Die Alterung der Bevölkerung bringt das Schweizer Gesundheitssystem an seine Grenzen. Steigende Kosten, zunehmender Pflegebedarf und der Mangel an Fachkräften verlangen nach einem grundlegenden Umdenken. Gleichzeitig eröffnen neue Technologien und ein stärkerer Fokus auf Prävention Chancen für eine zukunftsfähige Versorgung. Unser Bericht zeigt Wege, wie die Versorgung effizienter und nachhaltiger gestaltet werden kann und liefert konkrete Handlungsempfehlungen.
Die demografische Alterung verändert die Schweiz grundlegend und stellt verschiedene Bereiche vor Herausforderungen. In der Publikationsreihe «Alternde Schweiz» werden die Auswirkungen des demografischen Wandels auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik näher beleuchtet. Dieser Teil widmet sich dem Gesundheitswesen – einem Bereich, der besonders stark von der alternden Bevölkerung betroffen ist.
Mit zunehmendem Alter steigt der medizinische und pflegerische Bedarf, was nicht nur höhere Kosten verursacht, sondern auch das Gesundheitssystem vor strukturelle Herausforderungen stellt. Besonders drängend ist der Fachkräftemangel: Schon heute fehlen in vielen Bereichen qualifizierte Arbeitskräfte, und dieser Engpass wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen.
Gleichzeitig eröffnen sich neue Möglichkeiten, die Gesundheitsversorgung effizienter und patientenzentrierter zu gestalten. Fortschritte in der Medizin, digitale Anwendungen und innovative Konzepte wie „Hospital at Home“ tragen dazu bei, dass ältere Menschen länger selbstbestimmt leben können. Zudem gewinnt Prävention an Bedeutung: Ein wachsendes Bewusstsein für gesunde Lebensführung, regelmässige Vorsorgeuntersuchungen und der Longevity-Trend zeigen, dass das Altern nicht nur Herausforderungen mit sich bringt, sondern auch neue Chancen eröffnet.
Seit den 1970ern findet eine Langlebigkeitsrevolution statt: Dank Verbesserungen im Gesundheitswesen, in der Medizin und im Lebensstil erreichen immer mehr Menschen ein hohes Alter, die Lebenserwartung steigt. Gleichzeitig ist die Geburtenrate stetig am Sinken. Dementsprechend ändert sich auch die Struktur der Bevölkerung. Bis 2050 ist damit zu rechnen, dass es pro Rentner nur noch zwei erwerbsfähige Personen geben wird.
Diese Entwicklungen – eine höhere Lebenserwartung bei gleichzeitig rückläufigen Geburtenzahlen – führen dazu, dass die Schweizer Bevölkerung im Durchschnitt älter wird. Die einstige Alterspyramide, in der die jungen Jahrgänge die breite Basis bildeten, wandelt sich zunehmend von einer Glockenform in eine Urnenform.
Mit dem Alter kommen auch gesundheitliche Einschränkungen und chronische Erkrankungen auf. Trotz der verbesserten Lebenserwartung besteht weiterhin eine Lücke zwischen Lebens- und Gesundheitsspanne: Männer und Frauen in der Schweiz leben zwar länger, verbringen jedoch viele der zusätzlich gewonnen Lebensjahre mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dies führt zu einem wachsenden Bedarf an medizinischen Behandlungen und Pflege, der sich im Verlauf der demografischen Alterung weiter zuspitzt.
Die Gesundheitskosten der Schweiz befinden sich bereits auf sehr hohem Niveau. Grund dafür sind vor allem die steigenden Ausgaben pro Kopf sowie das Bevölkerungswachstum, doch auch die demografische Alterung ist ein wichtiger Kostentreiber. Fehlanreize im Gesundheitssystem und die ineffiziente Nutzung der Ressourcen verschärfen das Problem.
Seit 1960 sind die Gesundheitskosten im Schnitt jährlich um 6,4% gewachsen. Damals lagen sie noch bei 2 Mrd. CHF, was etwa 374 CHF pro Kopf, sowie 4,5% des BIP entsprach. Mehr als sechzig Jahre später liegt dieser Wert bei 91 Mrd. CHF (2022), was rund 10'423 CHF pro Kopf und 11,7% des BIP entspricht.
Trotz eines hohen Angebots an Gesundheitspersonal kämpft die Schweiz mit einem spürbaren Arbeitskräftemangel, insbesondere bei Pflegefachkräften und Ärzten. Der Bedarf an Fachkräften im Gesundheitswesen wird in den kommenden Jahren weiter steigen, da viele ältere Fachkräfte in den Ruhestand treten. Auch die Nachbarstaaten kämpfen mit dem demografischen Wandel, der Wettkampf um Talente nimmt zu.
Die Alterung der Bevölkerung ist bereits eine akute Herausforderung. Fast die Hälfte (48%) der Fachärztinnen und -ärzte, die heute in Praxen arbeiten, sind 55 Jahre oder älter. Knapp ein Viertel davon ist sogar schon im Pensionsalter. In den Spitälern ist der Anteil älterer Ärztinnen und Ärzte zwar geringer, beträgt aber dennoch ein Drittel.
Digitale Lösungen und innovative Konzepte wie "Hospital at Home" können dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung effizienter und patientenzentrierter zu gestalten. Der Einsatz von KI-gestützten Diagnose-Tools und vernetzten Gesundheitsplattformen ermöglicht eine frühzeitige Erkennung und Behandlung von Krankheiten. Jedoch bestehen noch viele Hürden: Das Vertrauen in und die Nutzung von digitalen Anwendungen ist niedrig, der Informationsaustausch sowie der Zugang zu Gesundheitsdaten bleibt erschwert.
Ein wesentlicher Schwachpunkt bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens ist das elektronische Patientendossier (EPD). Laut dem Swiss eHealth Barometer 2024 kennen nur 37% der befragten Einwohnerinnen und Einwohner das EPD. Zahlen von eHealth Suisse zeigen zudem, dass die tatsächliche Nutzung tief bleibt: Bis Ende Februar 2025 wurden nur 104’407 EPD eröffnet – das entspricht knapp 1% der Bevölkerung.
Viele Patientinnen und Patienten sorgen sich, dass eine frühzeitige Entlassung das Risiko birgt, Komplikationen zu übersehen und bevorzugen daher eine stationäre Behandlung im Spital. Hier könnten Konzepte wie «Hospital at Home» ansetzen: Dort, wo eine engere Nachbetreuung sinnvoll oder erwünscht ist, könnten Kontrolltermine, mobile Unterstützung oder digitale Anwendungen den Übergang erleichtern.
Ein verstärkter Fokus auf Prävention und gesunde Lebensführung kann dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern. Früherkennung und Krankheitsvorbeugung ermöglichen ein gesundes Altern. Der Markt für Langlebigkeits- und Präventionslösungen wächst rasant und bietet grosses Potenzial für die finanzielle Stabilität des Gesundheitssystems durch Kosteneinsparungen.
Wenn das Schweizer Gesundheitswesen stärker auf Prävention und Digitalisierung setzen würde, könnten im Jahr 2040 um 30 Milliarden CHF bei den Gesundheitskosten eingespart werden. Die Ausgaben für die Prävention und Gesundheitsförderung würden zwar im Vergleich zu heute höher ausfallen, die Kosten für kurative Behandlungen wären hingegen halbiert.
Mit der demografischen Alterung steigt auch der medizinische und pflegerische Bedarf, was nicht nur höhere Kosten verursacht, sondern auch den bestehenden Fachkräftemangel verschärft. Um diesem Wandel zu begegnen, braucht es daher eine effizientere Nutzung der personellen und finanziellen Ressourcen im Gesundheitswesen.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen kann nicht nur die Arbeitskräfte entlasten, es schafft auch die Grundlagen für die Anwendung innovativer Technologien wie die KI-gestützte Diagnostik und ermöglicht die Integration digitaler Versorgungsmodelle.
Durch eine patientenorientierte Behandlung lässt sich besser auf die wachsenden Pflegebedürfnisse der alternden Bevölkerung eingehen.
Besonders in einer alternden Gesellschaft wird es immer wichtiger, Gesundheitsprobleme frühzeitig zu erkennen und vorzubeugen. Dies ermöglicht nicht nur ein längeres, sondern vor allem ein gesünderes Leben, und senkt langfristig die Kosten.