In seiner ersten Entscheidung zur Rückforderung (vermeintlich) zu Unrecht erstatteter Abgaben auf Basis von § 241a BAO hat der VwGH ausgesprochen, dass eine Rückforderung die vorherige (abweisende) Entscheidung über den Erstattungsantrag voraussetzt. Maßgeblich ist dies insbesondere für Fälle, in denen nach früherer Verwaltungspraxis Erstattungsanträge ohne bescheidmäßige Erledigung durch faktische Auszahlung des begehrten Erstattungsbetrags erledigt wurden.
Eine in UK ansässige Kapitalgesellschaft erwarb im Jahr 2011 rund um den Dividendenstichtag Aktien einer österreichischen AG. Nach Ausschüttung einer Dividende der österreichischen AG unter Einbehaltung von KESt beantragte die UK-Gesellschaft im Jahr 2012 die Erstattung von KESt auf Basis des DBA Großbritannien. Das Finanzamt entsprach dem Erstattungsantrag gemäß der damals (2001 bis 2013) üblichen Verwaltungspraxis durch faktische Auszahlung, ohne bescheidmäßig über den Antrag abzusprechen.
Nach Inkrafttreten des mit dem AbgÄG 2020 geschaffenen § 241a BAO (Rückforderung von rechtsgrundlos erlangten Erstattungen oder Rückzahlungen) im Oktober 2019 erließ das Finanzamt noch im Jahr 2019 einen auf diese Rechtsgrundlage gestützten Bescheid, mit welchem es die im Jahr 2012 erstattete KESt rückforderte, da die UK-Gesellschaft im für die Zurechnung der Dividende maßgeblichen Zeitpunkt nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Dividende war („Cum-/Ex-Fall“).
Bei einem Antrag auf Erstattung entrichteter Quellensteuern (hier: KESt) aufgrund von Bestimmungen eines DBA handelt es sich um „Erstattungen“ oder „Rückzahlungen“ iSd § 241a BAO. Derartige Rückzahlungen oder Erstattungen sind nach § 241a BAO an die Finanzverwaltung zurückzuzahlen, wenn sie „ohne Rechtsgrund“ erlangt wurden.
Über Erstattungsanträge ist – entgegen der zwischen 2001 und 2013 geübten Verwaltungspraxis – jedenfalls, auch bei Stattgabe des Antrags, mit Bescheid abzusprechen. Solange ein noch unerledigter (dh – ungeachtet einer faktischen Auszahlung des begehrten Erstattungsbetrags – nicht mit Bescheid erledigter) Erstattungsantrag vorliegt, kann eine Rückforderung nicht auf § 241a BAO gestützt wurden.
Wurde eine Abgabe (vermeintlich) zu Unrecht erstattet, ist daher zuerst über den noch unerledigte Erstattungsantrag bescheidmäßig abzusprechen, dh der Antrag abzuweisen. Erst in einem zweiten Schritt ist zu klären, ob eine Rückforderung durch die Finanzverwaltung auf Basis des § 241a BAO zulässig ist. Maßgeblich hierfür wird sein, ob § 241a BAO auch auf vor dessen Inkrafttreten entstandene Rückforderungsansprüche anwendbar ist (rückwirkende Anwendung) und damit zusammenhängend, wann der Rückforderungsanspruch grundsätzlich entsteht (hierzu hatte sich der VwGH in der gegenständlichen Entscheidung nicht zu äußern), sowie ob im konkreten Fall der Rückforderungsanspruch bereits verjährt ist.
Die Rückforderung einer zu Unrecht erstatteten Abgabe durch die Finanzverwaltung setzt voraus, dass über den Erstattungsantrag des:der Steuerpflichtigen mit (abweisendem) Bescheid abgesprochen wurde.
Wurden – wie es zwischen 2001 und 2013 gängige Verwaltungspraxis war - auf Grund eines Antrags des:der Steuerpflichtigen Abgaben durch faktische Rückzahlung erstattet (dh ohne über den Erstattungsantrag mit Bescheid abzusprechen), setzt die Rückforderung einer zu Unrecht erstatteten Abgabe (auf Basis § 241a BAO) voraus, dass die Behörde zuerst den – noch unerledigten – Erstattungsantrag mit Bescheid abweist. Ein nach § 241a BAO ergangener Rückforderungsbescheid, welcher ohne vorherige bescheidmäßige Erledigung des Erstattungsantrags ergeht, ist daher rechtswidrig.
Wurde dem Erstattungsantrag mit Bescheid stattgegeben, setzt eine Rückforderung mittels § 241a BAO voraus, dass zuerst der stattgebende Bescheid (sofern verfahrensrechtlich zulässig) aufgehoben und ein abweisender Bescheid erlassen wird.