Nachhaltigkeit zu unterstützen. Die Pandemie hat die Anforderungen in diesen Bereichen verstärkt, sodass die CFOs und ihre Teams bereit sein müssen, die erforderliche Unterstützung bereitzustellen.
Als die Pandemie ausbrach, haben uns unsere solide Bilanz und Liquidität, unsere IT-Infrastruktur und unsere Kostentransparenz geholfen. So konnten wir schnell auf die wichtigsten Prioritäten reagieren, die kontinuierliche Unterstützung unserer Kunden garantieren und gleichzeitig die Sicherheit unserer Mitarbeitenden weltweit gewährleisten. Dank der schnellen, unternehmensweiten Reaktion von Sulzer, unseres globalen Netzwerks in verschiedenen Regionen, der gut funktionierenden lokalen Implemtierung der Massnahmen und unserer engagierten Mitarbeitenden, die Überdurchschnittliches leisten, haben wir die Pandemie im Jahr 2020 erfolgreich gemeistert und sind als Unternehmen gestärkt daraus hervorgegangen.
Deloitte: Von der konjunkturellen Erholung könnten insbesondere Industrieunternehmen profitieren. Wie sehen Sie die Chancen für Ihr Unternehmen?
Jill Lee: Auf Makroebene kehrt die Weltwirtschaft aufgrund der raschen Einführung der Impfprogramme und der Lockerung der Eindämmungsmassnahmen in vielen Ländern allmählich zur Normalität zurück. Im Moment sind die Lieferketten pandemiebedingt eingeschränkt; die Lieferung einiger Materialien sind verzögert und die Transporte verlaufen schleppend,und es gibt auch inflationäre Tendenzen.
Bei Sulzer haben wir seit der Talsohle im Spätsommer 2020 ein sequenzielles Wachstum unserer Bestellungen verzeichnet und der Auftragseingang im 1. Halbjahr hat das hohe Niveau von 2020 erreicht. Unsere Fähigkeit, unseren Kunden während der Pandemie weiterhin wichtige Dienstleistungen bereitzustellen in Verbindung mit der entschlossenen und schnellen Durchsetzung von Kostenmassnahmen haben es uns ermöglicht, die Herausforderungen der Pandemie zu meistern und widerstandsfähig zu bleiben. Trotz COVID-19 haben wir strategische Themen, wie zum Beispiel Innovation und Nachhaltigkeit und Akquisitionen, weiter vorangetrieben und auch die Ausgliederung unseres Applikatorengeschäfts erfolgreich abgeschlossen. Daher sind wir der Überzeugung, dass wir gut aufgestellt sind, um agil auf die wirtschaftliche Erholung zu reagieren.
Deloitte: Welche nachhaltigen Veränderungen hat Ihrer Meinung nach die Pandemie auf die zukünftige Rolle des CFO?
Jill Lee: Ich erwarte keine Veränderung hinsichtlich der multidisziplinären Dimensionen der CFO-Rolle, auch nicht in den Bereichen des traditionellen Finanzmanagements oder der strategischen Geschäftspartnerschaft mit dem CEO. Veränderungen aufgrund von Auswirkungen nach der Pandemie, wie zum Beispiel ein verändertes Angebot, regulatorische Veränderungen, hybride Arbeitsmodelle der Mitarbeitenden, zukunftssichere IT-Fähigkeiten und andere damit verbundene Risikomanagement-Themen, werden wahrscheinlich auf der Agenda von CFOs und Führungskräften stärker in den Fokus rücken.
Deloitte: Die COVID-19-Krise hat die Digitalisierung in vielen Unternehmen enorm beschleunigt, wovon sie auch nach der Krise noch profitieren können. Welche Digitalisierungsschritte finden Sie besonders vielversprechend?
Jill Lee: In Zeiten von COVID-19 hat sich die Abhängigkeit von Technologien zur Sicherstellung der Geschäftskontinuität deutlich gezeigt. Kreative digitale Lösungen zur effektiven Unterstützung der Kommunikation mit mehreren Parteien, der Zusammenarbeit und der operativen Abwicklung sind unabdingbar. Sichere digitale Möglichkeiten zur Einbeziehung von Kunden und Lieferanten, wie zum Beispiel virtuelle Zusammenarbeit, Workflow-Prozesse, Online-Konfiguration und Bereitstellung von Diensten wie Remote-Support, werden zu gängigen Geschäftsmodellen werden. Daneben ergeben sich auch vielversprechende Chancen durch Analytik und datengesteuerte industrielle und kommerzielle Dienstleistungen.
Deloitte: Gibt es umgekehrt Ihrer Meinung nach Grenzen der Digitalisierung?
Jill Lee: Ich denke, die Grenzen der Digitalisierung liegen vor allem in den Bedrohungen von Cyberangriffen, datenschutzrechtlichen Bedenken, unterschiedlichen Governance-Anforderungen in verschiedenen Ländern und Lücken in der Technologie- und Wissenslandschaft. Ich bin davon überzeugt, dass es immer einen Bedarf an menschlicher Interaktion in verschiedenen Branchen und Berufen geben wird. Trotzdem leben und arbeiten wir jetzt alle in einer digitalen Welt. Letztlich kann die Verfügbarkeit von Talenten im IT-Bereich und die Zeit, die erforderlich ist, um digitale Fähigkeiten auszubauen und unsere Arbeitsweise anzupassen, tatsächlich eine Einschränkung darstellen.