Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 4.9.2019, Ro 2017/13/0009, entschieden, dass Verluste eines Gruppenmitgliedes aus der Liquidationsphase nicht dem Gruppenergebnis zugerechnet werden dürfen. Gleichzeitig sind finale Verluste der österreichischen Muttergesellschaft aus der Beteiligung an der ausländischen Gruppengesellschaft steuerunwirksam, weil Teilwertabschreibungen („TWA“) bis zur Löschung der Gesellschaft gem § 9 Abs 7 KStG nicht geltend gemacht werden dürfen. Weiters entfällt (als Konsequenz der Rechtsprechung des VwGH) für die Verluste aus der Liquidationsphase die Möglichkeit der Gegenverrechnung der Nachversteuerung von Auslandsverlusten mit TWA. Würde die österreichische Muttergesellschaft die Beteiligung an der ausländischen Tochtergesellschaft hingegen außerhalb einer Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG halten, erfüllt diese in der Regel die Anforderungen zur Qualifikation als Schachtelbeteiligung gem § 10 Abs 2 KStG. Dies hat zur Folge, dass die Verluste aus der Liquidation einer Tochtergesellschaft, die als internationale Schachtelbeteiligung gehalten wird, von der Muttergesellschaft verwertet werden können (§ 10 Abs 3 Satz 2 KStG). Die beschriebene Problemstellung deutet prima facie auf eine Ungleichbehandlung zwischen einer ausländischen Tochtergesellschaft innerhalb und außerhalb einer Unternehmensgruppe hin. Im Folgenden wird die Problemstellung anhand eines Praxisbeispiels beleuchtet.
Eine österreichische Unternehmensgruppe gründet eine Tochtergesellschaft im Ausland und hält 100 % am Stammkapital. Die ausländische Tochtergesellschaft erweist sich nach einigen Jahren als dauerhaft verlustbringend und wird liquidiert:
Die Verluste aus der Liquidationsphase dürfen nach Rechtsansicht des VwGH nicht dem Gruppenergebnis zugerechnet werden. Der Nachversteuerungsbetrag beläuft sich daher nur auf 280, der um die nicht steuerwirksamen TWA (insgesamt 480) zu kürzen ist. Da die Gegenverrechnung mit dem Nachversteuerungsbetrag gedeckelt ist, können nur TWA in Höhe von 280 steuermindernd verwertet werden. Endgültige Verluste in Höhe von 200 (= 480 - 280) bleiben nach dieser Systematik unberücksichtigt.
Wie bereits erwähnt, ist die Beteiligung ebenso als Schachtelbeteiligung gem § 10 Abs 2 KStG zu qualifizieren. Außerhalb des Gruppenregimes wäre es daher jedenfalls unstrittig, dass der tatsächliche und endgültige Vermögensverlust in Höhe von -480 nach Beendigung des Liquidationsverfahrens bei der Muttergesellschaft gem § 10 Abs 3 Satz 2 KStG (über sieben Jahre verteilt) in Abzug zu bringen ist. Der Verlust aus der Beteiligung könnte so zur Gänze steuerlich geltend gemacht werden.
Das Praxisbeispiel zeigt, dass es im Liquidationsfall trotz eines endgültigen und tatsächlichen Vermögensverlustes zu einer unbilligen Schlechterstellung zwischen einem ausländischem Gruppenmitglied und einer internationalen Schachtelbeteiligung kommen würde, wenn die übersteigenden Verluste nicht nach § 10 Abs 3 KStG abgezogen werden können. In dem zuvor beschriebenen Beispiel wäre dies – trotz identem Sachverhalt – in Form eines nicht steuerwirksamen Verlustanteils in Höhe von -200 gegeben. Um ein derart unsachliches und gleichheitswidriges Ergebnis auf Basis der geltenden Gesetzeslage auszuschließen, werden im Folgenden zwei Lösungsansätze für die Gleichstellung eines ausländischen Gruppenmitglieds mit einem Nichtgruppenmitglied aufgezeigt.
Gem § 9 Abs 7 KStG sind TWA und Veräußerungsverluste steuerneutral zu behandeln; jedoch nicht Liquidationsverluste. Ein Teil der Literatur argumentiert, dass Liquidationsverluste jedoch auch Veräußerungsverluste darstellen. Würde der VwGH davon ausgehen, dass Veräußerungsverluste iSd § 9 Abs 7 KStG auch Liquidationsverluste umfassen, hätte er wohl seine Argumentation in jenem Erkenntnis, mit welchem er entschieden hat, dass Verluste aus der Liquidationsphase nicht dem Gruppenergebnis zuzurechnen sind, auf die Steuerneutralität von Liquidationsverlusten nach § 9 Abs 7 KStG gestützt (VwGH-Erkenntnis vom 4.9.2019, Ro 2017/13/0009). Da diese Überlegung nicht Teil seiner Erwägungen war, kann der Schluss gezogen werden, dass der VwGH Liquidationsverluste grundsätzlich nicht unter den Begriff „Veräußerungsverluste“ iSd § 9 Abs 7 KStG subsumiert. Die Steuerneutralität von Liquidationsverlusten ist innerhalb des Gruppenregimes weder in § 9 Abs 7 KStG noch in einer anderen Bestimmung zur Gruppenbesteuerung vorgesehen, weshalb diese als steuerwirksam zu behandeln sind.
Zusätzlich ergibt sich die Möglichkeit der Verwertung von Liquidationsverlusten aus der Bestimmung des § 10 Abs 3 Satz 2 KStG zu Liquidationsverlusten von internationalen Schachtelbeteiligungen, weil ausländische Gruppenmitglieder idR auch als internationale Schachtelbeteiligungen zu qualifizieren sind. Der endgültige Vermögensverlust in Höhe von -200 wäre demnach zur Gänze (über sieben Jahre verteilt) steuerwirksam. Im Ergebnis ist ein möglicher Wertungswiderspruch entkräftet und die gebotene Gleichbehandlung zwischen einem ausländischen Gruppenmitglied und einer internationalen Schachtelbeteiligung sichergestellt. Es ist auf Grund aktueller Aussagen in der Praxis damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung der hier dargestellten Rechtsmeinung kritisch gegenübersteht. Eine Aussage der Finanzverwaltung in den Richtlinien gibt es dazu derzeit nicht.
TWA bezüglich eines ausländischen Gruppenmitglieds, die mangels Verrechnungsmöglichkeit mit nachzuversteuernden Auslandsverlusten im Zeitpunkt des Untergangs eines ausländischen Gruppenmitglieds keine Steuerwirksamkeit entfalten würden, sind uE gem § 10 Abs 3 Satz 2 KStG auf Ebene der österreichischen Muttergesellschaft (verteilt über sieben Jahre) als abzugsfähig zu behandeln. Dies führt zu einer Gleichstellung zwischen einem ausländischen Gruppenmitglied und Nichtgruppenmitgliedern hinsichtlich der Verwertung von Liquidationsverlusten. Eine Richtlinienmeinung der Finanzverwaltung liegt derzeit nicht vor. Eine mögliche ablehnende Haltung der Finanzverwaltung zur dargestellten Rechtsmeinung ist in der Praxis zu berücksichtigen.