Die Errichtung einer Photovoltaikanlage einer Wohnungseigentümerin auf dem Dach des Hauses beeinträchtigt die schutzwürdigen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer:innen, wenn diese durch die übermäßige Inanspruchnahme der Dachfläche keine eigenen Anlagen oder eine Gemeinschaftsanlage installieren können (OGH 5 Ob 137/21i).
Die Bestimmung des § 16 Abs 2 WEG regelt, unter welchen Voraussetzungen die anderen Wohnungseigentümer:innen ihre Zustimmung zu einer Änderung an einem WE-Objekt nicht verweigern dürfen und eine nicht erteilte Zustimmung gerichtlich ersetzt werden kann:
Die geplante Änderung darf weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer:innen zur Folge haben. Werden auch Allgemeinteile des Hauses in Anspruch genommen, muss die Änderung zusätzlich verkehrsüblich sein oder einem wichtigen Interesse des änderungswilligen Wohnungseigentümers dienen, es sei denn, es handelt sich um eine sogenannte „privilegierte Maßnahme“ iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG. Für privilegierte Maßnahmen, wie etwa die Errichtung von Strom-, Gas-, Wasserleitungen oder Beheizungsanlagen, müssen diese zusätzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sein.
Die Antragstellerin ist zu rund einem Drittel Miteigentümerin des Hauses und plant die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Die Anlage soll circa 80 Prozent der Dachfläche in Anspruch nehmen, wodurch lediglich eine kleine Restfläche für die Errichtung weiterer Anlagen verbleiben würde. Die Änderung habe weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer:innen zur Folge. Die Errichtung einer Photovoltaikanlage sei eine privilegierte Änderung, weshalb außerdem die Verkehrsüblichkeit und das wichtige Interesse der Antragstellerin zu vermuten seien.
Die Erst- und Zweitantragsgegner:innen, ebenfalls Wohnungseigentümer:innen, beantragten die Abweisung. Die Antragstellerin beanspruche die exklusive Nutzung eines erheblichen Teils der Allgemeinfläche Dach zur Errichtung der Photovoltaikanlage für sich und schließe für die Zukunft übrige Wohnungseigentümer:innen davon aus. Die Antragsgegner:innen planen eventuell selbst eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu errichten, was in der Folge nicht mehr möglich wäre.
Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin auf Zustimmung zur geplanten Änderung ab. Die Antragstellerin würde rund 80 Prozent der für die Photovoltaikanlage geeigneten Dachfläche in Anspruch nehmen und die anderen Wohnungseigentümer:innen von der Nutzung ausschließen. Die Errichtung einer weiteren, auch kleineren Anlage, wäre dann ohne Adaptierung der anderen Dachbereiche nicht mehr möglich und würde folglich die Antragsgegner:innen an der Installation ihrer eigenen Photovoltaikanlage hindern. Dadurch ergebe sich eine gravierende Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer:innen und eine wesentliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Antragsgegner:innen. Die Zustimmung der Wohnungseigentümer:innen zur Errichtung der Anlage kann nicht ersetzt werden. Ob die Maßnahme als privilegiert anzusehen ist, sei nicht mehr zu prüfen.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Zusätzlich führte es aus, dass zur Privilegierung von Photovoltaikanlagen zwar noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere, jedoch die Erwägungen des OGH zu 5 Ob 173/19f (Errichtung einer Wallbox als privilegierte Maßnahme – siehe Legal News Beitrag vom 8.5.2021) auch auf die Errichtung einer Photovoltaikanlage zu übertragen seien. Eine derartige Änderung sei allerdings nur dann privilegiert, wenn es sich um eine technisch einfache Lösung handle, die den Erfordernissen üblicher Haushaltsführung diene. Angesichts des Ausmaßes, der durch die geplante Anlage beanspruchten Dachfläche, sei dies zu verneinen.
Der OGH bestätigte die Vorinstanzen und musste daher nicht korrigierend eingreifen. Dass durch die Errichtung einer Photovoltaikanlage in der von der Antragstellerin geplanten Dimensionierung allgemeine Teile in einem Ausmaß zum Nachteil der anderen Wohnungseigentümer in Anspruch genommen werden, wodurch schutzwürdige Interessen beeinträchtigt wären, hält sich im Rahmen des gerichtlichen Ermessensspielraums. Zudem ist bei der Entscheidung zu berücksichtigen, dass Photovoltaiksysteme normalerweise von der Eigentümergemeinschaft als Gemeinschaftsanlagen errichtet werden. Diese Möglichkeit der Verbesserung der Liegenschaft im Interesse der übrigen Eigentümer:innen wäre durch die begehrte Änderung ebenfalls ausgeschlossen. Diese Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer:innen steht dem Antragsbegehren der Antragstellerin entgegen. Zur Frage der Privilegierung von Photovoltaikanlagen musste sich der OGH nicht äußern.
Es wird klargestellt, dass die übermäßige Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen zum Nachteil der anderen Wohnungseigentümer:innen als ein empfindlicher Eingriff in deren Rechtssphäre anzusehen ist. Es kommt zu einer Ungleichbehandlung, die als Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen iSd § 16 Abs 2 WEG verstanden werden kann. Allein die fehlende Notwendigkeit der Nutzung der betroffenen Allgemeinteile durch andere Wohnungseigentümer:innen rechtfertigt die übermäßige Nutzung nicht. Die Frage der Privilegierung von Photovoltaikanlagen hat der OGH mangels Relevanz im Anlassfall leider nicht aufgegriffen.