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Klimaklage gegen Shell wurde im Berufungsverfahren abgewiesen

Schauplatz Den Haag –Kehrtwende in Klimaschutzverfahren

Überblick

 

Im Jahr 2018 erhob die niederländische Umweltschutzorganisation Milieudefensie (UO) eine Klimaklage gegen den britischen Konzern Shell, mit damaligem Sitz in den Niederlanden. Die UO verlangte, dass sich Shell, als der größte Schadstoffverursacher der Niederlande, an das Pariser Abkommen halten und seine CO2-Emissionen reduzieren solle. Ansonsten würde Shell durch seinen CO2-Ausstoß die Grundrechte Recht auf Leben und Recht auf Privatsphäre der niederländischen Bevölkerung verletzen und sei daher gegenüber der niederländischen Bevölkerung schadenersatzpflichtig.

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Aufregung in Europa – Das Urteil des niederländischen Erstgerichts und seine Konsequenz
 

In einem revolutionären Urteil, dass in Europa eine neue Rechtspraxis in Bezug auf Schadenersatzzahlungen zu generieren schien, entschied das niederländische Zivilgericht in Den Haag im Jahr 2021 in erster Instanz, dass Shell die aus dem Pariser Abkommen resultierenden Klimaverpflichtungen nicht eingehalten und dadurch Grundreche der niederländischen Bevölkerung verletzt habe. Shell sei daher für seine bisherigen Verletzungen schadenersatzpflichtig und habe künftig seinen CO2-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2019 um netto 45% zu senken. Die Verpflichtung zur Leistung eines Schadenersatzes ergebe sich aus dem Abkommen selbst und aus der Grundrechteverletzung.

Diese Entscheidung führte in Europa zu großer Aufregung und schien die bisherig europaweit geltenden schadenersatzrechtlichen Grundsätze völlig auszuhebeln. Wo es bisher für eine Schadenersatzpflicht der Verletzung vertraglicher oder deliktischer Pflichten (zB  Schutzgesetze) bedurfte, leitete das niederländische Erstgericht eine Verpflichtung dagegen unmittelbar aus völkerrechtlichen Verträgen bzw Grundrechten ab.

Europaweit rüsteten sich CO2 emittierende Unternehmen gegen ähnlich gerichtete Klagen, die auch tatsächlich folgten. Bis auf ein Klimaverfahren (obsiegende Klimaklage von Schweizer Seniorinnen vor dem EGMR) blieben aber alle ähnlich gelagerten Klagsversuche erfolglos. Dennoch bangten europäische Unternehmen auf die Entscheidung des Berufungsgerichts auf Basis des von Shell gegen diese Entscheidung eingebrachten Rechtsmittels.

Aufatmen in Europa – Die Entscheidung des Berufungsgerichts
 

Am 12.11.2024 machte sich in Europa Erleichterung bei den europäischen Unternehmern breit. Das Berufungsgericht in Den Haag hob die erstinstanzliche Entscheidung zur Gänze auf.

Die Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen und aus der EMRK sind (Vertrags-)Bestimmungen, die in erster Linie an die Regierungen der Vertragsstaaten gerichtet sind. Dies ändere zwar nichts an der Tatsache, dass sie Auswirkungen auf privatrechtliche Beziehungen haben können. Das Gericht gelangt aber zusammenfassend zu der Ansicht, dass Unternehmen wie Shell, die erheblich zum Klimaproblem beitragen und die Macht haben, zu dessen Bekämpfung beizutragen, nicht unmittelbar aus den völkerrechtlichen Verträgen verpflichtet sind. Unternehmen wie Shell würden vielmehr ihre eigene Verantwortung für die Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens tragen.

Das Berufungsgericht stellt mit seiner Entscheidung somit fest, dass Unternehmen wie Shell nicht Adressaten der beiden völkerrechtlichen Verträge sind und damit im Ergebnis auch nicht zu einer Schadenersatzzahlung aus einer allfälligen Verletzung hieraus verpflichtet werden können.

Fazit

 

Das „Aufatmen“ in Europa sowohl in der Wirtschaft als auch in der Rechtswelt auf Grund dieser Berufungsentscheidung ist förmlich zu spüren.. Es schien nun über knapp 3 Jahre hinweg, dass die schadenersatzrechtliche Welt völlig neu gestaltet werde, da Unternehmen zu Schadenersatzzahlungen unmittelbar auf Basis von völkerrechtlichen Verträgen verpflichtet werden könnten.

Das niederländische Berufungsgericht sorgt mit seiner Entscheidung nun aber für Rechtssicherheit und Klarheit. Es bestätigt, die schon bisher allgegenwertig vertretene Verständnis des Adressatenkreises der hier in Rede stehenden völkerrechtlichen Verträge.

Eine Entscheidung über klimarelevantes EU-Sekundärrecht trifft diese Entscheidung dagegen nicht. Klimaverfahren auf Basis derartiger Ansprüche können daher durchaus bei Vorliegen einer fundierten Grundlage und einem gerechtfertigten Begehren auch bejahend entschieden werden.