Überblick
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit seinem Urteil vom 8.5.2025 (C‑615/23, Rs Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej) ausgesprochen, dass eine pauschale Ausgleichszahlung, die von einer Gebietskörperschaft an ein Unternehmen, das öffentliche Personenverkehrsdienste erbringt, kein umsatzsteuerbares Entgelt darstellt. Die betreffende pauschale Ausgleichszahlung wurde zur Abdeckung der Verluste aus der Erbringung von Personenbeförderungsleistungen geleistet.
Sachverhalt
Das Unternehmen P. S.A. (im Folgenden: P) ist im Bereich der Personenbeförderung tätig und beabsichtigt, als Betreiberin öffentliche Personenverkehrsdienste zu erbringen. Grundlage hierfür sollen Verträge mit einer Gebietskörperschaft sein, die als Organisatorin im Sinne des nationalen Gesetzes über den öffentlichen Personenverkehr fungiert. Gemäß dem geplanten Vertragsmodell soll P durch den Verkauf von Fahrscheinen vergütet werden. Die Preise dieser Fahrscheine werden jedoch nicht von P, sondern von der Organisatorin festgelegt. Da der Vertrieb von Fahrscheinen allein nicht kostendeckend ist, sieht der Vertrag eine Ausgleichsleistung vor. Diese Zahlung dient dem Ausgleich der Verluste, die sich für P aufgrund der Erbringung von öffentlichen Verkehrsdienstleistungen ergeben.
In diesem Kontext wurde seitens P ein Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids gestellt, um die Frage zu klären, ob die Ausgleichsleistung einen steuerpflichtigen Umsatz darstellt und somit in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen ist. P vertritt die Auffassung, dass die Ausgleichszahlung nicht der Steuerpflicht unterliege, da sie keinen unmittelbaren Einfluss auf den Preis der erbrachten Leistung habe, sondern lediglich die allgemeinen Kosten der öffentlichen Dienstleistung kompensiere. Die polnische Finanzverwaltung hingegen qualifizierte die Ausgleichsleistung als steuerpflichtige Gegenleistung.
Das nationale Gericht legte daher die Frage, ob eine pauschale Ausgleichsleistung einer r Gebietskörperschaft zur Abdeckung von Verlusten aus öffentlichen Personenverkehrsdiensten in die Steuerbemessungsgrundlage des Unternehmens einfließt (und damit steuerlich relevant ist) dem EuGH vor.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH führte in seinem Urteil zu der vorgelegten Frage aus, dass nach Art 73 MwStSystRL die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung eines Gegenstands oder der Erbringung einer Dienstleistung „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen“ umfasst. Demnach ist eine Subvention nur dann als „unmittelbar mit dem Preis der Umsätze zusammenhängend“ zu qualifizieren, wenn sie dem Unternehmen für die Lieferung eines bestimmten Gegenstands oder die Erbringung einer spezifischen Dienstleistung gezahlt wird und den Preis der Leistung beeinflusst.
Im vorliegenden Fall wird die Ausgleichsleistung nicht direkt an den Preis der Fahrscheine gekoppelt und wirkt sich nicht auf die Preisgestaltung der Beförderungsdienstleistungen aus. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Ausgleichsleistung die Verluste des Unternehmens aus der Erbringung der Dienstleistungen deckt und nicht für die konkrete Lieferung an einzelne Fahrgäste gezahlt wird. Vielmehr wird sie pauschal und unabhängig von der Nutzung der Dienste gewährt.
Die Generalanwältin Kokott verweist in ihrem Schlussantrag darauf, dass eine indirekte Beeinflussung auf den Preis der Dienstleistungen durch die Subvention nicht ausreicht, um eine unmittelbare Verbindung zwischen Preis und Subvention zu etablieren. Durch vorausgegangene Rsp des EuGH ist ein Zuschuss nur dann steuerpflichtig, wenn sie einen direkten Einfluss auf die Preisgestaltung hat (siehe dazu EuGH 22.11.2001, C-184/00, Rs Office des produits wallons). Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Ferner verneinte der EuGH die Qualifizierung der pauschalen Ausgleichsleistung als Entgelt von Dritter Seite. Das streitgegenständige Verfahren unterscheidet sich von der Rs Le Rayon d’Or (EuGH 27.3.2014, C-151/13) insofern, als im vorliegenden Fall keine direkte Beziehung zwischen der erbrachten Dienstleistung und der Subvention bestand und in Rs Le Rayon d’Or der Zuschuss konkret an die erbrachten Pflegeleistungen an die betroffenen Bewohner der Beherbergungseinrichtungen gekoppelt war. Im nunmehr vom EuGH entschiedenen Fall profitieren jedoch nicht spezifische Personen, sondern die allgemeine Bevölkerung von den öffentlichen Personenverkehrsdiensten. Darüber hinaus erfolgt die Berechnung der Ausgleichsleistung ohne Berücksichtigung der Identität und der Anzahl der Nutzer der erbrachten Dienstleistung. Der EuGH gelangte daher zur Schlussfolgerung, dass gegenständlich eine pauschale Ausgleichsleistung zur Deckung von Verlusten aus der Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste nicht in die Steuerbemessungsgrundlage des Unternehmens einfließt.
Fazit
Das vorliegende Urteil trägt zur Rechtssicherheit einer Vielzahl von öffentlichen Gebietskörperschaften hinsichtlich der Gewährung pauschaler Zuschüsse zur Kompensation von Verlusten aus öffentlichen Personenbeförderungsleistungen bei. Diese Auffassung findet sich auch in der österreichischen Finanzverwaltungsmeinung. Demnach liegt ein nicht umsatzsteuerbarer Zuschuss vor, wenn Zahlungen nicht auf Grund eines Leistungsaustausches erfolgen oder nicht im Zusammenhang mit einem bestimmten Umsatz stehen, wie bspw im Kontext eines Verkehrsverbundes (siehe dazu Rz 26 UStR). Gemäß diesem Urteil werden die pauschalen Zuschüsse von einer Gebietskörperschaft – wie bspw einer Gemeinde bzw eines Landes – an einen Dienstleister, der die Personenbeförderung erbringt, nun klarstellend erweitert.