Überblick
Das Bundesfinanzgericht (BFG) befasst sich im Erkenntnis vom 25.4.2024, RV/5100839/2023 mit der steuerlichen Behandlung von Einkünften, insbesondere Urlaubsentgelten, für eine ausländische Tätigkeit, die nach der Verlegung des Wohnsitzes und der steuerlichen Ansässigkeit in den ursprünglichen Wohnsitzstaat ausbezahlt wurden. Das BFG hatte zu entscheiden, welchem Staat das Besteuerungsrecht auf diese Bezüge zukommt und wie in weiterer Folge eine Doppelbesteuerung zu vermeiden ist.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) war seit 2012 bei einem österreichischen Arbeitgeber beschäftigt. Ab Juli 2016 trat sie konzernintern eine Entsendung in die USA an. Mit dem Wegzug in die USA im Oktober 2016 gab die Bf auch ihren österreichischen Wohnsitz auf und verfügte nur mehr über einen Wohnsitz in den USA. Im September 2019 wurde die Entsendung zur US-Gesellschaft mit Wirksamkeit zum 31.5.2020 beendet.
Ende Dezember 2019 kehrte die Bf nach Österreich zurück und meldete auch ihren Hauptwohnsitz in Österreich wieder an. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin seit 1.1.2020 im DBA-rechtlichen Sinne in Österreich ansässig ist. Im Zeitraum Januar 2020 bis Ende Mai 2020 konsumierte die Bf ihren Resturlaub und Zeitausgleich, die im Laufe ihrer Tätigkeit bei der US-Gesellschaft aus den Vorjahren entstanden sind. Aufgrund des Entgeltfortzahlungsanspruches erhielt die Bf in diesem Zeitraum weiterhin ein Urlaubsentgelt von der US-Gesellschaft.
Im Rahmen der Steuererklärung 2020 wurde von der Bf bzw deren steuerlichen Vertretung argumentiert, dass es sich bei den US-Bezügen in 2020 um Bezüge für eine im früheren Ansässigkeitsstaat USA erdiente Leistung handelt. Entsprechend wurden die US-Bezüge in der Steuererklärung 2020 nicht als steuerpflichtig in Österreich berücksichtigt. Hinsichtlich der Entgeltzahlungen für den Zeitraum nach ihrer Rückkehr nach Österreich (1.1. bis 31.5.2020) vertrat das Finanzamt jedoch die Auffassung, dass diese Einkünfte in Österreich zu versteuern seien. Begründet wurde dies seitens der Behörde damit, dass diese Einkünfte erst nach der Rückkehr nach Österreich zugeflossen seien und es sich bei den Bezügen nicht um nachgelagerte Zahlungen für eine ehemalige Tätigkeit handelt, sondern um Aktivbezüge aufgrund der Entgeltfortzahlung.
In weiterer Folge reichte die Bf eine Beschwerde ein, um die Steuerfreistellung dieser Gehaltsfortzahlungen zu erwirken. Sie verwies unter anderem auf Ar 15 Abs 1 DBA-USA und argumentierte, dass es sich hierbei um Einkünfte handelt, die für im Ausland erbrachte Tätigkeiten gezahlt wurden. Diese müssten daher gemäß dem Kausalitätsprinzip aufgeteilt werden, welches besagt, dass das Besteuerungsrecht dem Staat zusteht, in dem die den Anspruch begründende Tätigkeit ausgeübt wurde.
Erkenntnis des BFG
Das BFG hielt in diesem Zusammenhang fest, dass die abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungsrechte aus Einkünften aus aktiven Tätigkeiten, wozu insbesondere nichtselbständige Tätigkeiten zählen, nach dem Kausalitätsprinzip zu erfolgen hat. Das bedeutet den Vorrang des wirtschaftlich-kausalen Ursprungs der Zahlung vor dem tatsächlichen Zufließen (Zuflussprinzip). Das BFG erläuterte weiter, dass bei den nichtselbständigen Einkünften nach Art 15 OECD-MA somit einzig und allein entscheidend sei, ob die betreffenden Zahlungen als Entgelt für die im Ausübungsstaat erbrachten Arbeitsleistungen anzusehen sind. Nicht von Bedeutung ist es, ob der Empfänger der Einkünfte im Zahlungszeitpunkt noch im Ausübungsstaat ansässig sei oder bereits in einem anderen Staat ansässig geworden ist. Im konkreten Fall führt dies zu dem Ergebnis, dass die Urlaubs- und Zeitausgleichszahlungen aufgrund ihres Ursprungs in der Entsendung weiterhin den USA zur Besteuerung zustehen, auch wenn die Bf während der Entgeltzahlung bereits in Österreich ansässig ist. Die Entgeltfortzahlungen sind somit von Besteuerung in Österreich freizustellen.
In der Folge war für das BFG noch zu entscheiden, ob die Steuerfreistellung in Österreich mit oder ohne Progressionsvorbehalt zu erfolgen hat. Das BFG folgt bei der Beantwortung dieser Frage der aktuellen Rechtsprechung des VwGH (Ra 2021/13/0067 vom 7.9.2022), wonach bei unbeschränkt Steuerpflichtigen das Welteinkommen heranzuziehen ist, worin der innerstaatliche Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage findet. Das DBA-USA wendet zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwar grundsätzlich die Anrechnungsmethode an. Allerdings enthält das DBA-USA keinen Ausschluss eines bestehenden Progressionsvorbehaltes, welcher sich aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich aus nationalem Steuerrecht ergibt. Für die Berechnung des anzuwendenden Steuertarifs ist daher das im Jahr 2020 zugeflossene steuerpflichtige Welteinkommen heranzuziehen.
Auf den vorliegenden Sachverhalt umgelegt ergibt sich daraus, dass aufgrund des DBA-USA die Auslandsbezüge zwar aus dem in Österreich steuerpflichtigen Einkommen ausgeschlossen sind, dies aber keine Auswirkung auf den nach nationalem Steuerrecht zu berechnenden Tarif hat. Die Entgeltfortzahlungen sind somit von Besteuerung in Österreich freizustellen, jedoch als Progressionseinkünfte für die Berechnung des anwendbaren Steuersatzes zu berücksichtigen.
Fazit
Das BFG hat im Rahmen des Erkenntnisses die Rechtsansicht bestätigt, dass Gehalts- und Urlaubsfortzahlungen, die im Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Ausland stehen und nach einem Wechsel der steuerlichen Ansässigkeit bezahlt wurden, weiterhin im ursprünglichen Tätigkeitsstaat zu besteuern sind. Das Zuflussprinzip wird in diesem Kontext vom Kausalitätsprinzip verdrängt, welches den wirtschaftlichen Ursprung der Zahlungen in den Vordergrund stellt. In dem hier dargestellten Fall „sticht“ daher der wirtschaftliche Ursprung der US-Entgelte die steuerliche Ansässigkeit der Abgabepflichtigen.
Die in Österreich von der Besteuerung auszunehmenden US-Einkünfte sind, trotz der im DBA-USA festgelegten Anrechnungsmethode, aufgrund des nationalen Progressionsvorbehaltes allerdings sehr wohl als Progressionseinkünfte bei der Ermittlung des anwendbaren Steuersatzes heranzuziehen.