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Kündigungsschutzvorschriften nur bei Vorliegen eines inländischen Betriebes anwendbar

Der OGH stellt klar, dass die österreichischen Kündigungsschutzvorschriften auf Arbeitnehmer, die im Inland für einen ausländischen Arbeitgeber tätig werden, nur bei Vorliegen eines inländischen Betriebes zur Anwendung gelangen.

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Überblick

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten unterliegt ein Arbeitsvertrag, soweit keine Rechtswahl getroffen wurde, gemäß Art 8 Abs 2 ROM I-VO dem Recht des Staates, in dem oder von dem aus der:die Arbeitnehmer:in gewöhnlich seine:ihre Arbeit verrichtet (Vertragsstatut).

Im Anlassfall wurde der OGH mit der Frage konfrontiert, ob die Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß §§ 105 iVm 107 ArbVG diesem Vertragsstatut folgen und sich der:die Arbeitnehmer:in bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt und Anwendbarkeit des österreichischen Rechts auf diese Schutzbestimmungen berufen kann. Die Anwendung der korrespondierenden Kündigungsschutzvorschriften bedarf der Eingliederung eines Arbeitnehmers in einen Betrieb mit mindestens fünf Arbeitnehmer:innen.

Der OGH hatte zu beurteilen, ob die Berufung auf diese Bestimmungen das Vorliegen eines derartigen Betriebes im Inland voraussetzt.

Sachverhalt in der Rechtssache OGH 9 ObA 94/24z

Im Anlassfall verrichtete der klagende Arbeitnehmer seine Tätigkeit ständig in Österreich und überwiegend gewöhnlich von seinem Nebenwohnsitz in Wien aus. Organisatorisch und hierarchisch war der Arbeitnehmer in den Betrieb der Arbeitgeberin in Deutschland eingegliedert. In Österreich verfügte die Arbeitgeberin über keine Niederlassung oder Betrieb. Der Arbeitnehmer wurde im Jahr 2023 gekündigt und focht diese aufgrund behaupteten verpönten Motivs und wegen Sozialwidrigkeit an. Da der Kläger seine Arbeit gewöhnlich in Österreich verrichtete, behauptete er die Anwendbarkeit der Kündigungsschutzvorschriften des österreichischen ArbVG auf das Arbeitsverhältnis.

Entscheidung des OGH

Der OGH hat sich in seinem Urteil zunächst mit der Frage beschäftigt, ob der Kündigungsschutz kollisionsrechtlich dem Arbeitsvertragsstatut gemäß Art 8 ROM I-VO folgt. Er verweist hierbei auf die diesbezüglich einheitliche Ansicht der Lehre und kommt zu dem Schluss, dass die Bestimmungen des österreichischen Kündigungsschutzes, unabhängig von ihrer innerstaatlich stark kollektivrechtlichen Ausgestaltung, der Beendigung des Arbeitsvertrages zuzuordnen sind und daher dem Vertragsstatut folgen. Da nach Ansicht des OGH, auf den Arbeitsvertrag des Klägers österreichisches Recht anwendbar war, konnte sich dieser aus dem Blickwinkel des anwendbaren nationalen Rechts auch auf die Kündigungsschutzvorschriften der §§ 105 iVm 107 ArbVG stützen und die Kündigung anfechten.

In weiterer Folge musste sich der OGH mit der Frage auseinandersetzen, ob die Eingliederung in einen im Ausland gelegenen Betrieb für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzes ausreicht oder der Betrieb in Österreich liegen muss. Als Betrieb iSd ArbVG gilt dabei jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht. Um sich auf die Kündigungsschutzvorschriften der §§ 105 iVm 107 ArbVG stützen zu können, müssen im Betrieb darüber hinaus mindestens fünf ArbeitnehmerInnen beschäftigt sein.

Der OGH referierte in seiner Entscheidung umfassend die bestehenden Literatur- und Lehrmeinungen und kam letztlich zu dem Schluss, dass nach dem Territorialitätsprinzip ausschließlich auf in Österreich gelegene Betriebe abzustellen ist. Dafür, dass der Gesetzgeber, von einem anderen Betriebsbegriff als nachdem ArbVG ausgehen wollte, liegen, nach Ansicht des OGH, keine Anhaltspunkte vor. Er stellte demnach ausdrücklich klar, dass die Kündigungsschutzvorschriften an das Vorliegen eines inländischen Betriebes anknüpfen und der Entfall dieser Voraussetzung nicht mit dem ArbVG in Einklang gebracht werden kann.

Nachdem in Österreich kein Betrieb iSd ArbVG existierte, war dem Arbeitnehmer letztlich die Geltendmachung der Kündigungsanfechtung verwehrt.

Fazit

Die gegenständliche Entscheidung schafft die nötige Rechtssicherheit in Zeiten zunehmender grenzüberschreitender Tätigkeit von Arbeitnehmern und stellt mehrere diesbezügliche Fragestellungen für Arbeitgeber eindeutig klar.

Dennoch öffnete der OGH in seiner Entscheidung ein weiteres Tor für die Debatte, inwieweit entsprechend territorial geprägte Überlegungen und Beurteilungen vor dem Hintergrund der Digitalisierung und zunehmenden geografischen Flexibilisierung der Arbeitswelt noch zeitgemäß sind. In diesem Zusammenhang sind allerdings nicht die Gerichte, sondern vielmehr der:die Gesetzgeber:in bzw die Gesetzgeber auf internationaler Ebene gefordert, neue Konzepte zu entwickeln, die der modernen Arbeitswelt entsprechend Rechnung tragen.