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Deloitte-Umfrage: Schweizer Unternehmen sehen globale Mindeststeuer als Gefahr – Abschaffung Verrechnungssteuer vorgeschlagen

Zürich/Genf, 25. November 2021

Internationale Unternehmen sehen in einer globalen Mindeststeuer eine Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Als Kompensation für die entstehenden zusätzlichen Steuererträge regen die meisten der bei den Unter-nehmen befragten Steuerverantwortlichen die Abschaffung der Verrechnungssteuer an. Breite Zustimmung erhalten gemäss der Deloitte-Umfrage auch Unterstützungen für Forschungsaktivitäten oder die Reduktion von Sozialv-ersicherungsbeiträgen. Die hier ansässigen Unternehmen sind grundsätzlich sehr zufrieden mit dem von ihnen gewählten Standort. Neben den hohen Kosten sehen sie jedoch den mangelhaften Zugang zu Fachkräften als grösste Herausforderung des Wirtschaftsstandortes Schweiz.

Den international tätigen Unternehmen der Schweiz liegt ein attraktiver Wirtschaftsstandort naturgemäss sehr am Herzen. Wenn es um Investitionen und Standortentscheide geht, haben die Steuerverantwortlichen dieser Unternehmen ein gewichtiges Wort mitzureden. Mehr als ein Viertel der Steuerchefs der befragten multinationalen Unternehmen sieht in der Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes definitiv eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts-standortes Schweiz. Für die Hälfte der Befragten ist die Reform tendenziell eine Gefahr. Nur 14 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Wettbewerbsfähigkeit durch eine globale Mindeststeuer nicht beeinträchtig wird (siehe Grafik 1).

Einige Steuerverantwortliche sehen auch Chancen in der von der Staatengemeinschaft aufgegleisten Steuerreform. «Eine globale Mindeststeuer würde den Steuervorteil der Schweiz gegenüber Ländern wie Deutschland, Frankreich oder den USA nur um einige wenige Prozentpunkte verringern. Auf der anderen Seite aber wird der Steuervorteil von Staaten wie Irland, Hongkong, Malta, Zypern oder Dubai abnehmen oder verschwinden», erläutert Reto Gerber, Leiter Steuern bei Deloitte Schweiz. «Dies könnte dazu führen, dass Unternehmen aktuell in Niedrigsteuerstandorten angesiedelte Aufgaben in die Schweiz verlagern.»

Grafik 1: Ist die Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes eine Gefahr oder eine Chance für die Wettbewerbsfähigkeit?

Steuern nicht wichtigster Standortfaktor

Deloitte hat auch nach den Auswirkungen eines Mindeststeuersatzes auf acht verschiedene Unternehmensfunktionen gefragt. Am stärksten unter Druck stehen Finanzfunktionen, Produktion sowie Forschung und Entwicklung: Rund 40 Prozent der Befragten antizipieren einen negativen Einfluss der globalen Mindeststeuer auf diese Unternehmensfunktionen in der Schweiz.

Dies ist umso bedeutender, als die Unternehmen die Schweiz durchgehend als ihren bevorzugten internationalen Standort für alle abgefragten Unternehmensfunktionen sehen. «Die Befragten kennen den Wirtschaftsstandort Schweiz bestens. Es ist daher ein gutes Zeichen, dass sie diesen im Vergleich zu anderen Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Singapur, den Niederlanden oder Irland als so attraktiv einschätzen», sagt Gerber. Das Steuerumfeld ist allerdings bei weitem nicht der wichtigste Standortfaktor: Ganz vorne sind gemäss den Ergebnissen der Deloitte-Studie politische Stabilität, funktionierende Infrastruktur und hohe Lebensqualität. Aber auch die wirtschaftsfreundlichen Behörden und die geographische Lage sind den international tätigen Unternehmen offenbar wichtiger als die Steuern.

Diskrepanz bei Zugang zu Fachkräften

Bei zwei Standortfaktoren gibt es gemäss der Befragung noch Potenzial nach oben. Wenig überraschend werden die hohen Kosten der Schweiz moniert. Ebenfalls unter den Erwartungen liegt die Schweiz beim Zugang zu Fachkräften, sei es aus dem Inland oder dem Ausland. «Die Schweiz läuft Gefahr, dass der Fachkräftemangel den wirtschaftlichen Erfolg hemmt», warnt Reto Savoia, CEO von Deloitte Schweiz. «Viele Unternehmen sind darauf angewiesen, dass sie auch ihre Fachkräfte aus Drittstaaten in die Schweiz bringen können – die Bewilligungsprozesse sollten beschleunigt und entschlackt werden. Schule und Ausbildung müssen zudem stärkeres Gewicht auf technische Fähigkeiten und unternehmerisches Denken legen.»

Verrechnungssteuer abschaffen

Die Steuerverantwortlichen der Unternehmen möchten im Gegenzug zur Einführung der globalen Mindeststeuer die Verrechnungssteuer auf Kapitalanlagen abgeschafft sehen (siehe Grafik 2). Die Schweiz hat mit einem Satz von 35 Prozent eine der höchsten Steuern auf Dividendenausschüttungen und Zinserträge weltweit. Breite Zustimmung erhalten auch Unterstützungen für Forschungsaktivitäten oder die Reduktion von Sozialversicherungsbeiträgen.

Grafik 2: Welche Massnahmen wären am effektivsten, wenn die Behörden die zusätzlichen Einnahmen wieder investieren wollten?

«Die Abschaffung der Verrechnungssteuer wäre eine Win-Win-Lösung und würde der Wirtschaft innert weniger Jahre zusätzlichen Schub verleihen», erläutert Reto Gerber. Dadurch würden zum einen Direktinvestitionen in Schweizer Unternehmen einfacher und günstiger, und die Schweiz würde zum anderen attraktiver als Marktplatz für Fremdkapital. «Der Ständerat hat es in der Hand und kann die Vorlage zur Abschaffung der Verrechnungssteuer in der anstehenden Wintersession verabschieden», so Reto Gerber.

Digitalunternehmen im Visier

Dem Steuerstandort Schweiz droht noch mehr Ungemach: Während die globale Mindeststeuer den weltweiten Steuerkuchen vergrössert, soll dieser unter dem zweiten Pfeiler der neuen OECD-Regularien anders verteilt werden. Diese würde sich vor allem auf die Tochter¬gesellschaften der Grosskonzerne negativ auswirken. «Neuansiedlungen in der Schweiz wären weniger attraktiv, und es droht ein weiterer Aderlass bei bereits ansässigen Unternehmen», führt Reto Gerber aus.

«Steuern bleiben auch nach der Einführung der globalen Mindeststeuer ein relevanter Standortfaktor bei der Ansiedlung von Unternehmensfunktionen in der Schweiz, auch wenn das nicht alle Unternehmen so offen betonen», so CEO Reto Savoia. «Entsprechend braucht es sinnvolle Kompensationen wie die Abschaffung der Verrechnungssteuer. Gleichzeitig darf der interkantonale Steuerwettbewerb keinesfalls eingeschränkt werden und auch zum guten Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen und Steuerbehörden müssen wir Sorge tragen.»

Über die Studie

Für den Deloitte Global Minimum Tax Rate Survey wurden zwischen September und Mitte Oktober 2021 insgesamt 49 Head of Tax / Senior Tax Professionals von börsenkotierten und privaten multinationalen Unternehmen mit starkem Geschäftsbezug zur Schweiz befragt.

Deloitte Schweiz hat zudem für die grosse Standortstudie Power Up Switzerland rund 400 führende Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Verbänden und Politik zu den Erfolgsfaktoren für die Schweiz befragt. In der umfassenden Analyse haben sich neun zentrale Handlungscluster herauskristallisiert, die jetzt koordiniert durch Staat und Unternehmen angegangen werden müssen. Das steuerliche Umfeld ist eines davon.

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