Die demografische Alterung erfordert dringende Reformen des Schweizer Vorsorgesystems. Unsere repräsentative Umfrage zeigt, dass die Bevölkerung Reformen unterstützt – jedoch nicht jene Reformen, die derzeit am meisten diskutiert werden. Stattdessen schlagen wir realistische, sinnvolle Reformen vor, um die Vorsorge nachhaltig zu sichern. Altersvorsorge ist nicht allein eine staatliche Aufgabe. Auch Unternehmen und Versicherte sollten ihren Spielraum besser nutzen und mehr Entscheidungsfreiheit erhalten.
Die Altersvorsorge in der Schweiz steht vor einem grundlegenden Wandel: Immer mehr Pensionierte, immer weniger Erwerbstätige – und ein System, das auf Dauer so nicht tragfähig bleibt. Doch wie weiter? Unsere Studie zeigt: Die Bevölkerung denkt bereits weiter als die Politik und unterstützt mehrheitlich neue, realistische Reformideen.
Die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage und fundierte volkswirtschaftliche Analysen zeigen drei wirkungsvolle Ansätze, um die Altersvorsorge langfristig zu stabilisieren – tragfähig, finanzierbar und mehrheitsfähig. Dabei geht es nicht nur um den Staat: Auch Unternehmen und Versicherte selbst können mehr beitragen als bisher.
Die Schweiz braucht Reformen, und ihre Bevölkerung unterstützt Änderungen, aber nicht die derzeit am häufigsten diskutierten Massnahmen. Zwei Drittel (65%) lehnen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab, 49% sind gegen höhere Lohnbeiträge, 60% gegen mehr Steuern auf Vorsorgegelder und 67% gegen eine einmalige Erhöhung des Rentenalters. Diese Ablehnung zieht sich durch alle Altersgruppen und beide Geschlechter, ausser bei den Unter-34-Jährigen und Über-64-Jährigen, die als einzige klassische Massnahme höhere Lohnbeiträge knapp befürworten.
Wirklich wirksam ist eine Reformmassnahme nur, wenn sie einerseits volkswirtschaftlich sinnvoll und andererseits mehrheitsfähig ist. Unter volkswirtschaftlich sinnvoll verstehen wir nachhaltige Finanzierung, Generationengerechtigkeit und Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz, da nur ein leistungsfähiger Standort ein Sozialsystem nachhaltig finanzieren kann. In der folgenden Abbildung werden mögliche Reformideen diesen beiden Tests unterzogen. Die Mehrheitsfähigkeit wurde mittels einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage erhoben. Gefragt wurde dort nach Reformoptionen für die AHV, einige sind aber für alle drei Säulen relevant.
Was also bleibt, wenn man alle Optionen auf Wirtschaftlichkeit und Mehrheitsfähigkeit prüft? Von der Vielzahl möglicher Optionen sind nur drei übrig:
Eine relative Mehrheit von 44% unterstützt eine Erhöhung der Bundesbeiträge. Allerdings sollten diese nicht für laufende Ausgaben verwendet werden, sondern zweckgebunden für den Aufbau des AHV-Fonds. Damit liesse sich das AHV-Defizit kurzfristig stabilisieren und langfristig Kapitalerträge generieren.
Der Vorteil: Diese Beiträge wären zeitlich begrenzt, z. B. durch eine Sunset-Klausel, und müssten durch gleichzeitige Einsparungen oder Umschichtungen im Bundeshaushalt kompensiert werden. Besonders wirkungsvoll wäre es, wenn die Beiträge direkt in einen gestärkten AHV-Fonds fliessen, der an den Kapitalmärkten investiert wird. So wird kein neues Dauerdefizit geschaffen – aber finanzielle Stabilität gewonnen.
1. Säule (AHV): 53% der Befragten befürworten, dass die Renten vermehrt aus Anlageerträgen im Kapitalmarkt finanziert werden sollen. Eine Verdoppelung des AHV-Fonds wäre ausreichend, um einen Grossteil der prognostizierten Finanzierungslücke bis 2040 zu schliessen. Durch eine temporäre Erhöhung der Bundesbeiträge und entsprechenden Einsparungen bei anderen Bundesaufgaben könnte der AHV-Fonds über mehrere Jahre geäufnet werden, ohne einen grundlegenden Systemwandel herbeizuführen.
2. Säule (Pensionskassen): Höhere Einzahlungen und Renditen stärken die 2. Säule. Die Senkung der Eintrittsschwelle sollte nachgeholt werden, um vor allem die Vorsorge von Geringverdienern verbessert. Zudem sollten in der 2. Säule höhere Renditen anstrebt werden. Zwar steigen so die Risken, doch durch die lange Anlagedauer würden diese wiederum relativiert.
Weiter erlaubt eine stärkere Individualisierung der Anlagestrategien den Einbezug persönlicher Präferenzen und ermöglicht so die Wahl von Anlagestrategien mit einer höheren Renditewahrscheinlichkeit. Das Verlustrisiko hielte sich bei langfristigen Anlagen in Grenzen. Und darüber hinaus sollte eine höhere Transparenz für die Versicherten hergestellt und ihr Zugang zu ihren relevanten Vorsorgeinformationen verbessert und vereinfacht werden.
3. Säule: In der Umfrage geben knapp die Hälfte (49%) der Befragten an, in die 3. Säule einzuzahlen, aber nur 17% zahlen den Maximalbetrag ein. Von denjenigen, die einzahlen, investieren nur 9% den gesamten Betrag im Finanzmarkt in Aktien, Obligationen oder ähnliches Finanzprodukte. Haupthindernis für Einzahlungen sind fehlende finanzielle Mittel (41%), Hauptgrund für Nicht-Investieren ist Risikoaversion (43%). Die langfristige Wirkung von regelmässigen Investitionen sollte nicht unterschätzt werden. Auch mit kleineren Einzahlungen lässt sich über die Jahre beträchtliches Kapital ansparen.
Angebote in der 3. Säule könnten vor diesem Hintergrund optimiert werden, etwa bei Kosten-Nutzen-Verhältnis, Kundenerlebnis sowie individueller Anpassung.
68% der Befragten der Deloitte-Umfrage unterstützen ein flexibles Rentenalter. Damit dieses die finanzielle Lage der Vorsorge verbessert, müssten die Menschen freiwillig länger arbeiten. Die Umsetzung eines flexiblen Rentenalters könnte mit folgenden Massnahmen gelingen.
Opt-in Modell: Einführung eines Modells für den Renteneintritt, bei dem Arbeitnehmer ab einem Mindestalter selbst entscheiden, wann sie in Rente gehen. Das Referenzalter, das als Berechnungsgrundlage für die Rente dient, bleibe bei 65 Jahren.
Freiwillig länger arbeiten: Viele Menschen wollen länger arbeiten: 69% der Befragten können sich grundsätzlich vorstellen, länger als bis zum ordentlichen Renteneintrittsalter zu arbeiten. Eine Teilzeitbeschäftigung ist doppelt so beliebt wie eine Vollzeitbeschäftigung. Diese Werte sind über verschiedene Altersgruppen stabil und unterscheiden sich nicht grundlegend zwischen den Geschlechtern.
Doch nicht alle Menschen sind gesundheitlich oder beruflich in der Lage, über das aktuelle Pensionsalter hinauszuarbeiten: So sehen 30% der heutigen Rentner gesundheitliche Hürden, bei den Einzahlenden sind es sogar 44%.
Verbesserte Anreizstruktur: Arbeit soll sich lohnen und Arbeitnehmer motiviert werden, freiwillig über das AHV-Alter hinaus zu arbeiten. Entsprechend sollten auf diese volkswirtschaftlich erwünschte Arbeit (die auch versteuert werden muss) keine AHV-Beiträge mehr erhoben werden. Die Leute haben mit Erreichen des AHV-Alters das Recht auf eine AHV-Rente erworben; das sollte nicht relativiert werden. In der zweiten und dritten Säule sollten Einzahlungsmöglichkeiten, Verzinsungen und Steuervorteile auch nach dem Referenzalter gesichert sein.
Massnahmen für altersgerechtes Arbeiten: Unternehmen können ältere Mitarbeiter durch flexible Beschäftigungsmodelle und massgeschneiderte Programme motivieren und langfristig binden. Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitoptionen und Home-Office-Möglichkeiten bieten älteren Mitarbeitern die Flexibilität, die sie benötigen. Gezielte Weiterbildungsprogramme und Mentoring-Programme zur Wissensweitergabe sind ebenfalls wichtig. Unternehmen sollten stärker bereit sein, ältere Arbeitnehmer vorurteilsfrei einzustellen und in ihre Einarbeitung und Weiterbildung zu investieren.
Dem Staat kommt eine entscheidende Rolle zu. Aber gerade, weil staatliche Vorsorgereformen schwierig umzusetzen sind, sollten auch Unternehmen und einzelne Menschen ihren Spielraum zur Verbesserung der Vorsorge ihrer Angestellten bzw. der eigenen Vorsorge ausnutzen. Bleiben staatliche Reformen aus, sind Unternehmen und Versicherte umso mehr gefordert bei der Sicherung der Renten.