Zum Hauptinhalt springen

BFH-Entscheidung: Zurechnung von Aktien und Dividenden im Zusammenhang mit einem Wertpapierdarlehen

Die Komplexität von wirtschaftlichem Eigentum

Überblick

In einer komplexen rechtlichen Auseinandersetzung wurde der Bundesfinanzhof (BFH 13. 11. 2024, I R 3/21) um Klärung gebeten, ob Dividendenzahlungen aus der Besicherung eines Wertpapier-Sachdarlehens einer Bank steuerlich der Klägerin zuzuordnen sind.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Klägerin hatte von einer Bank zum Zweck der Besicherung eines Wertpapier-Sachdarlehens das Eigentum an börsennotierten britischen Aktien übertragen bekommen. Die Klägerin war vertraglich gebunden, gattungsgleiche Aktien zu einem späteren Zeitpunkt zurückzuübertragen und eine Gebühr in Höhe von 2,2 % der bezogenen Dividenden zu zahlen. Dabei wurden gezielt Aktien knapp vor ihrem Dividendenstichtag ausgewählt und nach der Dividendenausschüttung gegen andere Aktien ausgetauscht. Die Klägerin leistete Ausgleichszahlungen in Höhe des Bruttodividendenbetrags an die Bank.

Die Klägerin behandelte die erhaltenen Dividenden als steuerfrei nach § 8b Abs 1 und 5 dKStG und betrachtete die Kompensationszahlungen als Betriebsausgaben. Das Finanzamt sah darin einen Gestaltungsmissbrauch, um eine Steuervorteilsregelung zu umgehen und lehnte die steuerliche Freistellung der Dividenden ab.

Das FG München betrachtete die Aktien gemäß § 39 dAO nicht als der Klägerin zurechenbar und auf die Frage des Gestaltungsmissbrauchs ging es nicht weiter ein.

Entscheidung des BFH:

  • Analyse der Zurechnung: Der BFH prüfte zunächst, ob die Dividenden steuerlich der Klägerin zuzurechnen sind. Nach § 8b Abs 1 dKStG sind Dividenden bei der Einkommensbestimmung außer Acht zu lassen, wenn sie der Klägerin steuerlich zurechenbar sind. Diese Zurechnung verlangt, dass die Klägerin Anteilseignerin der Aktien ist und ihr die Anteile im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses gemäß § 39 dAO zuzurechnen sind.
  • Zivilrechtliches vs. Wirtschaftliches Eigentum: Wirtschaftsgüter sind dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Abweichend hiervon können sie demjenigen zugerechnet werden, der die tatsächliche Herrschaft ausübt. Entscheidend beim wirtschaftlichen Eigentum ist, wer die Rechte wie Gewinnbezugsrechte und Stimmrechte ausüben kann und die Wertänderungschancen und Risiken trägt.
  • Interpretation des Sicherungseigentums: Normalerweise wird im Rahmen eines Sicherungseigentums das wirtschaftliche Eigentum getrennt vom zivilrechtlichen Eigentum betrachtet. In diesem Fall ging der BFH jedoch nicht von einem klassischen Fall des Sicherungseigentums aus, da die Klägerin die übertragenen Aktien auch ohne Eintritt eines Sicherungsfalls veräußern konnte und lediglich die Verpflichtung zur Rückübertragung bestand. Dies macht den Fall vergleichbar mit einem Wertpapierdarlehen.

Der BFH kam zu dem Schluss, dass der Klägerin die Aktien gemäß § 39 dAO zuzurechnen waren. Das FG München legte nach Ansicht des BFH zu Unrecht den Fokus auf die subjektive Absicht der Klägerin. Rechtlich und tatsächlich standen der Klägerin die Stimmrechts-Ausübung und die Chancen und Risiken aus einer Wertänderung ohne Beschränkungen zu. Dieser Beurteilung folgend wird das Verfahren zur Prüfung eines Gestaltungsmissbrauchs an das FG München zurückverwiesen.

Die Entscheidung des BFH unterstreicht die Bedeutung des wirtschaftlichen Eigentums für die Zurechnung von Dividenden im Steuerrecht. Diese hängt maßgeblich davon ab, wer die durch Anteile garantierten Rechte tatsächlich wahrnehmen und die damit verbundenen Chancen und Risiken tragen kann.

Einordnung im österreichischen Kontext

(Auch) nach österreichischer Sicht ist die steuerliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern und daraus resultierender Einkünfte grundsätzlich nach Maßgabe der abgabenrechtlichen Regelungen (BAO) zu beurteilen. Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf der Annahme, dass aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Sicherungseigentums auch nach österreichischer Auslegung das Sicherungsgeschäft der Wertpapierleihe gleichgestellt würde, was gesondert zu prüfen wäre.

Bei einer typischen Wertpapierleihe wird in der Regel das wirtschaftliche Eigentum beim Entleiher anzunehmen sein. Dies ergibt sich daraus, dass die Verfügungsrechte (gemeinsam mit dem zivilrechtlichen Eigentum) auf den Entleiher übergehen und seine Risikoposition im Vergleich zum Verleiher stärker ausgeprägt ist.

Für Wertpapierleihen werden nach aktueller österreichischer Rechtslage die durch den Entleiher unter aufrechter Wertpapierleihe vereinnahmten Zahlungen zunächst als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital qualifiziert. Als solche gelten auch Ausgleichszahlungen und Leihgebühren, die der Verleiher eines Wertpapiers vom Entleiher erhält. Im Ergebnis soll nach Verwaltungspraxis der Verleiher weiterhin so gestellt werden, als hätte er die originären Erträge aus dem Leihgut erhalten, während die Kapitalanlagen grundsätzlich in das zivil- und wirtschaftliche Eigentum des Entleihers übergehen. Anders als beim Pensionsgeschäft kommt es zu keinem Veräußerungsvorgang.

Die Frage der Zurechnung von Einkünften steht zudem in engem Zusammenhang mit der Frage der Möglichkeit zur Anrechnung bzw Erstattung von Dividendenquellensteuern. Wesentlich ist hierbei nicht zuletzt auch die Stichtagsthematik: Nach prominenter Rechtsprechung des VwGH vom 28.6.22, Ro 2022/13/0002, ist eine Dividendenzahlung stets demjenigen Steuerpflichtigen zuzurechnen, der im Zeitpunkt des Beschlusses der Gewinnverteilung in der Hauptversammlung wirtschaftlicher Eigentümer war. Nur dieser Steuerpflichtige könne eine Erstattung der abgezogenen KESt beantragen. Nicht zuletzt aufgrund der in der Praxis iZm den einschlägigen Börseusancen verbundenen praktischen Schwierigkeiten beim Abstellen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Auszahlung einer Dividende wurde für in- und ausländische zentralverwahrte Aktien die Zurechnung der Einkünfte in weiterer Folge gesetzlich abweichend zur VwGH-Rechtsprechung verankert, welche nunmehr bei Zufluss der Dividende ab dem 30.6.2023 zur Anwendung gelangt: Die Einkünftezurechnung für die über einen Zentralverwahrer ausbezahlten Dividenden setzt demzufolge das wirtschaftl Eigentum am Ende des Record-Tages voraus. An diesem Tag stellt der Zentralverwahrer die Anspruchsberechtigung fest, welcher somit grundsätzlich für die steuerliche Zurechnung der Einkünfte maßgeblich ist.
Diese Zurechnungsregel ist im Betriebs- und Privatvermögen bzw im Rahmen der Einkommen- oder Körperschaftsteuer zu berücksichtigen. Bei zeitnahen Übertragungen zum Record-Date gibt es ab einer Bruttodividende von mehr als EUR 20.000,- pro Steuerpflichtigem zusätzliche Anforderungen an die KESt-Erstattung und Anrechnung im Hinblick auf das wirtschaftliche Risiko und die Mindestbehaltedauer um den Record-Tag. Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann hierbei eine entsprechend ausgestaltete Wertpapierleihe dazu führen, das wirtschaftliches Risiko desjenigen auszuschließen, dem die Einkünfte grundsätzlich zuzurechnen wären. Im Zusammenhang mit einer Wertpapierleihe kann es daher – abhängig von der konkreten Ausgestaltung – zu einer Einschränkung der Möglichkeit zur vollen Anrechnung bzw Erstattung einer einbehaltenen Kapitalertragsteuer beim Entleiher kommen (jedenfalls soweit nicht nachweislich aus der Leihe kein Steuervorteil lukriert wurde).

Fazit

Die Frage der Zurechnung von Dividenden aus Aktien steht in engem Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Eigentum an den Aktien. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind dabei die Rechte zur Ausübung des Gewinnbezugsrechts, Stimmrechts und Substanzverwertungsrechts ausschlaggebend. In Österreich sind für zentralverwahrte Aktien zudem die gesetzlich verankerten Zurechnungsbestimmungen bzw Regelungen zu Erstattung und Anrechnung von Kapitalertragsteuer nach § 32 Abs 4 EStG als gemeinsame Vorschrift zu beachten, welche zusätzliche Anforderungen beinhalten, die im Falle der Wertpapierleihe wohl als gesonderte Hürde zu erachten sind.

 

Fanden Sie dies hilfreich?

Vielen Dank für Ihr Feedback