Der EuGH befasste sich kürzlich mit der Auslegung von Art 132 Abs 1 Buchst c MWStSystRL. Zu prüfen war, ob Leistungen (insb. Gutachten) unter die im betreffenden Artikel vorgesehene Steuerbefreiung für Heilbehandlungen fallen. Diese Entscheidung fand auch Eingang in die Umsatzsteuerrichtlinien in Rz 948: Leistungen, die darin bestehen, im Auftrag einer Versicherung die Richtigkeit der Diagnose einer schweren Krankheit des Versicherten sowie die besten Behandlungsmöglichkeiten zu dessen Heilung zu überprüfen stellen keine Heilbehandlungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG dar (vgl. EuGH vom 24.11.2022, Rs C-458/21 , CIG Pannónia Életbiztosító Nyrt .).
The ECJ dealt with the interpretation of Art 132 (1) (c) of the VAT Directive. The question to be examined was whether services (in particular expert opinions) fall under the tax exemption for medical treatment provided for in the relevant article. This decision was also included in the VAT Guidelines in no. 948: Services that consist of checking the correctness of the diagnosis of a serious illness of the insured person and the best treatment options for curing it on behalf of an insurance company do not constitute medical treatment within the meaning of Section 6 (1) no. 19 UStG (see ECJ of 24.11.2022, Case C-458/21 , CIG Pannónia Életbiztosító Nyrt .).
Die CIG vertreibt ein Krankenversicherungsprodukt, wonach sie sich verpflichtet, der versicherten Person für fünf schwere Krankheiten Gesundheitsdienstleistungen im Ausland zu erbringen. Dazu schloss CIG einen Kooperationsvertrag mit der spanischen Best Doctors. Best Doctors überprüft im Auftrag der CIG, ob der Anspruch auf die Versicherungsdienstleistungen tatsächlich besteht (InterConsultation-Dienst). Außerdem erledigt Best Doctors alle Verwaltungsformalitäten iZm der Behandlung im Ausland (FindBestCare-Dienst). Dies umfasst ua die Vereinbarung von Terminen mit den Erbringern medizinischer Dienstleistungen, die Organisation der medizinischen Behandlung, der Hotelunterbringung und der Reise, die Erbringung eines Kundendiensts und die Überprüfung der Angemessenheit der medizinischen Behandlung. Zudem stellt Best Doctors auch die Begleichung und die Nachverfolgung der medizinischen Honorarforderungen sicher.
Fraglich war, ob die beiden Leistungen der Best Doctors unter die Steuerbefreiung für ärztliche Heilbehandlungen fallen (§ 6 Abs 1 Z 19 UStG).
Dazu führt der EuGH hinsichtlich des InterConsultation-Diensts an, dass die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens keine Heilbehandlung darstellt. Dies auch dann, wenn die Erbringung der Leistung Anforderungen an die medizinische Kompetenz des Erbringers stellt und für den Arztberuf typische Tätigkeiten wie die körperliche Untersuchung des Patienten oder die Prüfung seiner Krankheitsgeschichte umfassen kann. Eine solche Leistung soll bloß einem Dritten (in diesem Fall der Versicherung) den Erlass einer Entscheidung ermöglichen, dient aber nicht der Wiederherstellung der Gesundheit der Person.
Auch der FindBestCare-Dienst bezweckt nicht den Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit, sondern die Gewährleistung der Organisation der mit der medizinischen Versorgung im Ausland verbundenen Logistik. Er hat im Wesentlichen administrativen Charakter.
Es bleibt nach Ansicht des EuGH demnach eben das bloße Gutachten der Hauptzweck der erbrachten Leistungen. Eine solche Leistung fällt nicht unter den Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" iSv Art 132 Abs 1 und somit nicht unter die Steuerbefreiung.
In Rz 944 ff UStR sind diverse ärztliche Tätigkeiten aufgelistet, die die Finanzverwaltung als steuerfrei bzw -pflichtig ansieht. Nach Rz 946 UStR sind auch die Ausstellung von ärztlichen Zeugnissen und die Erstattung von ärztlichen Gutachten grundsätzlich steuerfrei. Lediglich die Erstattung dort angeführter ärztlicher Gutachten soll nicht unter die Steuerbefreiung des § 6 Abs 1 Z 19 UStG fallen. Diese Auslegung der Steuerbefreiung erschien nach der im gegenständlichen Fall fortgesetzten ständigen Rechtsprechung des EuGH sehr weit.
Im Zuge des Umsatzsteuerwartungserlasses wurde sohin Rz 948 ergänzt und das EuGH-Urteil wurde in die Aufzählung jener Leistungen aufgenommen, bei denen es sich nicht um Umsätze aus ärztlicher Tätigkeit handelt:
Keine Heilbehandlungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 sind zB die folgenden Tätigkeiten: Leistungen, die darin bestehen, im Auftrag einer Versicherung die Richtigkeit der Diagnose einer schweren Krankheit des Versicherten sowie die besten Behandlungsmöglichkeiten zu dessen Heilung zu überprüfen (vgl. EuGH vom 24.11.2022, Rs C-458/21 , CIG Pannónia Életbiztosító Nyrt .);
Versicherungsunternehmen müssen auch die Umsatzsteuer für Gutachten als (anteiliges) Kostenelement in der Krankenversicherung berücksichtigen und die bestehenden Rechnungserfassungsprozesse bzw. internen Richtlinien für die Verbuchung der Rechnungen gegebenenfalls anpassen.