Überblick
Im Rahmen des klimapolitischen Projekts "Fit for 55" hat die EU mit der überarbeiteten Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) einen entscheidenden Schritt zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors unternommen. Die Richtlinie wurde nach Verhandlungen im Dezember 2023 beschlossen und trat am 28.5.2024 in Kraft. Bis 29.5.2026 muss die EU-Gebäuderichtlinie national umgesetzt werden.
EU-Richtlinie zur Reduktion des Energieverbrauchs im Gebäudesektor
Gebäude spielen eine entscheidende Rolle im Klimaschutz, da sie in der EU für mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, ist eine signifikante Reduktion des Energieverbrauchs im Gebäudesektor sowie die Förderung von Renovierungsmaßnahmen unabdingbar. Vor diesem Hintergrund hat die EU im Rahmen des klimapolitischen Projekts "Fit for 55" die EPBD überarbeitet. Die Richtlinie setzt maßgebliche Anforderungen an den öffentlichen sowie privaten Gebäudesektor, um die Energieeffizienz deutlich zu steigern und letztlich den Übergang zu Nullemissionsgebäuden zu ermöglichen.
Nullemissionsgebäude
Die Richtlinie verfolgt das Ziel, den Übergang zu Nullemissionsgebäuden schrittweise umzusetzen. Ab dem 1.1.2028 haben alle neuen öffentlichen Gebäude den Nullemissionsgebäudestandard zu erfüllen und ab dem 1.1.2030 gilt dies für sämtliche neu errichteten Gebäude. Um den Nullemissionsgebäudestandard zu erfüllen, müssen Gebäude ihre Energie vollständig aus erneuerbaren Quellen beziehen. Während die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung der spezifischen Standards für Nullemissionsgebäude flexibel sind, müssen sie dennoch den übergeordneten Zielen der Richtlinie gerecht werden. Bis 2030 sollen 16 % der Nichtwohngebäude mit der niedrigsten Gesamtenergieeffizienz saniert werden, bis 2035 soll dieser Anteil auf 26 % steigen. Im Bereich der Wohngebäude ist vorgesehen, den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch des gesamten Bestands im Vergleich zu 2020 bis 2030 um mindestens 16 % und bis 2035 um 20 bis 22 % zu reduzieren. Nationale Maßnahmen müssen dabei gewährleisten, dass mindestens 55 % dieser Einsparungen durch die Sanierung von 43 % der Wohngebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz erzielt werden. Ausnahmen von diesen Vorgaben gelten unter anderem für Gotteshäuser, militärische Bauten sowie Gebäude mit geringem Energieverbrauch.
Nationaler Gebäuderenovierungsplan
Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Mindeststandards zur Steigerung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden festzulegen. Zur Erfüllung dieser Vorgaben müssen sie nationale Gebäuderenovierungspläne entwickeln, die darauf abzielen, den Gebäudebestand bis 2050 in Nullemissionsgebäude umzuwandeln und höhere Energieeffizienzklassen zu erreichen. Der erste nationale Plan ist bis spätestens zum 31.12.2025 bei der Europäischen Kommission einzureichen und anschließend im Fünfjahresrhythmus zu aktualisieren.
Solarverpflichtung & E-Mobilität
Darüber hinaus formuliert die EPBD klare Vorgaben zur schrittweisen Einführung der Solarpflicht. Zunächst müssen neue öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude mit mehr als 250 m² Gesamtnutzfläche mit Solartechnik ausgestattet werden. Anschließend gilt diese Verpflichtung für bestehende öffentliche Gebäude mit mehr als 2.000 m² Gesamtnutzfläche und bestehende Nichtwohngebäude mit mehr als 500 m² Gesamtnutzfläche, sofern größere Renovierungen oder Dacharbeiten durchgeführt werden. Darauf folgen bestehende öffentliche Gebäude mit mehr als 750 m² Gesamtnutzfläche, danach alle neuen Wohngebäude und für alle neuen überdachten Parkplätze, die an Gebäude angrenzen. Bis zum 31.12.2030 wird die Solarpflicht schließlich auch auf bestehende öffentliche Gebäude mit mehr als 250 m² Gesamtnutzfläche ausgeweitet. Ebenso sieht die EPBD vor, die E-Mobilität durch die Errichtung entsprechender Ladeinfrastruktur zu fördern, die an festgelegte Mindeststandards gekoppelt ist.
Umstellung des Energieausweises
Die Gebäuderichtlinie führt zudem neue Anforderungen für den Energieausweis ein. Dieser wird künftig die Energieeffizienzklassen A bis G enthalten, wobei Klasse A Nullemissionsgebäuden entspricht und Klasse G die Gebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz im jeweiligen nationalen Gebäudebestand kennzeichnet. Ziel dieser Maßnahme ist es, ein einheitliches und leicht verständliches System zu schaffen, das eine klare Einordnung von Gebäuden ermöglicht und gleichzeitig die grenzüberschreitende Vergleichbarkeit erleichtert.
Umsetzung in Österreich
Da Energie und Wärme primär in den Verantwortungsbereich der Bundesländer fallen, wird die Umsetzung der Vorgaben voraussichtlich in den Landesgesetzen, Bauordnungen und Regelungen zur Wohnbauförderungsbestimmungen erfolgen. Vor allem die OIB-Richtlinien und das Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012 dürften einer gründlichen Überarbeitung bedürfen, um den neuen europäischen Anforderungen gerecht zu werden. Das Regierungsprogramm der Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS sieht entsprechende Maßnahmen vor, wie bspw die Reduktion des Primärenergieverbrauchs gemäß der EPBD, die Optimierung der Fördermechanismen für thermische Sanierungen sowie Regelungen in Punkto Heizungsaustausch.
Fazit
Um die ambitionierten Klimaziele bis 2050 erfolgreich zu erreichen, ist die Festlegung konkreter Planungsvorgaben von entscheidender Bedeutung. Die EPBD definiert dafür klare Zielsetzungen und gibt den Mitgliedstaaten verbindliche Zeitrahmen für die schrittweise Umsetzung vor. Insbesondere gewährleistet das stufenweise Inkrafttreten der Richtlinie ein hohes Maß an Planungssicherheit, was einen strukturierten und planbaren Übergang hin zu klimaneutralen Gebäuden ermöglicht. Auch das österreichische Regierungsprogramm setzt auf den Ausbau erneuerbarer Energien, eine beschleunigte Energiewende und die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie.
Allerdings stehen die geplanten Maßnahmen wie die Reduktion des Primärenergieverbrauchs gemäß der EPBD vor finanziellen Herausforderungen für den Staatshaushalt und es bleibt offen, ob diese Ziele angesichts der herausfordernden budgetären Situation und den damit verbundenen begrenzten finanziellen Spielräumen in naher Zukunft umgesetzt werden können. Spannend wird auch zu beobachten sein, wie die Vorgaben der Richtlinie schließlich in nationales Recht gegossen werden, da die Regelungsbereiche primär in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer fallen.