Überblick
Das BFG hat dem EuGH mit Beschluss vom 18.9.2025, RE/2100001/2025, vier Fragen betreffend die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorgelegt. Insbesondere geht es darum, ob die Mitteilung einer UID-Nummer des:der Abnehmers:in seit der Umsetzung der Quick Fixes aus dem Jahr 2020 eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit darstellt. Darauf aufbauend behandeln die Folgefragen einen möglichen Vorsteuerabzug im Falle einer steuerpflichtigen Lieferung sowie die Möglichkeit einer nachträglichen Berichtigung.
Sachverhalt und Vorlagefragen des BFG an den EuGH
Ein österreichischer Unternehmer verkauft Waren an einen britischen Unternehmer. Die Waren werden nach Schweden versandt. Eine UID-Nummer eines anderen Mitgliedstaats wurde im Zeitpunkt der Lieferung nicht bekanntgegeben. Der österreichische Lieferant verrechnet daher österreichische Umsatzsteuer, die der Abnehmer im Vorsteuererstattungswege begehrt. Die Erstattung wurde verweigert. Der Abnehmer hat darauffolgend eine im Zeitpunkt der Lieferung gültige UID-Nummer eines anderen Mitgliedstaats mitgeteilt. Der österreichische Lieferant hat aber die Berichtigung verweigert.
Im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt hat das BFG dem EuGH die folgenden Fragen vorgelegt:
Anmerkungen zu den Vorlagefragen
Die zentrale Thematik des Vorabentscheidungsersuchens betrifft die Frage, ob die Mitteilung der UID-Nummer des:der Erwerbers:in einer innergemeinschaftlichen Lieferung eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist. Nach der bisherigen Rechtsprechung galt die UID-Nummer als formelles Kriterium, dessen Fehlen nicht zwingend zur Versagung der Steuerfreiheit führte, sofern der Nachweis der materiell-rechtlichen Voraussetzungen erbracht wurde. Nach den Erwägungsgründen der Richtlinie (EU) 2018/1910 in Zusammenhang mit den im Jahr 2020 umgesetzten Quick Fixes sowie nach einstimmiger Ansicht des Mehrwertsteuerausschusses sei jedoch die Bekanntgabe der UID-Nummer seit 2020 materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung. In der Literatur wird dagegen überwiegend argumentiert, dass das Fehlen der UID-Nummer keinen Einfluss auf die tatsächliche Warenbewegung zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten hat und daher nur eine formale Nachweispflicht bleiben sollte. Zudem sei die UID-Nummer als materiell-rechtliches Kriterium nicht hilfreich etwa bei der Betrugsbekämpfung.
Sollte nach dem EuGH die Steuerbefreiung nicht zur Anwendung kommen, stellt sich in Zusammenhang mit einer etwaigen Steuerpflicht die Frage, ob der:die Erwerber:in hieraus einen Vorsteuerabzug geltend machen kann. Weder das Unionsrecht noch das UStG sehen eine entsprechende Regelung dafür vor, wobei nach Auffassung der österreichischen Finanzverwaltung (UStR Rz 3992a) der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, was auch der (bisherigen) Rechtsprechung des VwGH entspricht.
Weiters ist offen, ob und wie der:die Lieferant:in eine nachträgliche Berichtigung der Rechnung vornehmen kann, wenn die UID-Nummer später doch mitgeteilt wird, und ob ein etwaiger Vorsteuerabzug der Berichtigung entgegenstehen kann. Bisher wurde aus österreichischer Sicht die Berichtigung auf § 11 Abs 12 UStG gestützt, weil man davon ausging, dass eine Umsatzsteuer ausgewiesen wurde, die nach dem UStG nicht geschuldet wurde. § 11 Abs 12 UStG normiert, dass im Fall der Berichtigung § 16 Abs 1 UStG sinngemäß gilt, woraus sich ergibt, dass für den:die Aussteller:in der Rechnung die Steuerschuld aufgrund der Rechnung in jenem Voranmeldungszeitraum wegfällt, in dem die Rechnung berichtigt wird (ex-nunc Wirkung). Da jedoch mit der Steuerschuld kraft Rechnungslegung kein Recht auf Vorsteuerabzug durch den:die Rechnungsempfänger:in einhergeht, ist für diesen nach der bisherigen Ansicht von vornherein keine Vorsteuerabzugsberechtigung gegeben.
Fazit
Die Frage, ob die UID-Nummer eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen darstellt, hat weitreichende Folgen für die Praxis. Davon abhängig ist weiters ein etwaiger Vorsteuerabzug im Falle einer steuerpflichtigen Lieferung und die Möglichkeit der nachträglichen Berichtigung. Das bevorstehende EuGH-Urteil wird daher maßgeblich dazu beitragen, Unsicherheiten zu beseitigen und Rechtsicherheit für die steuerliche Handhabung innergemeinschaftlicher Lieferungen im europäischen Binnenmarkt zu schaffen.