Überblick
Im EuGH-Urteil vom 28.11.2024, rhtb: projekt gmbh gegen Parkring 14-16 Immobilienverwaltung GmbH, C-622/23, befasst sich der EuGH mit der Frage, ob es sich bei einer gesetzlich bestimmten Zahlung aufgrund eines ungerechtfertigten Vertragsrücktritts um ein Entgelt für eine Dienstleistung handeln kann, welches folglich der Umsatzsteuer unterliegen könnte. Fraglich war in diesem Zusammenhang im Besonderen das Vorliegen eines Leistungsaustausches zwischen den Parteien.
Sachverhalt und Verfahrensgang
Im März 2018 schlossen die beiden österreichischen Gesellschaften, die rhtb: projekt GmbH („rhtb“) und die Parkring 14-16 Immobilienverwaltung GmbH („Parkring“) einen Werkvertrag ab, im Rahmen dessen sich rhtb zur Durchführung eines Immobilienbauprojektes verpflichtete. Nach erfolgtem Beginn der Projektarbeiten trat Parkring im Juni 2018 ungerechtfertigt vom Vertrag zurück. Daraufhin forderte rhtb die Zahlung des vereinbarten Betrages abzüglich jener Aufwendungen, die sie sich aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Werkvertrags erspart hatte. Als sich Parkring weigerte, die Zahlung zu leisten, reichte rhtb eine Klage beim zuständigen Gericht ein.
Das Handelsgericht Wien als erstinstanzliches Gericht gab der Klage zur Gänze statt und sprach rhtb den Werklohn inklusive Umsatzsteuer zu, da Parkring ungerechtfertigt vom Vertrag zurückgetreten sei. Das OLG Wien als Berufungsgericht hingegen änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass der Klägerin lediglich der Nettobetrag für jenen Teil der geforderten Zahlung zustehe, welcher sich auf die nicht ausgeführten Tätigkeiten bezieht. Dies deshalb, da aus Sicht des Berufungsgerichts zwischen den beiden Parteien kein Leistungsaustausch in Bezug auf die nicht ausgeführten Arbeiten zustande gekommen sei. In weiterer Folge legten sowohl rhtb als auch Parkring Revision beim OGH ein. Dieser stellte fest, dass rhtb der geforderte Werklohn grundsätzlich zustehe, allerdings war es aus Sicht des OGH fraglich, ob der Werklohnanspruch zur Gänze der Umsatzsteuer unterliegt. Zusammenfassend legte der OGH dem EuGH folgende Frage vor:
"Unterliegt der Betrag, den ein Werkbesteller dem Werkunternehmer schuldet, wenn die (vollständige) Ausführung des Werks unterbleibt, aber der Werkunternehmer zur Leistung bereit war und die Umstände der Nichtausführung auf Seite des Werkbestellers liegen, der Mehrwertsteuer?“
EuGH-Urteil
Der EuGH führte mit Verweis auf das EuGH-Urteil vom 11.6.2020, Vodafone Portugal, C-43/19 aus, dass eine Dienstleistung dann „gegen Entgelt“ erbracht wird, wenn zwischen der:dem Leistenden und der:dem Leistungsempfänger:in im Rahmen eines Rechtverhältnisses Leistungen ausgetauscht werden und die Vergütung dem Gegenwert der Leistung entspricht. Dies ist gegeben, wenn zwischen der Dienstleistung und dem Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang vorliegt. Diesbezüglich hält der EuGH – ebenfalls mit Verweis auf das angeführte Urteil – fest, dass der Gegenwert für den Erhalt eines Vergütungsbetrages in dem Recht des:der Leistungsempfängers:in besteht, die vertraglichen Verpflichtungen in Anspruch zu nehmen. Nicht relevant ist, ob der:die Leistungsempfänger:in von diesem Recht tatsächlich Gebrauch macht. Bezugnehmend auf den Vorlagefall hatte rhtb seine Leistungsempfängerin Parkring nicht nur in die Lage versetzt, die Dienstleistungen zu empfangen, sondern bereits mit den Tätigkeiten begonnen und war bereit, diese auch zu finalisieren.
Weiters grenzt der EuGH den vorliegenden Sachverhalt zum EuGH-Urteil vom 18.7.2007, Société thermale d‘Eugénie-le-Bains, C-277/05 ab, in welchem der EuGH keinen steuerbaren Leistungsaustausch zwischen einer Zimmerreservierung und einem Angeld, welches im Falle der Stornierung durch den:die Gast:Gästin beim Leistenden verbleibt, feststellte. Bei der von rhtb geforderten Zahlung handelt es sich gemäß EuGH um keinen pauschalen Schadenersatz und folglich ist die Sachlage zu dem genannten Urteil nicht vergleichbar..
Der EuGH stellt schließlich klar, dass der Betrag, welcher vertraglich geschuldet wird, weil der:die Leistungsempfänger:in von einem wirksamen Vertrag über die Erbringung einer umsatzsteuerpflichtigen Dienstleistung, mit deren Durchführung bereits begonnen wurde, unrechtmäßig zurückgetreten ist, als Entgelt für eine Dienstleistung gegen Entgelt zu erachten ist.
Fazit
Der EuGH hat im Sinne früherer Urteile entschieden, wonach eine bei ungerechtfertigtem Rücktritt vertraglich geregelte Vergütung als Entgelt für eine Dienstleistung gilt und eine derartige Zahlung daher umsatzsteuerpflichtig ist. Ferner hat er seine Rechtsprechung ergänzt, indem er ausführt, dass auch eine gesetzlich vorgeschriebene Vergütung bei Vertragsrücktritt als Entgelt charakterisiert wird und folglich der Umsatzsteuer unterliegen kann.
Auch aus österreichischer Sicht ist somit – im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung und Literaturmeinung – klargestellt, dass ein gesetzlich geschuldeter Werklohnanspruch zur Gänze umsatzsteuerpflichtig ist.