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Anzuwendendes Mindestentgelt bei grenzüberschreitender Beschäftigung

Entscheidung des OGH vom 22.1.2025 (8 ObA 55/24g)

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Überblick

Der OGH entschied, dass ausländische Arbeitgeber:innen, die in Österreich Arbeitnehmer:innen beschäftigten, die anwendbaren österreichischen Kollektivverträge einhalten müssen. Im konkreten Fall musste ein deutsches Unternehmen für seinen Mitarbeiter den IT-Kollektivvertrag anwenden, da dieser im Bereich der IT-Dienstleistungen tätig war. Das Urteil stärkt den Schutz vor Lohndumping und stellt sicher, dass auch grenzüberschreitend gleiche Arbeitsbedingungen gelten.

Sachverhalt

Ein deutsches Unternehmen ohne Sitz oder Betriebsstätte in Österreich beschäftigte einen Mitarbeiter mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich. Dieser war im Vertrieb und in der technischen Weiterentwicklung eines Softwareprodukts tätig. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, welches Mindestentgelt für den Arbeitnehmer zur Anwendung kommt.

Der OGH stellte im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung klar: Ausländische Arbeitgeber:innen müssen gemäß Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz jenen Lohn zahlen, den vergleichbare österreichische Unternehmen ihren Beschäftigten für gleichwertige Tätigkeiten zahlen. Damit soll verhindert werden, dass ausländische Firmen durch niedrigere Löhne Wettbewerbsvorteile erlangen und kollektivvertragliche Mindestentgelte vermeiden können.

Welcher Kollektivvertrag ist anzuwenden?

Bei grenzüberschreitender Beschäftigung stellt sich regelmäßig die Frage, welcher österreichische Kollektivvertrag für die Entlohnung heranzuziehen ist. Maßgeblich ist dabei, welche Gewerbeberechtigung der:die ausländische Arbeitgeber:in hätte, wenn er:sie die Tätigkeit in Österreich rechtmäßig ausüben würde – es handelt sich um eine sogenannte „fiktive Gewerbeberechtigung“.

Im konkreten Fall stellte das Berufungsgericht fest, dass die Tätigkeiten des Unternehmens – insbesondere Softwareentwicklung und vertriebsnahe Aufgaben – dem freien Gewerbe „Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik“ zuzuordnen sind. Dieses fällt in den Zuständigkeitsbereich der Fachgruppe „Unternehmensberatung und Informationstechnologie“ der Wirtschaftskammer Österreich. Damit war der IT-Kollektivvertrag anzuwenden, der auch für vergleichbare österreichische Arbeitgeber:innen verbindlich ist.

Revision ohne Erfolg

Das beklagte deutsche Unternehmen argumentierte dagegen, dass ihre Tätigkeit nicht eindeutig diesem Gewerbe zuordenbar sei, konnte aber keine wesentlichen Gründe oder alternative rechtliche Grundlagen aufzeigen. Der OGH schloss sich dementsprechend der Beurteilung der Vorinstanzen an und sah keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung. Die außerordentliche Revision wurde daher zurückgewiesen.

Die Entscheidung bestätigt, dass auch ausländische Arbeitgeber:innen verpflichtet sind, kollektivvertragliche Mindestentgelte einzuhalten, sofern vergleichbare österreichische Unternehmen kollektivvertraglich gebunden wären. Damit wird sichergestellt, dass durch grenzüberschreitende Einsätze keine Umgehung österreichischer Lohnstandards erfolgt.

Fazit

Die Entscheidung des OGH verdeutlicht, dass ausländische Arbeitgeber:innen bei einer regelmäßigen Beschäftigung in Österreich an die kollektivvertraglichen Mindeststandards gebunden sind – unabhängig davon, ob sie in Österreich eine Betriebsstätte unterhalten. Durch das Heranziehen der fiktiven Gewerbeberechtigung wird eine Vergleichbarkeit mit inländischen Unternehmen hergestellt. Damit wird ein wichtiges Signal gegen Lohndumping gesetzt und die Gleichbehandlung von Arbeitnehmer:innen im grenzüberschreitenden Kontext gestärkt.