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Wie sieht das nutzenorientierte value-based healthcare der Zukunft aus?

Mehr Patientennutzen kann erzielt werden, indem man die Ergebnisse, die für Patienten relevant sind, verbessert oder indem man die gleichen Ergebnisse mit geringeren Kosten der Patientenbehandlung durch eine bessere Nutzung von Ressourcen erzielt.

Porter zufolge muss das Leistungsvermögen des Gesundheitswesens anders ermittelt werden. Im Mittelpunkt muss nicht die Menge der Behandlungen stehen sondern der Patientennutzen. Das entscheidende medizinische Ergebnis ist die Gesundheit, nicht die Behandlung. Beim VBHC-Modell sollten Anbieter von Produkten und Dienstleistungen aufgrund der erzielten Ergebnisse für Patienten und das Gesundheitssystem bezahlt werden und nicht aufgrund der Menge der durchgeführten Behandlungen.

Der gesundheitliche Nutzen kann ermittelt werden anhand des Weiterlebens (hinzugewonnene Jahre) oder des Grads der Genesung und Verbesserung der Lebensqualität. Dem wird jedoch ein Geldwert beigemessen. Seit Jahrzehnten wird eine intensive Debatte geführt über "den Wert menschlichen Lebens und Lebensqualität". Vor dem aktuellen Hintergrund wird sich diese Debatte wahrscheinlich verschärfen.

Tendenzen in Europa bei der Einführung von VBHC


In Europa gibt es bei der Einführung von VBHC unterschiedliche Modelle. Onkologie und seltene Krankheiten nehmen dabei eine Vorreiterrolle ein. In frühen Anwenderländern. VBHC verfügt über Rückhalt im System und der politischen Führung und wird unterstützt durch den Zugang zu relevantem Datenmaterial. Aus verschiedenen ähnlichen Gründen kam es jedoch noch nicht zu einer Ausweitung von VBHC. Wir gehen im Einzelnen auf diese Gründe ein und identifizieren mögliche Impulsgeber, die dafür sorgen, dass Organisationen realisieren, welches Potenzial VBHC tatsächlich hat.

Aus Daten müssen Erkenntnisse abgeleitet werden


Damit der Nutzen ermittelt und somit bezahlt werden kann, müssen die Ergebnisse für Patienten und die Gesundheit tatsächlich oder annähernd bestimmt werden. Immer umfangreichere strukturierte und unstrukturierte Gesundheitsdaten und die Möglichkeit, daraus aussagekräftige Informationen abzuleiten, sind ein wichtiger Impulsgeber für die Entwicklung in Richtung VBHC. Die Qualität der Daten und die Art ihrer Analyse müssen allerdings noch verbessert werden. Außerdem muss abgestimmt werden, welche Ergebnisse aus unterschiedlichen Perspektiven (Patient, System, Branche und Kostenträger) gemessen werden.

Durch die Entwicklung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) könnten Daten besser genutzt werden. Besonders hilfreich sind Instrumente für maschinelles Lernen, mit denen man aus einem Datenbestand besser aussagekräftige Informationen gewinnen kann. Auf maschinellem Lernen basierende Algorithmen (KI) werden bereits eingesetzt, um den schnellen Fortschritt einer Krankheit schon im Frühstadium anhand von Röntgenbildern besser festzustellen und vorherzusagen, bevor teure Eingriffe erforderlich sind. Um dieses Wissen für frühzeitigere Eingriffe oder sogar eine bessere Vorbeugung voll auszuschöpfen, ist allerdings noch sehr viel mehr Arbeit erforderlich. Wenn diese Erkenntnisse vollständig erfasst und genutzt würden, würde dies die Ergebnisse verbessern, die für Patienten relevant sind und zugleich die Kosten hierfür verringern.

Die Denkweise muss sich ändern und der Patient muss im Mittelpunkt stehen


Zurzeit ist das Gesundheitssystem nicht auf einen nutzenorientierten Ansatz ausgelegt. Wenn man die Gesundheit und nicht die Menge der Behandlungen als Ergebnis medizinischer Eingriffe betrachtet, muss es einen gesellschaftlichen Konsens über den Nutzen und dessen Bedeutung geben. Die Ansichten einzelner Wissenschaftler zu den gesundheitlichen Folgen reichen alleine nicht aus, um VBHC als beste Lösung für die Zukunft durchzusetzen.

Der Schlüssel für ein besseres Verständnis des Nutzens ist ein Ansatz, bei dem der Patient im Mittelpunkt steht. Der Nutzen muss zunächst aus Sicht des Patienten ermittelt werden und Patienten und Ärzte müssen in einen stärkeren Dialog treten, um die Bedürfnisse der Patienten zu verstehen und Unstimmigkeiten zwischen den klinischen Ergebnissen und den Beurteilungen der Ergebnisse durch Patienten zu verringern. Um relevante Daten zu erfassen und Ergebnisse zu messen, müssen also mehr Messgrößen für die Beurteilung der Ergebnisse durch Patienten (PROMs oder ePROs) bestimmt und genutzt werden.

Es gibt also noch viel zu tun. Die Lebensqualität von Patienten, die wegen Prostatakrebs behandelt wurden, hängt beispielsweise davon ab, inwieweit sie unter Harninkontinenz oder sexueller Dysfunktion leiden. Zurzeit sind dies jedoch keine üblichen Messgrößen für Behandlungsergebnisse und Ärzte haben keine gemeinsame Grundlage, um diese Ergebnisse zu messen.

Ein weiteres Problem besteht darin, zu ermitteln, inwieweit eine Personalisierung möglich ist, um den Nutzen je nach Patient unterschiedlich zu definieren. VBHC wird nur Erfolg haben, wenn das Gesundheitssystem hierdurch nicht unübersichtlicher wird. Bei immer stärker personalisierten und präziseren Behandlungen müssen Messgrößen vereinfacht werden, indem man sich auf gemeinsame (einheitliche) Ergebnisse und den gemeinsamen Nutzen konzentriert.

Der Markt für VBHC


Die beschleunigte Innovationsrate im Gesundheitswesen bei neuen Verfahren wie digitalen Therapieformen und Gentherapie sowie die hohen Kosten vieler medizinischer Innovationen führen wahrscheinlich dazu, dass sich die Einstellung gegenüber VBHC ändert. Zu erkennen ist dies bereits an einer stärkeren Akzeptanz ergebnisbasierter Zahlungsmodelle für Therapien. Statt einer mengenbasierten Zahlung von Behandlungen sind Hersteller und Kostenträger eher dazu bereit, nutzenorientierte Modelle zu akzeptieren. Dies erfordert, dass Hersteller, Patienten und Kostenträger ihre Ansichten zum Nutzen und zum Preis von Behandlungen angleichen. Dies hat Auswirkungen auf die Einstellung der Hersteller gegenüber der Forschung zur Entwicklung neuer Behandlungsverfahren und die Bereitschaft der Kunden, hierfür zu bezahlen. Nutzenorientierte Vereinbarungen zwischen Herstellern und Kunden (Kostenträgern), bei denen Zahlungen mit den Ergebnissen für Patienten und das Gesundheitssystem verknüpft sind, sind als Geschäftsmodell aber immer noch neu. Ein möglicher Vorteil besteht darin, dass Hersteller einen deutlichen Anreiz haben, die Ergebnisse für Patienten oder das Gesundheitssystem mit den von ihnen entwickelten Behandlungsverfahren zu verbessern, wenn sie für die medizinischen Ergebnisse bezahlt werden und nicht für die Menge der Behandlungen. Patienten und Gesundheitssysteme werden so auch stärker dabei unterstützt, Hindernisse zu überwinden, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Führung wird benötigt


Darüber hinaus gibt es für den erfolgreichen Einsatz eines VBHC-Systems bedeutende Hürden im Hinblick auf Infrastruktur- und Führungsaspekte. Die am System beteiligten Akteure müssen sich in stärkerem Maße vertrauen und es sind mehr branchenweite Standards für die Qualität, die Bereitstellung und die Prüfung von Daten erforderlich. Ebenso bestehen Probleme im Zusammenhang mit dem Zugang zu personenbezogenen Daten und Datensicherheit und bei der Skalierbarkeit (von kleinen, erfolgreichen Pilotprojekten hin zu einer breit angelegten Einführung). Bei diesen Aspekten müssen noch größere Fortschritte erzielt werden.

Um den Wandel voranzutreiben, sind systemübergreifende Anreize und Impulse erforderlich. Ohne eine durchgehende Verpflichtung aller politischen Entscheidungsträger und ohne Akzeptanz und Impulse der Anbieter und des Gesundheitspersonals ist VBHC nur schwer durchzusetzen. Außerdem müssen Patienten, ihre Betreuer und Organisationen zur Verteidigung von Patientenrechten dafür sorgen, dass Patienten einen menschlichen Umgang erfahren und dem strategischen Narrativ eine Stimme verleihen, für das sich politische Entscheidungsträger, Kostenträger und Gesundheitsdienstleister und -einrichtungen auf Führungsebene einsetzen. Ohne Führung auf allen Ebenen ist es nicht möglich, eine bedeutende Impulsänderung zu bewirken.

VBHC und COVID-19


COVID-19 hat enorme Auswirkungen auf das Gesundheitswesen. Bei Patienten, die auf eine optionale Behandlung warten, hat dies zu einem großen Rückstau geführt und bei Patienten, die auf Behandlungen warten, kommt es immer öfter zu langfristigen Erkrankungen. Durch die Krise wird bei Kontakten mit Patienten und zur Überwachung der Gesundheit der Bevölkerung verstärkt Technologie eingesetzt und der Nutzen medizinischer Prävention wird stärker wahrgenommen. Finanzierungsdruck führt dazu, dass Ausgaben und ihre Folgen genauer unter die Lupe genommen werden und es müssen schwierige Entscheidungen zur Verteilung knapper finanzieller Mittel getroffen werden.

Wahrscheinlich werden die Probleme und Entwicklungen infolge von COVID-19 ein Impulsgeber sein, um VBHC auf breiter Ebene einzuführen. Es ist jetzt an der Zeit, die Chance zu nutzen.

 

Anerkennung:
Dieser Artikel wurde zusammen mit DayOne verfasst. Er entstand aus einer Diskussion über nutzenorientiertes value-based healthcare (VBHC) während der Veranstaltung DayOne Experts von DayOne und Deloitte in der Schweiz im Juli 2020. DayOne ist die Healthcare Innovation Initiative von Basel Area Business & Innovation, der Wirtschaftsförderungsagentur der Kantone Basel-Stadt, Basel-Land und Jura.

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