Der Spotstrommarkt, einst Hort für lukrative Investitionen, wird zunehmend von fundamentalen Interessenkonflikten geprägt. Die durch den Krieg in der Ukraine beschleunigte Energiewende zusammen mit einer Subventionierung von Wind- und Solarfarmen nach dem „Giesskannenprinzip“ führt zu beispiellosen – und sehr teuren – Interessenkonflikten. Auf wessen Kosten?
Viele neuen Wind- und Solaranlagen mit sehr tiefen Betriebskosten (es gibt keine Brennstoffkosten) sind in Europa in den Genuss von Subventionen gekommen. Dabei werden die Fördergelder oftmals für jede eingespeiste MWh ins Stromnetz gesprochen –für eine begrenzte Dauer teilweise sogar bei negativen Grosshandelspreisen. Das Ziel für die neuen Produzenten von erneuerbaren Energien lautet entsprechend: produzieren, produzieren – koste es, was es wolle, und den Strom ins Netz einspeisen – Nachfrage hin oder her. Denn die Wind- und Solaranlagen leben oftmals von den Fördergeldern und nicht vom Spotpreis. Diese Handlungsweise widerspiegelt sich aktuell häufig in den tiefen Preisen der Spotbörsen bei guten Sonnen- und/oder Windverhältnissen. Die Spotstrombörsen sind für den kurzfristigen Handel mit Strom geschaffen worden – gewöhnlich für den nächsten Tag. Dabei sammelt die Spotbörse pro Marktplatz die eingegangenen stündlichen Angebote der Produzenten und ordnen diese aufsteigend bzw. die stündlichen Angebote der Konsumenten absteigend. Der Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragekurven ergibt den Market Clearing Preis, der für diese Stunde jeder Marktteilnehmer mit einem Zuschlag erhält.
Die Auswüchse der bedingungslosen Stromeinspeisung zeigt exemplarisch ein Blick auf die stündlichen Grosshandelspreise der iberischen Spotstrombörse OMIE. Weite Teile von Iberien weisen dabei einen durchschnittlichen Spotpreis von Null auf bzw. je nach der Regulierung könnten die Grosshandelsstromarktpreise an der zuständigen Börse auch negativ sein – d.h. die Stromkonsumentinnen und -konsumenten werden für den Stromverbrauch bezahlt!
Unter diesem Kannibalisierungseffekt – tiefe Strompreise aufgrund von Kraftwerken mit identischem Produktionsverhalten sowie tiefen Betriebskosten und/oder Subventionen – leiden alle Marktteilnehmer. Für konventionelle Kraftwerke, die in Zeiten der Dunkelflaute unabdingbar sind, d.h. wenn keine oder nur eine marginale Stromproduktion aus Solar- und Windkraftwerken verfügbar ist, , gibt es immer weniger Betriebsstunden, und so manche Besitzer von konventionellen Anlagen dürften sich aufgrund der herausfordernden wirtschaftlichen Situation über eine vorzeitige Stilllegung bzw. die Teilnahme eines Kraftwerks in der Netzreserve – zur Stabilisierung des Stromübertragungsnetzes – Gedanken machen.
Ohne entsprechende Fördergelder ist bei der heutigen Strommarktregulierung eine Investition in ein Kraftwerk nicht lohnenswert – dies gilt sowohl für neue erneuerbare Anlagen als auch für konventionelle Kraftwerke. Dem zögerlichen Aufbau von neuer Kraftwerksleistung wirken wir jedoch mit der forcierten Stilllegung von älteren konventionellen Kraftwerken in Europe entgegen. Sind wir aktuell noch mit einer starken Volatilität der Preise konfrontiert, so könnten wir uns bald mit zu wenig verfügbarer Kraftwerksleistung zu Spitzenzeiten und in Zukunft mit rollierenden Blackouts gegenübersehen.
Die nach Fukujima angestrebte „Energiewende“ lässt sich mit der gegenwärtigen Strom- und Energiepolitik nicht erreichen. Investoren verlieren Geld und werden vor weiteren Investitionen in die Strominfrastruktur abgeschreckt, die Versorgungssicherheit leidet und die Konsumenten sind einer immer grösseren Preisfluktuation und somit finanziellen Risiken ausgesetzt. Die bisherige Energiewende ist daher auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Doch ohne eine zukunftsweisende Strommarktregulierung oder die Subventionierung sämtlicher Kraftwerke werden wir diesen Wettlauf nicht gewinnen und lassen sich auch die Klimaziele nicht erreichen.