In einem rumänischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Auslegung von Artikel 168 der Richtlinie 2006/112/EG und die Weigerung der rumänischen Steuerbehörde, den Vorsteuerabzug für gruppeninterne Verwaltungsdienstleistungen zuzulassen.
Die Klägerin, Weatherford Atlas Gip SA, ist Teil des weltweit tätigen Weatherford-Konzerns. Im Juni 2016 übernahm Weatherford Atlas Gip eine rumänische Gesellschaft (Foserco), die für Konzerngesellschaften Vorleistungen tätig war.
In den Jahren 2015 und 2016 wurde Foserco für konzernfremde Gesellschaften tätig. Um diese Dienstleistungen erbringen zu können, hatte Foserco von anderen Gesellschaften der Weatherford-Gruppe allgemeine Verwaltungsdienstleistungen bezogen, insbesondere im Zusammenhang mit IT, Personalwesen, Marketing, Buchhaltung und Beratung. Diese wurden von Konzerngesellschaften, welche nicht in Rumänien ansässig sind, erbracht und unterlagen in Rumänien der Reverse-Charge Besteuerung.
Die rumänischen Steuerbehörden verweigerten den Vorsteuerabzug für diese Dienstleistungen, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Umsätze der Foserco standen. Neben dem fehlenden Nachweis des Verwendungszusammenhanges mit den steuerpflichtigen Umsätzen war aus den vorgelegten Unterlagen weder die Art der erbrachten Dienstleistungen, die Identität der Personen, die diese Dienstleistungen erbracht hätten, noch der Leistungszeitraum ableitbar. Unterstellt wurde weiters, dass die Eingangsleistungen für Foserco nicht erforderlich gewesen seien.
DerEuGH ka m zum Ergebnis, dass der Vorsteuerabzug nicht mit der Begründung verweigert werden darf, dass die Dienstleistungen gleichzeitig auch an andere Unternehmen der Gruppe erbracht werden oder als unnötig oder nicht angemessen erachtet wurden, sofern die Dienstleistungen für die eigenen steuerpflichtigen Umsätze des Steuerpflichtigen tatsächlich verwendet werden.
Grundvoraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, besteht. Das Recht auf Abzug, der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen auf der Eingangsstufe entrichteten Mehrwertsteuer setzt voraus, dass die hierfür getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (Verweis des EuGH auf sein Urteil vom 13. Juni 2024, C [Insolvenzverwalter und Liquidatoren], C‑696/22, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Gegenstände und Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören. Derartige Allgemeinkosten sind – als solche – Kostenelement der Ausgangsleistungen und direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (Verweis des EuGH auf sein Urteil vom 4. Oktober 2024, Voestalpine Giesserei Linz, C‑475/23, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Sollte sich im vorliegenden Fall erweisen, dass ein Teil der bezogenen Dienstleistungen nicht für die Zwecke der eigenen Umsätze des Steuerpflichtigen, sondern für die Zwecke von Umsätzen Dritter verwendet
wurde, wäre der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen diesen Dienstleistungen und den besteuerten Umsätzen dieses Steuerpflichtigen teilweise unterbrochen, so dass dieser die auf diesen Teil der Ausgaben entfallende Mehrwertsteuer nicht abziehen dürfte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2020, Vos Aannemingen, C-405/19, EU:C:2020:785, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH besteht nämlich dann kein Recht auf Vorsteuerabzug, wenn die Eingangsleistung unentgeltlich an eine Tochtergesellschaft (z. B. als Gesellschafterbeitrag) weitergegeben und für deren Zwecke verwendet wird.
Die Frage, ob der Erwerb der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verwaltungsdienstleistungen erforderlich oder zweckmäßig war, erscheint jedoch unerheblich, da die Mehrwertsteuerrichtlinie die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht von einem Kriterium der wirtschaftlichen Rentabilität des Eingangsumsatzes abhängig macht.
Der Umstand, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verwaltungsdienstleistungen an mehrere Empfänger gleichzeitig erbracht werden, erscheint insoweit unerheblich. Dagegen ist es Aufgabe des vorlegenden Gerichts, sich zu vergewissern, dass der vom Steuerpflichtigen getragene Anteil der Kosten für diese Dienstleistungen tatsächlich den Dienstleistungen entspricht, die der Steuerpflichtige für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze in Anspruch genommen hat.
Mit dem Urteil bestätigt der EuGH seine bisherige Rechtsprechung, wonach die wirtschaftliche Rentabilität des Eingangsumsatzes sowie die Zweckmäßigkeit der eingekauften Leistungen kein Tatbestandsmerkmal des Art. 168 MwStRL und damit keine Ausübungsvoraussetzung für das Rechts auf Vorsteuerabzug ist. Nicht eindeutig sind die Ausführungen des EuGH iZm der Aussage, dass der getragene Kostenanteil den in Anspruch genommenen Dienstleistungen entsprechen muss. Er möchte damit wohl zum Ausdruck bringen, dass die abgerechneten Dienstleistungen tatsächlich erbracht worden sein müssen. Der Weiterverrechnung muss ein Leistungsaustausch zu Grunde liegen, damit ein steuerbarer Umsatz vorliegt.