Überblick
Am 7.10.2025 veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung der negativen handelsbezogenen Auswirkungen globaler Überkapazitäten auf den Stahlmarkt der Europäischen Union.
Schutzmaßnahmen für Stahl
Die Kommission weist darauf hin, dass die Stahlindustrie der EU für die EU-Wirtschaft von entscheidender Bedeutung ist, jedoch aufgrund globaler Überkapazitäten vor großen Herausforderungen steht, die ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt schwächen. Daher sind Maßnahmen zum Erhalt und Ausbau der europäischen Industriekapazitäten im Stahl- und Metallsektor erforderlich. In diesem Zusammenhang verabschiedete die Kommission am 19.3.2025 den „Aktionsplan für Stahl und Metalle“ (SMAP). Der SMAP führte bereits die Idee des Ausbaus und Schutzes europäischer Industriekapazitäten ein, unter anderem durch die Anpassung bestehender Schutzmaßnahmen im Stahlsektor.
Diese Schutzmaßnahmen für Stahl in Form nichtpräferenzieller Zollkontingente wurden mit der Durchführungsverordnung (EU) 2019/159 der Kommission umgesetzt und gelten je nach Produkt für alle oder bestimmte Länder. Diese Maßnahmen laufen rechtlich am 30.6.2026 aus. Angesichts der sich rapide verschlechternden Lage der heimischen Stahlindustrie schlug die Kommission daher eine neue Verordnung mit ähnlichen, aber wirksameren Maßnahmen gegen negative handelsbezogene Auswirkungen globaler Überkapazitäten vor. Die in den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung fallenden Produkte sind in Anhang I des Vorschlags aufgeführt und umfassen unter anderem Halbzeuge aus Eisen, unlegiertem Stahl und rostfreiem Stahl.
Zollkontingente und Zollsätze außerhalb des Kontingents
Um die Einfuhr von Stahl und Stahlerzeugnissen außerhalb der EU zu begrenzen und das Risiko von Handelsumlenkungen zu minimieren, sehen sowohl die geltenden Schutzmaßnahmen für Stahl als auch die vorgeschlagene Verordnung nichtpräferenzielle Zollkontingente für bestimmte Produktgruppen der in Anhang I des Vorschlags genannten Produkte vor.
Diese Zollkontingente sehen die Anwendung des konventionellen Einfuhrzollsatzes („Meistbegünstigungssatz“), der meist Null beträgt, für eine festgelegte Produktmenge vor. Die Europäische Kommission gibt an, dass die Kontingentsmengen im Vergleich zu den Stahlkontingenten für 2024 um 47 % auf 18,3 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden. Diese Reduzierung wird als notwendig erachtet, damit die Maßnahmen wirksam sind. Die Kontingentsmengen pro Produktkategorie sind in Anhang II aufgeführt.
Sobald ein nichtpräferenzielles Zollkontingent ausgeschöpft ist, unterliegen die Produkte zusätzlich zum Meistbegünstigungssatz einem Wertzollsatz von 50 %. Dies gilt auch für Stahlwaren, die von dem Vereinigten Königreich in die EU importiert werden und ist ein deutlich höherer Zollsatz als die 25 %, die im Rahmen der derzeit geltenden Stahlschutzmaßnahmen erhoben werden.
Neue Ursprungsregel: „Schmelz- und Gießland“
Der Vorschlag führt außerdem eine neue Ursprungsregel für die Verordnung ein: das „Schmelz- und Gießland“. Dies ist der Ort, an dem Rohstahl und Roheisen zunächst in flüssiger Form in einem Stahl- oder Eisenofen hergestellt und anschließend in ihren ersten festen Zustand gegossen werden.
Der Hauptzweck des Vorschlags besteht darin, den nachteiligen Auswirkungen bestimmter Länder entgegenzuwirken, die ihre heimische Industrie künstlich unterstützen oder EU-Handelsschutzmaßnahmen und -Sanktionen umgehen. Produkte aus den anderen EWR-Ländern, nämlich Norwegen, Island und Liechtenstein, fallen nicht in den Anwendungsbereich dieses Vorschlags.
Das „Schmelz- und Gießland“ muss bei der Einfuhr vom Importeur durch geeignete Belege nachgewiesen werden. Für diesen Nachweis sieht der Vorschlag nur ein einziges Beispiel vor: Das „Mill Test Certificate“ (MTC), das auch als Nachweis in Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland verwendet wird. Die Europäische Kommission hat (noch) keine weiteren Leitlinien dazu vorgelegt, was als ein solcher „geeigneter Nachweis“ gelten kann. Die zusätzliche Anforderung des „Schmelz- und Gießlandes“ dient zudem der Rückverfolgbarkeit der Stahlmärkte. Sie ermöglicht der Europäischen Kommission tiefere Einblicke in die Handelsströme von nicht in der EU produziertem Stahl und Stahlerzeugnissen in die EU.
Fazit
Der neue EU-Kommissionsvorschlag für die 2026 auslaufenden Schutzmaßnahmen für Stahl sieht eine deutliche Verringerung der Freimengen, die im Rahmen von Zollkontingenten eingeführt werden können sowie die Erhöhung der danach geltenden Einfuhrzölle auf 50% für Stahlwaren vor. Diese Änderung wird die EU-Stahlindustrie entlasten. Allerdings führt die Einführung von neuen Ursprungsregeln zu einem erhöhten Compliance Aufwand. Importeure von Stahlwaren sollten frühzeitig mit ihren Lieferanten abkären, wer die etwaige höheren Einfuhrkosten entrichtet und ob die Lieferanten alle Nachweise erhalten.