Mit der BMF-Information vom 25.5.2022 (2022-0.383.246) wurde die (temporäre) Suspendierung des Informationsaustausches im Rahmen der „umfassenden“ Amtshilfe mit Belarus und Russland in die Staatenliste des BMF aufgenommen. Die sich mangels Informationsaustausches ergebenden ertragsteuerlichen Auswirkungen wurden in weiterer Folge durch die BMF-Information vom 18.7.2022 (2022-0.493.052) spezifiziert.
Das österreichische Ertragsteuerrecht sieht für die Inanspruchnahme von gewissen steuerlichen Begünstigungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten das Bestehen einer „umfassenden“ Amtshilfe mit dem anderen Staat vor. Dies betrifft insbesondere die Abzugsfähigkeit von Spenden an begünstigte ausländische Einrichtungen (§ 4a Abs 4 lit g EstG), die Befreiung von Portfoliodividenden aus Drittstaaten (§ 10 Abs 1 Z 6 KStG) sowie die Aufnahme von außerhalb der EU ansässigen Unternehmen als Mitglieder in die Unternehmensgruppe (§ 9 Abs 2 KStG). Auch für den Zeitpunkt der Nachversteuerung von ausländischen Betriebsstättenverlusten, die im Inland verwertet wurden, ist das Vorliegen einer „umfassenden“ Amtshilfe ausschlaggebend (§ 2 Abs 8 Z 4 EstG; ohne „umfassende“ Amtshilfe hat eine Nachversteuerung spätestens nach drei Jahren im Inland zu erfolgen).
Zur Veranschaulichung mit welchen Staaten bzw Territorien Österreich eine „umfassende“ Amtshilfe vereinbart hat, wurde erstmalig im Jahr 2014 eine Staatenliste veröffentlicht. Durch die BMF-Information vom 25.5.2022 wurde die vorherige BMF-Information vom 13.12.2021 dahingehend aktualisiert, dass der Informationsaustausch mit Belarus und Russland (Aufnahme beider Staaten in die Länderliste durch die BMF-Information vom 18.12.2015) aufgrund der derzeitigen Situation (vorübergehend) suspendiert wurde, auch wenn die Voraussetzungen zur „umfassenden“ Amtshilfe mit diesen Staaten grundsätzlich weiterhin erfüllt sind. Dementsprechend hat das BMF in der Information vom 18.7.2022 die Ansicht vertreten, dass für Zwecke des § 2 Abs 8 Z 4 EstG, § 9 Abs 2 KStG sowie § 10 Abs 1 Z 6 KStG (siehe oben) eine „umfassende“ Amtshilfe mit den Staaten Belarus und Russland trotz Suspendierung des Informationsaustausches nach wie vor besteht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die abkommensrechtlichen Regelungen (DBA zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation sowie der Republik Österreich und der Republik Belarus) weiterhin Anwendung finden und von der Abgabenbehörde des jeweiligen Staates benötigte Informationen im Wege der Amtshilfe abgefragt werden können.
Für durch (Stück)Zinsen erzielte Einkünfte aus Kapitalvermögen beschränkt Steuerpflichtiger besteht nach österreichischem Ertragsteuerrecht grundsätzlich eine KESt-Abzugsbefreiung, insoweit ein „automatischer“ Informationsaustausch mit dem anderen Staat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, gegeben ist. Durch die Suspendierung des Informationsaustausches mit Russland und Belarus ist diese Voraussetzung folglich nicht mehr erfüllt, wodurch abzugsverpflichtete, österreichische Kreditinstitute ab dem 1.1.2023 einen KESt-Abzug von den genannten Einkünften für in Russland oder Belarus ansässige Steuerpflichtige vorzunehmen haben. Auf eine Befreiung aufgrund abkommensrechtlicher Vorschriften wird in der BMF-Information vom 18.7.2022 nicht eingegangen. Gemäß DBA Österreich-Russland obliegt das Besteuerungsrecht von Zinsen ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten. Das DBA Österreich-Belarus sieht die Einbehaltung von maximal 5% des Bruttozinsbetrags im Quellenstaat unter möglicher Anrechnung auf die im Ansässigkeitsstaat erhobene Ertragssteuer vor. Durch die weiterhin bestehende Anwendbarkeit der mit beiden Staaten abgeschlossenen DBA sollte daher zumindest eine Entlastung österreichischer KESt möglich sein.
Basierend auf der jüngst aktualisierten BMF-Information besteht mit Stand vom 16.5.2022 mit folgenden Staaten und Territorien eine „umfassende“ Amtshilfe:
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* Amtshilfe temporär suspendiert
Die (vorübergehende) Suspendierung des Informationsaustausches mit Russland und Belarus ist nach Ansicht des BMF (BMF-Information vom 18.7.2022) auch nach Aufnahme in die BMF-Staatenliste grundsätzlich unschädlich für das Bestehen der „umfassenden“ Amtshilfe mit diesen Staaten. Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der ertragsteuerlichen Begünstigungen iZm § 2 Abs 8 Z 4 EstG, § 9 Abs 2 KStG sowie § 10 Abs 1 Z 6 KStG in Hinblick auf die „umfassende“ Amtshilfe ist somit weiterhin erfüllt. Für durch (Stück)Zinsen erzielte Einkünfte aus Kapitalvermögen in Russland oder Belarus ansässiger Steuerpflichtiger ist die nach nationalen Regelungen bestehende KESt-Abzugsbefreiung mangels Vorliegens des explizit vorgesehenen „automatischen“ Informationsaustausches nicht mehr gegeben. Dadurch haben abzugsverpflichtete Kreditinstitute ab 1.1.2023 grundsätzlich KESt auf diese Bruttoeinkünfte einzubehalten. Eine Entlastung von der österreichischen, abzuziehenden KESt sollte aufgrund abkommensrechtlicher Vorschriften für die beiden Staaten dennoch möglich sein.