Skip to main content

Aktuelle Judikatur und Praxisfragen elektronischer Zustellungen

Zustellung an den:die „formelle:n“ Empfänger:in und Heilung von Zustellmängel im elektronischen Bereich!

Anmeldung zum Erhalt von Informationen und Newslettern

Überblick

Behördliche Erledigungen (zB Abgabenbescheide) können im Abgabenrecht vor deren Bekanntgabe keine Rechtswirkungen entfalten. Zugleich knüpfen zahlreiche Rechtsfolgen an die Bekanntgabe an (insbesondere Rechtsmittelfristen, Zahlungsfristen etc). Die Bekanntgabe erfolgt idR durch die Zustellung der Erledigung und ist bereits dadurch rechtswirksam bewirkt, wenn sie in den Verfügungsbereich des:der Empfängers:in gelangt. In der Praxis kann es, wie die jüngste Judikatur zeigt, jedoch insbesondere bei elektronischen Zustellungen zu Problemen kommen. 

Elektronische Zustellung in die Databox des:der „formellen“ Empfängers:in 

Damit eine behördliche Erledigung als wirksam zugestellt gilt, muss sie nicht nur an den:die richtige:n Empfänger:in zugestellt werden (bzw in dessen Verfügungsbereich gelangen), sondern auch richtig adressiert sein, dh den:die richtigen Adressaten:in und Empfänger:in bezeichnen. Als Empfänger:in ist im Zustellrecht im Allgemeinen der:die „formelle“ Empfänger:in gemeint. Diese:r ist von der Behörde in der Zustellverfügung zu bestimmen. Im Regelfall sind der:die „formelle“ und „materielle“ Empfänger:in, für den der Inhalt des zuzustellenden Dokumentes bestimmt ist, dieselbe Person; dies muss aber nicht immer der Fall sein (zB gesetzliche:r Vertreter:in; Zustellbevollmächtigte:r).

Ist der Empfänger einer Erledigung keine natürliche Person, sondern eine juristische Person (zB eine GmbH) hat die Zustellung an eine:n zur Empfangnahme befugte:n Vertreter:in zu erfolgen. Auch wenn es der Regelfall ist, muss dies kein:e berufsmäßige:r Parteienvertreter:in sein, sondern kann bzw ist es oftmals auch ein vertretungsbefugtes Organ der juristischen Person (zB der:die Geschäftsführer:in der GmbH). Diesfalls werden die behördlichen Erledigungen, die für die juristische Person (zB GmbH) bestimmt sind (= „materieller“ Empfänger), oftmals durch den Zusatz „zu Handen [Geschäftsführer:in]“ an den Vertreter:in der juristischen Person (an den:die Geschäftsführer:in) adressiert, womit diese:r zum:zur „formellen“ Empfänger:in der Erledigung wird. 

Bei elektronischen Zustellungen ordnet § 98 Abs 2 BAO ausdrücklich an, dass diese als zugestellt gelten, sobald die Erledigung in der Databox in FinanzOnline einlangt. Dazu hatte der VwGH jüngst die Frage zu beantworten, ob ein Bescheid (die behördliche Erledigung), der den Zusatz „zu Handen [Geschäftsführer:in]“ enthält, wirksam in die Databox der GmbH zugestellt werden kann, oder in die Databox des:der Geschäftsführers:in zuzustellen ist. Im konkreten Fall (VwGH 22.11.2023, Ra 2023/13/0048) sprach der VwGH aus, dass durch die Bezeichnung des:der Geschäftsführers:in als „formelle:r“ Empfänger:in des Bescheides (durch den Zusatz „zu Handen“ des:der Geschäftsführers:in) dieser nur wirksam in die Databox des:der Geschäftsführers:in zugestellt werden kann. Tatsächlich wurde der Bescheid jedoch in die Databox der GmbH zugestellt, sodass ein Zustellmangel vorlag und der Bescheid keine Rechtswirkungen entfalten konnte. 


Heilung von Zustellmängeln durch tatsächliches Zukommen

Dieser Zustellmangel kann allerdings dadurch geheilt werden, wenn dem:der „formellen“ Empfänger:in (dem:der Geschäftsführer:in) der Bescheid tatsächlich zukommt. Bei Zustellungen in Papierform kann eine derartige Heilung eines Zustellmangels nur durch das tatsächliche Zukommen des Originals (!) bewirkt werden. Unter dem Originaldokument kommt nach der ständigen Rechtsprechung nur die Erstschrift der behördlichen Erledigung in Betracht. Kopien, Ablichtungen, Scans und dergleichen des Originals können keinen Zustellmangel heilen. 

Noch nicht abschließend geklärt ist jedoch die Frage, ob (bzw wenn ja, wie) ein Zustellmangel im elektronischen Bereich behoben werden kann. Analog zu Zustellfehlern in Papierform sollte eine solche wohl nur durch das tatsächliche Zukommen des Originals möglich sein. Somit könnte weder die Weiterleitung des elektronischen Dokuments per E-Mail (E-Mail ist kein wirksamer Zustellvorgang in der BAO) noch das Ausdrucken (dann stellt das Dokument kein Original mehr dar) ein tauglicher Heilungsvorgang darstellen. Vielmehr kommt, wie der VwGH auch in der gegenständlichen Entscheidung andeutet, eine Heilung von elektronischen Zustellmängel nur durch das Abrufen des elektronischen Dokuments aus der Databox in Betracht. Der Zustellmangel wäre  daher nur durch Einstieg der:die Geschäftsführer:in in das FinanzOnline Konto der GmbH und den Abruf des elektronisch zugestellten Bescheides über die Databox (ggf im Wege der elektronischen Akteneinsicht) behebbar.

Auch der Abruf des des Bescheides aus der Databox lässt per se nicht darauf schließen, dass dies durch den:die „formelle:n“ Empfänger:in, also durch den:der Geschäftsführer:in persönlich, erfolgt ist. Im gegenständlichen Fall konnte nämlich hinreichend glaubhaft gemacht werden, dass der:die Geschäftsführer:in keine Zugangsdaten zum FinanzOnline Konto der GmbH hatte und daher den Bescheid gar nicht abrufen konnte, womit auch keine Heilung des Zustellmangels erfolgen konnte.

Fazit

Für die Verwaltungspraxis hat die oben angeführte VwGH-Rsp zur Folge, dass behördliche Erledigungen, auf denen der:die Geschäftsführer:in durch den Zusatz „zu Handen“ als „formelle:r“ Empfänger:in angeführt wird, im elektronischen Weg nur in die Databox des:der Geschäftsführers:in wirksam zugestellt werden können. Allerdings kann daraus nicht gefolgert werden, dass zukünftig jede behördliche Erledigung, die für eine juristische Person bestimmt ist, in die Databox der vertretungsbefugten Person zugestellt werden muss.   

Eine Zustellung in die Databox der GmbH wird insbesondere dann zulässig sein, wenn kein:e von der juristischen Person abweichende:r „formelle:r“ Empfänger:in angeführt wird. Begeht die Behörde bei der elektronischen Zustellung einen Fehler, kann dieser nach derzeitigem Stand nur dadurch geheilt werden, dass das („originale“) elektronische Dokument durch den:der „formellen“ Empfänger:in aus der Databox bzw aus FinanzOnline abgerufen wird.