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Ungültigkeit des Notariatsakts bei unterbliebener Verlesung

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Überblick

 

Der OGH hat unlängst entschieden, dass ein Notariatsakt, der vor Unterfertigung nicht verlesen wird, die Kraft einer öffentlichen Urkunde verliert. Hingegen ist es jedoch nicht nötig, dass alle Parteien bei Errichtung und Unterfertigung des Notariatsakts gleichzeitig anwesend sind. Werden Voraussetzungen für eine Ausübung von Call-Optionen vereinbart, so unterliegen diese ebenfalls der Notariatsaktspflicht, da es sich nicht nur um bloße Nebenabreden handelt.

 

Sachverhalt


Ausgangsfall war eine GmbH mit ursprünglich fünf juristischen und einer natürlichen Person als Gesellschafter. Der selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer meldete eine Änderung im Stand der Gesellschafter zur Eintragung ins Firmenbuch an. Dem Firmenbuchantrag zufolge wurden sämtliche Gesellschaftsanteile von vier der fünf juristischen Personen und ein Teil des Geschäftsanteils der natürlichen Person mittels Call-Optionen und Annahmeerklärungen auf die einzig übrigbleibende juristische Person übertragen. Die Änderung im Stand der Gesellschafter wurde vom Erstgericht ins Firmenbuch eingetragen. Daraufhin fochten drei der gelöschten Gesellschafter die Eintragung an.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und führte im Wesentlichen aus, dass selbst bei Zutreffen der Behauptungen der Rechtsmittelwerber die angefochtene Eintragung nicht fehlerhaft sei. So führe das Unterbleiben der „Vorlesung“ nicht zur Unwirksamkeit des Notariatsakts, sondern nur ein unterbliebener Hinweis auf diese am Schluss des Notariatsakts; letzterer sei aber erfolgt. Auch seien die Call-Optionen nicht deswegen unwirksam, weil bei der Errichtung der Notariatsakte die Parteien nicht bis zur Unterfertigung gleichzeitig anwesend gewesen seien. Soweit sich die Rechtsmittelwerber auf die Unwirksamkeit der Annahmeerklärungen stützten, weil diese unter Missachtung der dafür einvernehmlich vorgesehenen Voraussetzungen erfolgt seien, sei darauf Bedacht zu nehmen, dass ein vom objektiven Wortlaut der schriftlichen Call-Optionen abweichender natürlicher Konsens der Vertragsparteien nicht von der Notariatsaktsform gedeckt sei, zumal die behaupteten Bedingungen für die Ausübung der Option in den Verträgen nicht einmal angedeutet seien; da es sich nicht um bloße Nebenabreden, sondern um wesentliche Vertragsbestandteile handle, seien aber auch sie formpflichtig. Weitere Behauptungen der Rechtmittelwerber, die vom OGH nicht aufgegriffen wurden, werden in diesem Artikel ebenfalls nicht behandelt.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde zugelassen, weil eine Konkretisierung zum Umfang der materiellen Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts im vereinfachten Anmeldungsverfahren wie auch zur Frage der Nichtigkeit des Notariatsakts bei mangelnder „Verlesung“ „wünschenswert“ wäre. Außerdem fehle Rechtsprechung des OGH zur Frage, ob ein vom objektiven Vertragstext abweichender „natürlicher Konsens“ in Bezug auf Bedingungen der an sich notariatsaktspflichtigen (Call-)Option insbesondere im vereinfachten Anmeldungsverfahren Bedeutung zukommen könne.

 

Entscheidung des OGH


Der OGH erachtete den Revisionsrekurs als zulässig und berechtigt. Eine unterbliebene Verlesung des Notariatsakts bewirke den Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde. Es stehe die Behauptung und die Beweisführung offen, dass der Notariatsakt – entgegen der Beurkundung in der öffentlichen Urkunde – tatsächlich nicht verlesen worden sei. Hingegen verliere durch fehlende gleichzeitige Anwesenheit der Parteien bei Errichtung und Unterfertigung eines Notariatsakts dieser grundsätzlich nicht die Kraft einer öffentlichen Urkunde. Aus dem Gesetz ergibt sich zwar, dass die als erschienen angeführten Vertragsparteien bei Errichtung und Unterfertigung eines Notariatsakts grundsätzlich gleichzeitig anwesend sein müssen, eine abweichende Vorgangsweise bewirke jedoch nicht den Verlust der Wirksamkeit des Geschäfts. Jedenfalls müsse auch in einem solchen Fall jeder unterfertigenden Partei der Notariatsakt verlesen werden. Darüber hinaus stelle die Vereinbarung über Voraussetzungen für eine Optionsausübung einen wesentlichen Vertragsbestandteil dar und bedürfe deshalb der Notariatsaktsform. Da diese Vereinbarung im gegenständlichen Fall nicht im Notariatsakt enthalten war („mündliche Vereinbarung“), wäre damit die gesamte Optionsvereinbarung mangels eines die wesentlichen Vertragsbestandteile enthaltenden Notariatsakts ungültig.

Der OGH entschied schließlich, dass die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen ist. Dieses solle feststellen, ob der Notariatsakt tatsächlich verlesen wurde und/oder ob die Parteien der Optionsvereinbarung die von den Rechtsmittelwerbern behaupteten Voraussetzungen für die Ausübung der Option vereinbarten, sodass der diesbezügliche Notariatsakt alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthält. Danach kann eine Beurteilung über die Wirksamkeit der Anteilsabtretung und die Bewilligung der Eintragung durchgeführt werden.