Am 30. April 2025 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-602/23 zur Frage der KESt-Rückerstattung auf Dividenden an einen US Investmenttrust entschieden. Der EuGH kam zu dem Schluss, dass die Versagung der KESt-Rückerstattung an eine in den USA ansässige körperschaftlich organisierte Investmentgesellschaft nicht gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wenn die Einkünfte den Anteilsinhabern des Trusts zugerechnet und nicht auf seiner Ebene, sondern auf Ebene seiner Anteilinhaber besteuert werden.
Ein in den USA ansässiger und mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteter Corporate Fund hatte die Rückerstattung der einbehaltenen Quellensteuer auf Dividenden aus Portfoliobeteiligungen an zwei österreichischen Aktiengesellschaften für das Jahr 2013 beantragt. Gestützt wurde der KESt-Rückerstattungsantrag in Österreich auf § 21 Abs 1 Z 1a KStG in der Fassung des Jahres 2013. § 21 Abs 1 Z 1a KStG normierte, dass beschränkt Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes ansässig sind, die Kapitalertragsteuer für die von ihnen bezogenen Dividenden auf Antrag zurückzuzahlen ist, soweit die Kapitalertragsteuer nicht auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat angerechnet werden kann. Der Steuerpflichtige hat den Nachweis zu erbringen, dass die Kapitalertragsteuer ganz oder teilweise nicht angerechnet werden kann. Die Bestimmung war dem Wortlaut nach auf beschränkt Steuerpflichtige, die in der EU oder im EWR ansässig sind, eingeschränkt.
Der Corporate Fund hatte seine gesamten Einkünfte des Jahres 2013 an seine Anteilseigner aufgrund einer US-Regelung einkommensteuermindernd ausgeschüttet, sodass im Ergebnis in den USA keine steuerpflichtigen Einkünfte auf Ebene des Corporate Funds vorlagen, auf die die österreichische KESt angerechnet werden konnte.
Dem VwGH (VwGH 11.9.2020, Ra 2020/13/0006) zufolge kann eine Rückerstattung im Lichte der Kapitalverkehrsfreiheit gem Art 63 AEUV allerdings dann für Drittstaatsgesellschaften geboten sein, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Das Finanzamt wies den Antrag auf KESt-Rückerstattung ab. Die dagegen erhobene Bescheidbeschwerde wurde durch das BFG negativ erledigt (siehe auch BFG 3. 10. 2017, RV/7103986/2015).
Mit Erkenntnis vom 13.1.2021, Ro 2018/13/0003, hob der VwGH die Entscheidung des BFG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf.
Das BFG hatte im weiteren Verfahren unter anderem zu prüfen, ob es sich bei der Antragstellerin, dem US Corporate Fund, um eine mit einer inländischen Körperschaft vergleichbare ausländische Körperschaft handelt.
Mit Erkenntnis vom 22. 4. 2002, RV/7100203/2021 kam das BFG zu folgendem Ergebnis:
Die belangte Behörde sah keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, da ein Vergleich mit einer inländischen Körperschaft, die im Hinblick auf ihre Geschäftstätigkeit mit einem OGAW (Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) vergleichbar sei, jedenfalls der transparenten Fondsbesteuerung unterliege. Im Ergebnis sei daher der Typenvergleich mit einer inländischen Körperschaft unzulässig und würde zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung mit einem inländischen Investmentfonds führen. Inländische Gebilde, die aufsichtsrechtlich als Investmentfonds qualifizieren, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum 2013 (dh gem § 188 InvFG 2011 idF vor AIFMG) jedenfalls der transparenten Fondsbesteuerung und waren somit auf Fondsebene von der KESt-Ertstattung ausgeschlossen. Auf Grundlage dieser Argumentation wurde seitens der Agabenbehörde beim VwGH Revision eingebracht.
Der VwGH hat die Revisions-Argumentation aufgegriffen. In seinem Vorabentscheidungsersuchen wollte der VwGH vom EuGH geklärt haben, ob § 188 InvFG 2011 eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt, wenn diese Bestimmung im Ergebnis eine ausländische Körperschaft von der KESt-Rückerstattung ausschließt, weil sie in Bezug auf die Geschäftstätigkeit mit einem österreichischen Investmentfonds vergleichbar ist. In Österreich kann die Tätigkeit eines Wertpapierinvestementfonds nämlich nur in Vertragsform als Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft errichtet werden und nicht in der Rechtsform einer Körperschaft. Die Besteuerung erfolgt dem Transparenzgedanken folgend daher nicht auf Ebene des Investmentfonds sondern unmittelbar bei den Anteilseignern. Ein inländischer Investmentfonds ist daher von der KESt-Erstattung ausgeschlossen.
Der EuGH stellt klar, dass die rechtliche Form des Corporate Fund-Vehikels (dh mit eigener Rechtspersönlichkeit) allein nicht zwangsläufig ein ausländisches Investmentvehikel von einem inländischen Investmentfonds unterscheidet und insoweit eine steuerlich transparente Behandlung des ausländischen Investmentvehikels analog zu einem gebietsansässigen OGAW trotz körperschaftsrechtlicher Organisation des ausländischen Investmentvehikels grundsätzlich keine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt. Voraussetzung ist nach Ansicht des EuGH jedoch, dass das Einkommen tatsächlich – wie im Verfahrensgang argumentiert – den Anteilsinhabern des ausländischen Investmentvehikels zugerechnet und insoweit nicht auf Ebene des ausländischen Investmentvehikels, sondern im Ergebnis auf Ebene der Anteilseigner besteuert wird.
Der EuGH verwies den Fall zurück an den Verwaltungsgerichtshof, um auf Sachverhaltsebene zu klären, wie bzw auf welcher Ebene die Besteuerung der Dividende nach ausländischem Recht tatsächlich erfolgt und ob hinsichtlich des ausländischen Investmentvehikels – mit Ausnahme der körperschaftsrechtlichen Organisation – Vergleichbarkeit mit einem österreichischen OGAW Konstrukt vorliegt.
Sollte der VwGH diese Vergleichbarkeit bestätigen, wäre mangels Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit eine KESt-Erstattung nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG ausgeschlossen. Der Ausgang des fortgeführten Verfahrens bleibt daher abzuwarten.
Das Verfahren bezieht sich auf die Rechtslage des § 188 InvFG idF vor AIFMG. Im Hinblick auf die Beurteilung, ob bzw inwieweit das Verfahren über den Einzelfall hinaus generelle Bedeutung auch für weitere offene Verfahren von EU-ansässigen körperschaftlich organisierten Fonds haben wird, bleibt bis zur Entscheidung durch den VwGH abzuwarten.